Landtag,
6. Sitzung vom 30.1.2002, Wörtliches Protokoll
- Seite 26 von 64
kein Redner öfter als zweimal und mehr als insgesamt
20 Minuten sprechen darf. Ausgenommen von dieser Beschränkung sind der Landeshauptmann
und die zuständigen Mitglieder der Landesregierung. Deren Redezeit ist pro Wortmeldung
mit 20 Minuten beschränkt.
Zur Besprechung der Mitteilung erteile ich Herrn Abg
Mag Chorherr das Wort.
Abg Mag Christoph Chorherr (Grüner Klub
im Rathaus): Meine Damen und Herren! Herr Landeshauptmann!
Da mir bis vor kurzem nicht ganz klar war, was unter
dem Titel "Daseinsvorsorge"-Bericht des Landeshauptmanns wirklich
kommen sollte, lassen Sie mich durchaus spontan nach Ihrer Rede einige Punkte
anmerken.
Also, ich halte es einmal ganz grundsätzlich abseits
notwendiger Auseinandersetzung für ganz wichtig, zu erkennen, dass die
Gesamtentwicklung der Weltwirtschaft ohne Zweifel eine ist - das erkennt man,
wenn man sich Kommentatoren anhört; da rede ich jetzt gar nicht über Österreich
allein, sondern das ist eine Grundideologie auch in der Europäischen Union,
aber auch in den Vereinigten Staaten kann man das beobachten -, die prinzipiell
Marktlösungen den Vorrang gibt, während sich staatliches Handeln überall massiv
in der Defensive befindet. Und so wenig tagesaktuell Ihr Bericht ist, so
notwendig halte ich vor diesem Hintergrund eine Diskussion auch in Wien über
eine Neubestimmung und neue Legitimation staatlichen Handelns.
Ich gebe Ihnen über weite Strecken Recht und möchte
nur ein paar Präzisierungen anbringen, die mir ein bisschen zu wenig
herausgekommen sind. Staatliches Handeln kann sich durchaus auf verschiedenen
Ebenen niederschlagen. Die eine ist der - ich nenne es einmal im weitesten
Sinne - Regulierungsbedarf. Wie soll Verkehrspolitik funktionieren? Welche
Vorgaben gibt man? Wie soll eine Telekom auch dort, wo Private agieren,
aussehen? Wie soll der regulative Rahmen aussehen, in dem sich
Wirtschaftspolitik niederschlägt? Was geschieht, wenn man es schlecht
reguliert? - Eines der Beispiele ist ja, glaube ich, das kalifornische
Beispiel. Ich denke nicht, dass die Antwort jetzt heißen soll: Verstaatlicht
die kalifornische Energiewirtschaft! Ich denke nicht, dass Sie das damit
gemeint haben, sondern die Frage ist: Wie soll der Rahmen, wie soll der
Wettbewerb aussehen? - Und die zweite, davon durchaus getrennte Frage ist: In
welchen Bereichen soll die öffentliche Hand selber Akteur sein?
Gerade in Wien wird diese Diskussion ein wenig unscharf
geführt. Ich hielte es für sinnvoll, in den einzelnen Bereichen zu diskutieren
- nicht heute und hier, aber egal, ob wir jetzt über das Schulwesen sprechen,
ob wir über das Gesundheitswesen sprechen, ob wir über den öffentlichen Verkehr
sprechen - und auseinander zu halten, wo wir vielleicht Nachholbedarf an
Deregulierungen auf der einen Seite, aber auch Bedarf an Neuregulierung,
besserer Regulierung auf der anderen Seite haben. Zweitens geht es darum zu
bestimmen, wo jedenfalls ein öffentlicher Eigentümer agieren soll oder nicht.
Ich mache es am Beispiel des öffentlichen Verkehrs
fest, komme aber zu anderen Schlüssen als Sie. Ich möchte es aber durchaus auch
auf StR Rieder münzen, der oft sagt, er nimmt jetzt einen anderen Hut.
Einerseits hat er den Hut des Eigentümervertreters der Wiener Linien oder der Wiener Stadtwerke - ich denke an die
ganze Regulierung der Wiener Energiewirtschaft - und dann hat er wieder den Hut
des Eigentümervertreters. Diese Hüte haben manchmal gewisse Konflikte miteinander,
und ich glaube, dass das gerade im Falle Wiens - wenn wir das nun einmal auf
diesem notwendigerweise abstrakteren Niveau betrachten, das die öffentliche Diskussion
immer weniger beherrscht als die Tagespolitik, das ist klar, aber mir ist das
jetzt wichtig - ein wenig schlecht auseinander gehalten wird.
Ich meine zum Beispiel, dass wir in Wien eine stärkere
Regulierung der Verkehrspolitik bräuchten, eine Regulierung, die zum Beispiel
wirklich klare Ziele vorgibt und festlegt, wie das von mir immer einverlangte
Ziel 45 Prozent ÖV-Anteile erreicht werden kann. Zu sagen, die Wiener Linien sind wir ohnehin selbst,
ist oft ein bisschen zu kurz gegriffen.
Ein zweites Beispiel, wo es überhaupt nicht funktioniert
und wodurch es zu dieser Defensive kommt, in der sich staatliches Handeln oft
wieder findet. Ich spreche vom gesamten - ich bleibe jetzt noch kurz beim
öffentlichen Verkehr - Großraum Wien, Niederösterreich, Burgenland, in Zukunft
vielleicht bis hinein zu unseren Nachbarn, vom Verkehrsverbund Ostregion. Da
waren im weitesten nur öffentliche Hände beteiligt, also Land Wien, Land
Niederösterreich, Land Burgenland, die Verkehrsbetriebe, die sich weitestgehend
noch in öffentlichen Händen befinden, ÖBB und andere. Das Ergebnis kennen wir
alle. Es ist alles andere als ein Ruhmesblatt öffentlichen Handelns. Und daraus
beziehen die, die öffentliches Handeln massiv denunzieren wollen, auch ihre
Legitimation. Die haben gesagt: Schaut, wie das funktioniert.
Wo könnte der VOR heute sein und wo ist er? - Das
reicht, Herr Landeshauptmann, von den Tarifen über die Administration bis hin
zur tagesaktuellen Diskussion über Stadtgrenzen und darüber, wo öffentliche
Linien fahren sollen, ob nicht vielleicht die Badner Bahn sehr wohl auch die
U 6-Gleise mitbenützen können sollte, also alles sinnvolle Verknüpfungen
zwischen Gebietskörperschaften. Oft habe ich das Gefühl, dass die wahren
Grenzen in Europa nicht entlang des ehemaligen Eisernen Vorhangs verlaufen,
sondern zum Beispiel entlang der Ketzergasse zwischen Wien und
Niederösterreich, wo die Fiskalinteressen zwischen Wien und Niederösterreich so
fundamental sind, dass es hier zu keinen Kooperationen kommt. Also,
Wettbewerbsregulierungen auf der einen, Eigentümerfragen auf der anderen Seite.
Ich bringe jetzt, um ein bisschen auch in die Tiefen der Kommunalpolitik
zu gehen, zwei weitere Beispiele - in einem Fall betrifft es uns, im anderen
betrifft es uns nicht -, wo Menschen, die gewohnt sind, von der Privatwirtschaft
als Kunden apostrophiert zu werden, sich dann, wenn sie öffentlichen Händen
gegenüberstehen,
Stadt Wien | Geschäftsstelle Landtag, Gemeinderat, Landesregierung und Stadtsenat (Magistratsdirektion)
Kontaktformular