Landtag,
7. Sitzung vom 28.02.2002, Wörtliches Protokoll - Seite 15 von 53
nehmen!" verlangt.
Das Verlangen wurde gemäß § 39 Abs. 2 der Geschäftsordnung
ordnungsgemäß beantragt.
Ich bitte die Erstrednerin, Frau Abg Dr Laschan, die
Aktuelle Stunde zu eröffnen, wobei ich bemerke, dass ihre Redezeit mit zehn
Minuten begrenzt ist.
Abg Dr Claudia Laschan
(Sozialdemokratische Fraktion des Wiener
Landtags und Gemeinderats): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte
Damen und Herren!
Laut Weltgesundheitsorganisation WHO ist Gesundheit
ein Zustand von vollständigem körperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefinden
und nicht die bloße Abwesenheit von Krankheit und Gebrechlichkeit. Aus dieser
Definition, nämlich aus einem umfassenden Gesundheitsbegriff, leitet sich
sozialdemokratische Gesundheitspolitik ab.
Sozialdemokratische Gesundheitspolitik geht der Frage
nach den Ursachen von Krankheiten nach. Es gibt nämlich nicht nur individuelle
und biologische Krankheitsursachen, sondern auch gesellschaftliche und ökonomische.
Sozialdemokratische Gesundheitspolitik hat das Ziel, die Lebensbedingungen der
Menschen so zu gestalten, dass es zu einer gleichmäßigen Riskenverteilung
kommt. Abzulehnen ist eine Verknüpfung gesundheitlicher Leistungen mit der
Zahlungsfähigkeit des Patienten. Daraus wiederum leitet sich eine kollektive
Finanzierung des Gesundheitswesens ab. Selbstbehalte sind ein Verstoß gegen die
Solidargemeinschaft. Kranke werden zusätzlich zum mit ihrer Krankheit
verbundenen Leid bestraft.
Sozialdemokratische Gesundheitspolitik will den
Menschen in den Mittelpunkt stellen und in einer hochtechnischen Medizin seine
Bedürfnisse wahrnehmen. Nach diesen Grundsätzen hat die Sozialdemokratie in
Österreich Gesundheitspolitik gemacht. Diese Gesundheitspolitik hat dazu
geführt, dass wir eines der weltbesten Gesundheitssysteme haben. (Beifall bei der SPÖ.)
Die blau-schwarze Regierung ist im Begriff, durch ihre
Menschen verachtende Politik das österreichische Gesundheitssystem zu
zerstören, aber nicht nur das österreichische Gesundheitssystem zu zerstören,
sondern auch das Wohlergehen des einzelnen Menschen zu gefährden, und zwar
durch die Verschlechterung der Lebensbedingungen, durch finanzielle Belastungen
wie Studiengebühren, wie Unfallrentenversteuerung, wie Ambulanzgebühren und
durch Arbeitslosigkeit - Arbeitslosigkeit macht krank, falls Ihnen das noch
nicht bekannt ist -, aber auch durch die Verschlechterung des Zusammenlebens
der Menschen, durch das Gegeneinander-aufhetzen einzelner gesellschaftlicher
Gruppen, durch das Schüren von Hass und Neid und Missgunst und durch den
Großangriff auf die Sozialversicherung, der in Wirklichkeit auch ein
Großangriff auf die Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen in diesem Land ist. (Beifall bei der SPÖ.)
Die mit blau-schwarzer Mehrheit durchgeführte
schwarz-blaue Umfärbung des Hauptverbands der Sozialversicherungsträger hat
dazu geführt - und das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen -, dass
4,5 Millionen ASVG-Versicherte durch einen ÖVP-Selbständigen, einen
ÖVP-Bauern und einen ÖVP-Beamten vertreten werden! Das ist demokratiepolitisch
äußerst fragwürdig! (Beifall bei der
SPÖ.)
Ich weiß nicht, wie viel Prozent Bauern es gibt, ich
glaube, 2 oder 3 Prozent, aber (Aufregung
bei der ÖVP und bei der FPÖ.) es ist nicht nur demokratiepolitisch
fragwürdig, sondern zusätzlich kosten die neuen blau-schwarzen Gremien des
Hauptverbands auch mehr als vorher! Und das vor dem Hintergrund ständig
wiederholter falscher Behauptungen (Abg
Johannes Prochaska: Demokratisch abgewählt! Sie wurden demokratisch abgewählt!
- Weitere große Aufregung bei der ÖVP und bei der FPÖ.) - tun Sie sich
nicht so aufregen, denn je lauter Sie schreien, desto weniger richtig wird es
-, dass der Verwaltungsaufwand der österreichischen Sozialversicherung das
größte Problem sei.
Wahr ist vielmehr, dass der prozentuelle Verwaltungskostenanteil
der österreichischen Sozialversicherung mit 3,8 Prozent unter dem der
Nachbarländer, zum Beispiel Schweiz und Deutschland, liegt. Nebenbei bemerkt:
Der Verwaltungskostenanteil bei Privatversicherungen beträgt 15 Prozent
und mehr.
Jetzt komme ich zu einem mir ganz wichtigen Thema:
Die Einführung der Ambulanzgebühr ist eine Bestrafung für kranke und ältere
Menschen und widerspricht dem Solidaritätsprinzip. Der Lenkungseffekt von den
Spitalsambulanzen hin zum niedergelassenen Bereich ist nicht eingetreten. Die
Ambulanzbesuche sind nach einer kurzen Schockphase gleich geblieben und die
Fallzahlen bei den niedergelassenen Ärzten sind nicht angestiegen! (Abg Gerhard Pfeiffer: Das ist doch nicht
wahr!) Das ist wahr, das können Sie nachlesen! Der Finanzierungs ... (Abg Gerhard Pfeiffer: Das ist nicht wahr!) Ganz
einfach ... (Abg Kurt Wagner: Das ist die
Statistik! - Aufregung bei der SPÖ, bei der FPÖ und bei der ÖVP.)
Der Finanzierungseffekt ist ebenfalls nicht eingetreten.
Im zweiten Quartal 2001 waren noch 37,5 Prozent der Ambulanzbesuche
gebührenpflichtig, 62,5 Prozent waren befreit. Die Vorschreibesumme hat
für dieses Quartal insgesamt 15,7 Millionen S betragen. Das ist ein
Drittel oder weniger als ein Drittel des vom Ministerium erwarteten Betrags!
Und nur, auch wieder nebenbei bemerkt, wer sich ein bisschen in der Medizin
auskennt, weiß, wie lächerlich 15 Millionen S in der modernen Medizin
heutzutage sind. (Abg Dr Matthias
Tschirf: Das ist doch nicht wahr!)
Bis zu 3 000 Menschen rufen täglich in der
Wiener Gebietskrankenkasse an und äußern ihren Unmut über die Ambulanzgebühr.
72 Prozent sind mit Überweisung ihres niedergelassenen Arztes gekommen und
verstehen nicht, warum sie für eine medizinische Notwendigkeit extra bezahlen
müssen. Kein Arzt und keine Ärztin schreibt aus Jux eine Überweisung und kein
Patient sucht zum Vergnügen eine Spitalsambulanz auf! (Beifall bei der SPÖ.)
Die Bundesregierung versucht, den Unmut der Menschen auf die
Krankenkassen zu lenken, um von der
Stadt Wien | Geschäftsstelle Landtag, Gemeinderat, Landesregierung und Stadtsenat (Magistratsdirektion)
Kontaktformular