Landtag,
7. Sitzung vom 28.02.2002, Wörtliches Protokoll - Seite 37 von 53
Paragraphen geändert werden und Inhalte hineinkommen. Wenn
man Bescheid weiß und fachlich eine Ahnung hat, dann kann man sich nur dagegen
wehren, dass die Ärzte dazu verpflichtet werden sollten, anzeigen zu müssen.
Sie konnten es ja sowieso schon immer.
In der Kinder- und Jugendanwaltschaft erleben wir es
leider tagtäglich, dass Verfahren eingestellt werden, weil zu wenige Beweise
auf dem Tisch liegen, dass die Kinder durch Befragungen gequält werden und dass
die Kinder - das hat auch Prof Friedrich sehr deutlich gesagt - noch ein
drittes Mal verletzt werden: das erste Mal durch den Missbrauch, das zweite
Mal, indem sie befragt werden, und das dritte Mal, wenn sie erleben, dass der
Täter freikommt und das Verfahren eingestellt wird. Ich würde mir wünschen,
dass es nicht das Thema ist; es sollte wirklich möglich sein, Fachleute zu
involvieren.
Der zweite Bereich ist die gemeinsame Obsorge. Ich
denke mir, diese kann man gesetzlich einfach nicht verankern. Wenn man die
gemeinsame Obsorge leben möchte, dann ist dies auch jetzt schon möglich. Wenn
Sie sich damit beschäftigt hätten oder vielleicht auch beschäftigt haben: Es
gibt sehr viele Studien - weil Sie das angesprochen haben -, in anderen
EU-Ländern ist die gemeinsame Obsorge schon vorhanden, das ist richtig. In
Deutschland gibt es jetzt Überlegungen, einige Dinge zu ändern.
Ich denke mir, das Thema sollte nicht
"Gemeinsame Obsorge ja oder nein" sein, sondern das Thema sollte
sein: Wie kann man es den Kindern leichter machen? - Denn auch einvernehmliche
Scheidungseltern streiten miteinander. Da sind einfach Verletzungen passiert.
Wir haben tagtäglich mit Kindern und Jugendlichen zu tun, die unter der
Scheidungssituation ihrer Eltern enorm leiden. Da werden wirklich Kinder von
ihren Eltern kaputt gemacht, weil die Eltern im Moment einfach nicht hinsehen
können und einfach nicht sehen können, welche Bedürfnisse die Kinder haben. Die
Diskussion sollte eher in diese Richtung gehen: Was können wir alle gemeinsam
dazu beitragen - und dazu lade ich Sie auch ein -, dass es Kindern und Jugendlichen
einfach besser geht?
So sehe ich auch meine Arbeit. Es tut mir Leid, dass
Sie das nicht so sehen und dass Sie den Bericht nicht zur Kenntnis nehmen
konnten. Aber ich lade Sie auch ein, wenn Sie irgendwelche Ideen haben, können
Sie uns gerne damit befassen, und wenn Sie Fragen haben, können Sie uns jederzeit
fragen. - Danke. (Beifall bei der SPÖ und
bei den GRÜNEN.)
Präsident Johann Römer:
Herr Dr Schmid, bitte.
Dr Anton Schmid
(Kinder- und Jugendanwaltschaft):
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Vizebürgermeisterin!
Danke für die Möglichkeit, zu Ihnen zu sprechen. Ich
werde chronologisch ganz kurz zu einigen Punkten Stellung nehmen.
Bezüglich Kinderbetreuungsgesetz/Karenzgeld: Alle
Kinder- und Jugendanwaltschaften Österreichs und alle Kinder- und JugendanwältInnen
Österreichs vertreten die Variante des Grundeinkommens für Kinder und Jugendliche.
Das ist keine Ausgeburt einer Wiener Überlegung von uns beiden, sondern dazu
gibt es ein Grundsatzpapier aller österreichischen Kinder- und Jugendanwälte.
Eines darf ich schon dazu sagen: Ich habe die Ehre gehabt,
von Herrn Staberl alias Nimmerrichter - oder umgekehrt - zitiert zu werden.
Wenn Jugendliche ab 14 Geld in die Hand gedrückt bekommen, dann kaufen sie sich
sofort Zigaretten und Drogen, schütten sich mit Schnaps zu et cetera. Wissen
Sie, was das Grundproblem ist? - Dass wir Jugendliche so betrachten, weil es
natürlich auch einige gibt, die das tun. Aber sehr oft wird das dann so
dargestellt, als ob unsere Jugendlichen nichts anderes mit Geld tun würden, als
sich sofort Drogen zu kaufen. Das ist der problematische Zugang. Darum kämpfen
wir als Kinder- und Jugendanwälte, Jugendliche endlich in einigen Bereichen
ernst zu nehmen. (Beifall bei der SPÖ und
bei Abgeordneten der GRÜNEN.)
Die angesprochene Studie der Aktion kritischer Schüler,
wonach sich ein großer Prozentsatz gegen die Absenkung des Wahlalters
ausspricht, zeigt genau, dass es sehr wichtig ist, dass man das Alter senkt.
Denn warum soll man 16-Jährige, die ja schon ein Verständnis von dem haben, was
passiert, nicht daran beteiligen, mitzuwählen? Gerade deswegen ist es wichtig.
Warum soll eigentlich jemand sagen: Ich will gar nicht wählen? - Überlegen wir
uns, was eigentlich dahintersteckt, wenn jemand sagt: Ich will nicht
partizipieren.
Eines darf ich auch noch dazu sagen, und ich bitte,
das nicht falsch zu verstehen. Unsere Gesellschaft wird immer älter, und ich
bin froh, in wenigen Jahren werde ich auch froh sein, wenn ich alt werde. Aber
wir müssen im Sinne des Generationenvertrags ein Gleichgewicht schaffen, dass
die Jugendlichen bei Wahlen und bei Partizipation in unserer Gesellschaft auch
eine Stimme haben. Allein schon deswegen ist es wichtig, dass wir das Wahlalter
senken. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten
der GRÜNEN.)
Es wird immer eingefordert, dass Jugendliche immer
Rechte wollen und sich um keine Pflichten kümmern wollen. Dazu darf ich nur
eines sagen: Wer wenige Rechte hat, ist nicht sehr motiviert, sich um seine
Pflichten zu kümmern.
Ausweis für Jugendliche: Herr Abgeordneter, da
handelt es sich um einen Irrtum! Die Kinder- und Jugendanwaltschaft spricht
sich selbstverständlich für einen Ausweis für Jugendliche aus. Ich weiß nicht,
wie Sie darauf kommen, dass wir uns gegen einen Ausweis für Jugendliche
aussprechen. (Abg Heinz Christian Strache:
Jugendschutzgesetz!) Es steht ja auch im Jugendschutzgesetz drin, dass da
eine bedingte Ausweispflicht gegeben sein sollte.
Zu den Drogen ganz kurz, um das auch klarzustellen: Die
Kinder- und Jugendanwaltschaft spricht sich nicht für eine Legalisierung der
weichen Drogen aus. Aber wir sprechen uns dafür aus, dass die Jugendlichen, die
das wollen, ernst genommen werden, aber nicht abgetan werden: Das sind die
Kiffer, die wissen noch nicht, und so weiter. Nehmen Sie zur Kenntnis, dass das
die Mehrheit der Wiener Jugendlichen möchte! Das heißt noch
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