Landtag, 8.
Sitzung vom 25.04.2002, Wörtliches Protokoll
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überall wo er hinkommt, erzählt er das, was gerade gehört
werden möchte. Er kommt ins Europäische Parlament und sagt dort etwas gegen die
Benes-Dekrete. Darauf gibt es einen Beschluss im Europäischen Parlament, dass
das überprüft werden sollte, und er ist auf einmal im Europäischen Parlament
dafür. Dann fährt er nach Prag und dort erzählt er Herrn Zeman, dass ohnedies
alles in Ordnung ist mit den Benes-Dekreten. Dann kommt er nach Österreich und
sagt wieder: "Nein, man muss schon reden drüber". - Und so geht es
fort, ich könnte weitere Reisen aufzählen.
Es ist
jedenfalls eine schwierige Situation, die der Herr Erweiterungskommissar
verursacht. Ich glaube auch, dass seine Aufgabe ganz einfach wäre, die Erweiterung
sowohl für die Europäische Union, aber auch für die Beitrittskandidaten gut
vorzubereiten, denn nur mit einer guten Vorbereitung ist auch ein guter
Beitritt möglich.
Aus dem
Grund meine Frage: Sie sind auch noch in vielen europäischen Funktionen tätig,
im Ausschuss der Regionen, aber Wien hat auch ein Haus in Brüssel, um auch
Lobbying zu betreiben und auch weiterzugeben, was Wien und was auch die
Wienerinnen und Wiener berührt. Vielleicht könnten Sie sich hier auch
einsetzen, dass hier die Europäische Union auch auf der Basis des Kommissars
eine Linie vertreten könnte?
Präsident Johann Hatzl:
Herr Landeshauptmann.
Lhptm Dr Michael Häupl:
Also, grundsätzlich bin ich der Auffassung - nicht zuletzt auch vor dem Hintergrund
meines früheren Berufs -, dass nur die Schlange mit gespaltener Zunge sprechen
sollte und niemand anderer. Wer meint, dass es eine vernünftige Politik ist,
jedem das zu erzählen, was er gerne hört, der scheitert.
Da ist Verheugen wahrscheinlich nicht der Einzige,
der das tut, wenn ich an ganz jüngste Interviews denke, die ich etwa gestern
Abend zur Kenntnis nehmen musste. Aber das Kernproblem besteht ein bisschen
auch darin ... (Zwischenruf aus der FPÖ:
Arabien!) Ich freue mich, dass Sie so international sind, dass Sie auch arabische
Sender sehen, das freut mich, dass Sie das tun (Heiterkeit bei der ÖVP und bei der FPÖ.), aber vielleicht haben
Sie das auch im Klub angeschaut, kann schon sein.
Ich habe es immer schon als problematisch empfunden,
dass man versucht, tatsächliche Probleme, die es in einer Diskussion um die
Erweiterung gibt und die in Verhandlungen ausgeräumt werden sollten, dadurch zu
umgehen, dass man eigentlich jedem das erzählt, was er hören will. Es hatte
auch keinen Sinn, dass ein deutscher Bundeskanzler etwa nach Polen gefahren
ist, um dort zu sagen, möglichst rasch soll Polen beitreten, und auf der
anderen Seite nach Brüssel fährt, um dort zu sagen, Deutschland sei nicht
bereit, auch nur eine Mark mehr zu bezahlen. Dies, wo doch jeder weiß, dass die
Frage etwa der Agrarfinanzierung gerade bei Polen eine so bedeutende ist, dass
sie sich nicht so ohne weiteres lösen lässt, dass man denen sagt, möglichst
rasch herein und auf der anderen Seite aber sagt, keine müde Mark mehr.
Das ist
ein Widerspruch, der unauflösbar ist, ein so genannter Antagonismus, und es hat
aus meiner Sicht heraus gesehen Politik so keinen Sinn, weil man nur Hoffnungen
erweckt, aber dann nicht Probleme dabei löst. Das gilt aus meiner Sicht
zweifelsfrei auch für den derzeitigen Erweiterungskommissar. Ich glaube, man
sollte grundsätzlich einmal, gerade bei den großen Ländern in der Europäischen
Union, ein bisserl darüber nachdenken, ob es wirklich sinnvoll ist, den
Ausleseprozess für Kommissare, die man nach Brüssel schickt, danach vorzunehmen,
ob man sie im eigenen Land noch brauchen kann.
Präsident Johann Hatzl:
Danke. - Damit ist die 1. Anfrage erledigt.
Die 2. Anfrage (FSP/01946/2002/0001-KSP/LM) wurde von Frau Abg Petra Bayr gestellt
und ist an die amtsführende Stadträtin der Geschäftsgruppe Bildung, Jugend,
Soziales, Information und Sport gerichtet: In
den letzten Tagen sind Pläne von Justizminister Böhmdorfer bekannt geworden,
den Jugendgerichtshof zu schließen. Trotz zahlreicher Proteste von Experten
will Minister Böhmdorfer daran festhalten. Was bedeutet das aus Ihrer Sicht für
Wien?
Frau Landeshauptmann-Stellvertreter,
bitte.
LhptmStin
Grete Laska: Sehr geehrte
Frau Landtagsabgeordnete!
Sie
stellen eine Frage zu der wirklich beachtenswerten und bekämpfenswerten
Tatsache, dass Herr Minister Böhmdorfer den Jugendgerichtshof in seiner derzeitigen
Form einer Veränderung zuführen will und fragen mich, was das aus meiner Sicht
für Wien bedeutet.
Nun, der
Wiener Jugendgerichtshof in der Rüdengasse besteht seit 1928. Es ist eine
Einrichtung, die nicht nur ein Gerichtshof an und für sich ist, sondern die Jugendstrafanstalt
und die Jugendgerichtshilfe in einer Einheit verbindet, und wir haben dazu in
den letzten Jahren noch dadurch eine günstige Konstellation von Vernetzung
erreicht, dass die Zentrale der MAG ELF in die unmittelbare Nähe übersiedelt
ist. Hätte es nicht schon vorher eine hervorragende Kooperation gegeben, so ist
sie jetzt jedenfalls noch erleichtert worden.
Eines ist
in dieser Causa besonders wichtig, nämlich, dass es nicht allein, wie uns ganz
gern vorgeworfen wird, ein politischer Reflex ist, dass man sagt, der freiheitliche
Justizminister sagt etwas und daher kommt eine Gegenreaktion, sondern alle
Expertinnen und Experten in diesem sehr breiten Feld sind einer Meinung, und
hier sollte tatsächlich noch einmal nachgedacht werden. Eine bewährte
Einrichtung nicht nur zur Bearbeitung von Kriminalität, sondern auch zur
Bekämpfung von Kriminalität soll nicht zerschlagen werden. Wir alle wissen,
dass Strafdelikte bei Jugendlichen ein ganz spezielles Vorgehen verlangen.
Es muss hier alles getan werden, um sie auf diesem Weg der
Delinquenz rechtzeitig und nachhaltig zu begleiten und für ihre zukünftige
Entwicklung zu sorgen, sei das mit zusätzlicher Ausbildung oder mit anderen Maßnahmen.
Und hier ist dieses Zusammenspiel so wichtig. Dazu kommt noch, dass die
Prävention, in der ja Wien in sehr vielen Themenbereichen führend ist, gemeinsam
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