Landtag,
21. Sitzung vom 27.04.2004, Wörtliches Protokoll - Seite 19 von 44
wird, dass sich immer mehr Wienerinnen und Wiener im Umland ansiedeln. Sie sehen die große Zunahme in diesem Bereich außerhalb Wiens. Ich möchte nur auf ein Detail hinweisen, auf ein wesentliches Detail: Darauf, was passieren wird, wenn im Jahr 2035, dem Jahr dieses Szenarios, 29 Prozent der Bevölkerung bereits über 65 sind, in Einfamilienhäusern rund um Wien leben, alle mit dem Auto fahren müssen, und wie wir das gewährleisten können.
Was sind die Ursachen? Weil der Kollege Reiter
spricht, der hier wirklich ein Haupt-Mitverursacher dieser Geschichte ist,
zitiere ich: Wodurch kommt das zustande? Damit es auch die schlichteren Gemüter
begreifen, steht es eh in der Zusammenfassung: "Mit dem Ausbau der
Hochleistungsstraßen kommt es zu einer Art Speckgürtel um Wien."
Was macht die Wiener SPÖ? - Leidenschaftlich ein
Hochleistungs-Straßenprojekt nach dem anderen rund um Wien bauen! Man kann es
nachlesen: Der Wirtschaftsförderungsfonds kauft ein Grundstück nach dem
anderen. So, wie die Shopping City im Süden Wiens ausschaut, werden Sie im
Osten und Norden Wiens das Gleiche haben.
Wenn Sie ein bisschen mehr lesen wollen, Herr
Kollege, dann lesen Sie auch weiter hinten nach. Dort steht nämlich das, was
jeder weiß: "Die Entwicklungsachsen für Freizeiteinrichtungen" - der
Freizeitverkehr nimmt besonders zu - "und Einkaufszentren orientieren sich
an dem neuen, hochrangigen Straßennetz." Genau das ist es: Im Zentrum
sperrt ein Geschäft nach dem anderen zu, weil Sie die Voraussetzungen dafür
schaffen, dass rund um Wien ein Shopping Center nach dem anderen gebaut wird,
indem Sie es über einen entsprechenden Straßenbau geradezu, ich möchte sagen,
anfeuern! Das ist die Ursache.
Darum werden einschneidende Maßnahmen vorgeschlagen,
damit es zumindest nicht ärger als heute wird. Ich glaube, Sie unterschätzen
das Problem total! Wenn es so weitergeht wie bisher, sagt diese Studie - da ist
auch der Kollege Schicker daneben gesessen -, dann führt das zu einem
Total-Chaos in Wien.
Was muss man tun? - Die wichtigste Maßnahme hat Herr
Schicker gleich einmal abgelehnt. Ich möchte Ihnen die wichtigste Maßnahme
vorschlagen, die wir für vernünftig halten: Das sind Formen einer City-Maut,
Formen einer Stau-Maut. Dort, wo es staut, muss bezahlt werden! Das wirkt auf
den ersten Blick unpopulär, und sofort hat Schicker gesagt: Nein, nein, nein,
das kommt eh nicht in Frage! - Die wichtigste Maßnahme, die vorgeschlagen
wurde, wurde von Schicker sofort abgelehnt.
Wir haben, glaube ich, dieser Tage eine für die
Kommunalpolitik entscheidende Wahl in London. Dort wurde eine City-Maut
eingeführt, die sehr, sehr hoch ist, und dort tritt ein Bürgermeister wieder
an. Vielleicht tun Sie sich ein bisschen leichter, wenn Sie merken, dass dieser
Bürgermeister wiedergewählt wird. (Abg Franz Ekkamp: Ist der Verkehr weniger geworden?) In
Oslo, in Stockholm, in Paris wird das diskutiert. (Abg Franz Ekkamp: Ist der Verkehr weniger geworden?)
Ja, der Verkehr ist deutlich weniger geworden! Fahren
Sie hin! (Zwischenruf des Abg Franz Ekkamp.) Wirklich, Herr Kollege, Sie
haben keine Ahnung! Ich schicke Ihnen ein paar Mails darüber, wo es
Untersuchungen darüber gibt, dass diese City-Maut den Verkehr deutlich
reduziert hat. (Abg Günter Kenesei: Wir haben 10 Prozent ...!) Und
hier wird vorgeschlagen, dass das entsprechend auch passiert. - Maßnahme eins.
Maßnahme zwei - genauso ketzerisch, scheinbar
ketzerisch: Es müssen hochrangige Straßenprojekte zurückgestellt werden. Diese
Studie sagt ganz eindeutig: Wenn Sie weiter in dem Ausmaß wie bisher Straßen
bauen, dann wird es genau zu dieser Verdoppelung des Autoverkehrs kommen. Warum
ziehen Sie daraus keine entsprechenden Konsequenzen? Wie werden wir uns auch
von der Krisensituation her darauf vorbereiten?
Ich möchte nur ganz kurz auf ein anderes, riesiges
Problem hinweisen. Was haben die ÖBB auch in vielen Jahrzehnten einer
sozialdemokratischen Verantwortlichkeit gemacht? Ich zitiere selten die
"Kronen Zeitung", aber heute muss ich sie zitieren: Bahn
"Wien-Prag: Fahrzeit wie 1904!" Das muss man sich wirklich
vorstellen: 1989 geht der Eiserne Vorhang auf, und was passiert? Eine Straße
wird gebaut, eine zweite Straße wird gebaut, eine Umfahrungsstraße wird gebaut,
und die Lobau ist wurscht, dort wollen wir auf der Autobahn durchfahren. Aber
zwei Städte im Herzen Europas - hier ist die Lok aus dem Jahr 1904 abgebildet (der
Redner hält die Zeitungsseite in die Höhe): Eine Dampflok, entzückend!
Dieselbe ÖBB heute, wenige Tage vor der Erweiterung
der EU: Da fahren wir mit einer schnittigeren Lok genauso geschwind wie 1900,
irgendetwas mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von
55 Stundenkilometern! Wenn ich fest trainiere, halte ich da einige wenige
hundert Meter weit mit dem Fahrrad mit. Was haben Sie da getan?
Oder Wien-Bratislava: Wir haben eine Klausur gemacht
und sind mit dem Zug nach Bratislava gefahren. Das glaubt man überhaupt nicht! (Abg
Godwin Schuster: Aber genau da ist die ÖBB zuständig, nicht die Stadt Wien!) Welche
Voraussetzungen haben Sie gemacht? Ich sage Ihnen, was Sie machen: Eine
Autobahn nach der anderen wird gebaut!
Es gibt ein berühmtes Buch, das heißt: "Die
Torheit der Regierenden" - Herr StR Schicker, Herr Kollege Schuster:
"Die Torheit der Regierenden"! Da steht es schwarz auf weiß: Wenn Sie
so weitermachen wie bisher, kommt es zu einer Verdoppelung des Autoverkehrs in
Wien, kommt es auf dem Großteil der Straßen zu Stau, Stau, Stau, so viel Stau -
um ungefähr halb vier wird der Wecker läuten, dass Sie wissen, was fünf Stunden
Stau sind! (Abg Franz Ekkamp: ... wäre die Zeit schon lange stehen
geblieben!) Dann wird es heißen: Wer ist schuld?
Es gibt Alternativen, Sie kennen
sie. Sie haben nicht den Mut, sie umzusetzen. (Abg Godwin Schuster: Die ÖBB
ist nicht Stadtangelegenheit, auch nicht Landesangelegenheit!) Darum gehört
die absolute Mehrheit auch
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