Landtag,
25. Sitzung vom 25.11.2004, Wörtliches Protokoll - Seite 35 von 72
müssen, wenn er dann seine Vorhaben umgesetzt haben möchte, und es wird Zeit, dass er ein Konzept dafür vorlegt.
Warum ist das Glas für die Grünen halb voll? Warum stimmen wir zu? Weil wir sagen, allen
voran ist wichtig zu sehen, dass sich die SPÖ aus ihrer Mutlosigkeit befreien
möchte und ein Gesetz vorlegt, ein Gesetz, das eines ist, für das wir uns in
Europa nicht genieren müssen. Es wird Schluss sein mit der Rechtlosigkeit der
Bewohner und Bewohnerinnen, es ist dann Schluss mit unfassbar unglaublichen
Hausordnungen in den Geriatriezentren, wo man seine Diagnose eingefügt haben
muss, einen Stempel vom Stationsarzt, damit man beim Portier dann Ausgang
bekommt. Das wird Vergangenheit sein, es ist jetzt noch Gegenwart in den
Häusern. Man darf in Zukunft auch nicht unbequeme Angehörige einfach stracks
mit einem Hausverbot hinausbugsieren, um sich Kritik zu ersparen. Auch das ist
im Moment noch möglich über die Hausordnung der Geriatriezentren in Wien.
Kurzum, es muss endlich Schluss sein mit der totalen
Institution Geriatriezentrum, in der die einen alles zu sagen haben und die
anderen nichts. Patienten-, Bewohner-, Bewohnerinnenrechte sind definiert und
sie müssen geachtet werden.
Außerdem muss auf Basis dieses Gesetzes endlich drin
sein, was draufsteht. Es muss Leistungsbeschreibungen geben, es muss ein
Personalkonzept geben, und die Heimträger sind verpflichtet, in eine
vertragliche Partnerschaft zu treten mit den Bewohnern und Bewohnerinnen. Das
war in den Geriatriezentren bis jetzt auch nicht der Fall.
Und – das ist wohl, denke ich, der wichtigste
Paradigmenwechsel, den dieses Gesetz vornimmt, es ist endlich die Erkenntnis
durchgedrungen, auch zur SPÖ, dass Einbettzimmer die Regel sein sollen und
nicht die Ausnahme. Und wer jetzt noch glaubt, damit punkten zu können, dass er
sagt, im Einbettzimmer ist man eh nur einsam und ist froh, wenn man in die WG
ins Achtbettzimmer kommt, der muss sich endlich dreinfinden, dass sogar die SPÖ
jetzt erkannt hat, dass Einbettzimmer als Rückzugsraum – als Rückzugsraum und
nicht Isolationsraum – vor Stress bewahrt und dass Menschen die Möglichkeit
haben sollen, hinter sich die Tür zuzumachen.
Es wird an guten Pflegekonzepten liegen, aus diesen
Einbettzimmern nicht sozusagen isolierte Abschiebeorte zu machen, sondern
Einbettzimmer als Möglichkeit für die Selbstentfaltung zu sehen, die klar
gekoppelt sein müssen mit Wohnlichkeit, Familien- und Wohnzimmerstrukturen. Die
Frau Kollegin Korosec hat es in der Geriatriekommission, finde ich,
hervorragend zusammengefasst, was das heißt. Das ist ein Wechsel von "ich
ziehe mich zurück" und "ich lebe in einem Wohnbereich, ich bewege
mich in einem Pflegeheim, so wie ich mich zu Hause bewegen würde: Mal will ich
alleine sein und mal will ich unter den Leuten sein." Und beides muss
möglich sein. Also komme mir niemand mehr damit, dass er sagt: Die armen
Menschen in den Einbettzimmern! Dann hätte nämlich die Einrichtung ihr Konzept
verfehlt und hätte nicht den Auftrag wahrgenommen, den dieses Gesetz gibt.
Ich will in dem Zusammenhang kurz etwas berichten.
Ich habe mit Ärzten diskutiert, die sich jetzt durchaus in ihrer Rolle, in
ihrem Selbstverständnis in Frage gestellt fühlen in den Geriatriezentren. Da
hat einer auf meinen Hinweis, hier werden die Hotelstandards endlich ernst
genommen, etwas höhnisch gemeint: Hotelstandard? Die Tante Mitzi war in ihrem
Leben nie in einem Hotel, und jetzt soll sie auf einmal einen Hotelstandard
haben. Solchen Haltungen kann ich nur entgegnen: Die Tante Mitzi war vielleicht
nie in einem Hotel, aber sie hat in einer Wohnung gelebt, und in der Wohnung
waren sicher nicht noch sieben andere im Zimmer. Unausweichlich.
Das sind Haltungen, mit denen auch intern in den
Geriatriezentren Schluss sein muss. Die Bedürfnisse von alten Menschen dadurch
herunterzumachen, dass man sagt, Hotels brauchen wir für euch nicht, kann uns
nicht entheben, darüber nachzudenken, wie wir die Wohnumgebung der Bewohner und
Bewohnerinnen wohnlich machen, anregungsreich machen und die Möglichkeit zu
Nähe und Distanz geben.
Also Einbettzimmer sollen Standard sein, und dass man
aus Lainz nur Vierbettzimmer zum Standard machen kann, kann ich von der
baulichen, der technischen Seite her natürlich nachvollziehen. Das ist nur
Wasser auf die Mühlen der Grünen
zu sagen: Dann machen wir halt dort etwas anderes als ein Pflegeheim. Wenn ein
Haus nicht umzubauen ist, weil das zu teuer wäre, weil die Kubatur dem nicht
entspricht, weil der Denkmalschutz dem entgegensteht, dann muss man die
Konsequenzen ziehen und sagen: Hauen wir dem schlechten Geld das gute nicht
nach oder umgekehrt. Ziehen wir dort aus, geben wir dem Haus eine neue Funktion
und machen wir für Pflegebedürftige passendere Rahmenbedingungen.
Das Pflegeheimgesetz – und deshalb stimmen wir zu –
fordert von den Geriatriezentren eine radikale Änderung ihrer Strukturen. Die Gespräche,
die ich mit Personal führe, zeigen, dass sie es dort auch schon wissen, und es
gibt viele, die das als Chance sehen, und es gibt auch welche, die sagen: Was
kommt da auf uns zu, und was bedeutet das gerade für unsere Berufsgruppe?
Für die Ärzte und Ärztinnen wird das viel bedeuten,
und es wird Veränderung bedeuten. Wenn wir sagen, wir bauen medikalisierte,
kasernenartige, spitalsähnliche Großstrukturen ab, dann ist es klar, dass den
Ärzten und Ärztinnen dort eine neue Rolle zukommen muss. Dann wird es keine
Primariate mehr in Pflegeheimen geben. Die machen dort, mit Verlaub, keinen
Sinn. Das heißt nicht, dass in Pflegeheimen keine Ärzte und Ärztinnen sein
sollen, aber nur in dem Ausmaß, wie sie gebraucht werden. Es ist nicht
notwendig, dass jede Station einen Oberarzt hat und jeder Pavillon einen
Abteilungsvorstand und dass munter Primariate weiter nachbesetzt werden, wie
das leider im vergangenen Jahr noch der Fall war.
Herr Kollege Hundstorfer ist jetzt
nicht da, aber er hat mit Recht gestern zu mir persönlich im Gespräch gesagt:
Das wird schwierig werden. Aber warum man dann im
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