Landtag,
3. Sitzung vom 25.01.2006, Wörtliches Protokoll - Seite 8 von 78
Wir kommen zur 2. Anfrage (FSP - 00240-2006/0001 - KVP/LM). Sie
wurde von Herrn Abg Dr Ulm gestellt und ist an den Herrn Landeshauptmann
gerichtet. (Verwahrloste Straßenzüge und Grätzl, nicht zuletzt durch über
längere Zeit leerstehende Geschäftslokale hervorgerufen, wirken sich negativ
auf das subjektive Sicherheitsgefühl der Menschen aus. Werden Sie sich für eine
Reform der Bestimmungen der Wiener Bauordnung einsetzen, um eine bessere Handhabe
gegen verwahrloste, leerstehende Geschäftslokale zu haben?)
Bitte um Beantwortung, Herr Landeshauptmann.
Lhptm Dr Michael Häupl: Sehr geehrter
Herr Abgeordneter!
Ich bitte um Entschuldigung, ich bin stimmlich ein
bisschen indisponiert. Das soll ja auch bei Sängern vorkommen, der ich
zweifelsohne nicht bin, aber man kann sich dem offensichtlich nicht entziehen.
Es ließe sich bei Ihrer Frage nun einmal zunächst
schon trefflich streiten über die verwahrlosten Straßen und verwahrlosten
Grätzeln, über die Slums in unserer Stadt und andere Dinge. Sei's drum. Ich
will mich auf das Wesentliche beschränken, und das ist die Frage: Ist die
Bauordnung ein Instrumentarium zur Lösung der Probleme leerstehender Geschäfte
oder nicht?
Da muss ich zunächst vorausschicken, dass wir über
die Bauordnung einen einzigen tatsächlichen Ansatzpunkt haben, und das ist die
Frage des Stadtbildes. Dies wäre rechtlich gesehen eine Möglichkeit, und diese
Möglichkeit wollen wir auch immer wieder nutzen, insbesondere dort, wo sich
auch die Perspektive bietet, dass wir mit Ersatzvornahmen tatsächlich auch
unmittelbar Probleme lösen können. Aber wie das Instrument der Ersatzvornahme
dann wiederum zu beurteilen ist, das wissen Sie wahrscheinlich noch besser als
ich, denn ich kenne es mehr aus der Praxis und den Erfahrungen, die wir in
dieser Stadt damit haben.
Dass wir keine unmittelbare Handhabe gegen
leerstehende Geschäfte aus dem Titel der Bauordnung heraus haben, das gebietet
die Verfassung. Das ist keine Länderkompetenz und daher ist es auch in keiner
der Bauordnungen der Länder entsprechend verankert. Ich denke, dass es aber
sehr wohl Instrumentarien gibt, mit denen wir uns sehr, sehr bemühen, und eine
einfache kurze Rücksprache, etwa mit einem Vizepräsidenten der Wiener Wirtschaftskammer,
hätte Ihnen eine Menge Informationen gegeben, welche Aktivitäten der Wiener
Wirtschaftsförderungsfonds gemeinsam mit der Wirtschaftskammer, aber auch die
Stadt Wien gemeinsam mit der Wiener Wirtschaftskammer setzt, um dem
Geschäftesterben nicht nur in den Hauptstraßen, wenn man so will, sondern auch
in den Nebenlagen entsprechend entgegenzuwirken.
Wir wenden sehr viel Geld gemeinsam auch dafür auf,
dass mit einer von mir außerordentlich anerkannten, äußerst effizienten
Organisation in diesem Bereich mit dem Herrn Mondschein durchaus gute Arbeit
geleistet wird. Aber Sie wissen natürlich so gut wie ich, dass wir damit nur
einen Teil des Problems kompensieren können, das Kernproblem, das wir heute
dabei haben, vor dem wir stehen, heißt Mietrecht.
Wir haben als Wiener vor fünf Jahren eindrücklich
davor gewarnt, dass man sowohl im Wohnbaubereich als auch bei den
Geschäftsmieten die Mieten einfach freigibt, es also nicht zu Mietregelungen
gekommen ist. Das führt dazu, dass man heute beispielsweise etwa auch in Lagen
wie der Thaliastraße oder in anderen vergleichbaren Straßen statt
1 500 EUR wie noch vor kurzer Zeit 3 500 EUR Miete zahlt,
und das ist halt für sehr viele Geschäfte ein erhebliches Problem.
Es lassen sich einzelne Bereiche leicht lösen. Als
die Grotta Azzura beispielsweise eine Verzehnfachung ihrer Miete hinnehmen
musste, da war halb Wien auf den Beinen, von aktuellen bis zu pensionierten
Politikern, damit dieser Unfug beim Hauseigentümer wieder abgestellt wird und
das Überleben dieses offensichtlich so bedeutenden Kommunikationsortes Grotta
Azzura gesichert ist. Aber wer kümmert sich um den kleinen Greißler, um den
kleinen Glaserer, um andere kleine Gewerbetreibende, die natürlich nicht über
diese Möglichkeiten verfügen?
Daher denke ich, dass man sich an dem, was auch eine
Vereinbarung zwischen der Wiener Wirtschaftskammer und der Stadt Wien, zwischen
dem damaligen Präsidenten, der neuen Präsidentin und dem Wiener Bürgermeister
ist, was Liegenschaften der Stadt Wien betrifft, orientieren könnte. Wir haben
uns auf einen Quadratmeterpreis von hundert Schilling – damals noch so
ausgemacht, jetzt ein bisschen mehr als acht Euro ungefähr, schon valorisiert –
festgelegt, sodass wir zumindest beispielsweise in Neubaugebieten Greißlern, kleinen
Gewerbetreibenden helfen, damit sie die Möglichkeit haben, auf Grund eines
entsprechend niedrigen Mietzinses tatsächlich dort auch Fuß zu fassen.
Also wenn man tatsächlich effizient die Fragen des
Geschäftesterbens in Wien, sei es in Straßen wie der Wiedner Hauptstraße, sei
es aber auch in Nebenlagen, bekämpfen will, so ist uns die Bauordnung nur eine
geringe Hilfe. Die gemeinsamen Aktivitäten der Stadt Wien hingegen mit der
Wirtschaftskammer und in der Frage des Mietrechts, die tatsächlich bedeutend ist,
setzen wir sehr engagiert fort. Ich hoffe auf Ihre Unterstützung, insbesondere
beim Bereich des Mietrechts, denn im ersteren Bereich, der Kooperation mit der
Wirtschaftskammer, sind wir ohnehin ganz gut unterwegs.
Präsidentin Erika Stubenvoll: Danke
schön. – Wir kommen zur 2. Zusatzfrage: Herr Abg Herzog. (Abg Dr Wolfgang Ulm: Die
1. Zusatzfrage war noch nicht!) Oh, Entschuldigung!
Abg Dr Wolfgang Ulm
(ÖVP-Klub der Landeshauptstadt Wien):
Danke schön, Frau Präsidentin.
Sehr geehrter Herr Landeshauptmann,
zur Kooperation und Unterstützung bin ich natürlich sehr gerne bereit, wir
sehen nur die Ansatzpunkte doch etwas differenziert. Ich glaube, dass das
Mietrecht natürlich ein wesentliches Element bei der Beurteilung dieser Frage
ist. Ich halte aber die Regelung für nicht so schlecht, sondern ich halte es
für möglich, dass es bei anderen mietrechtlichen Regelungen noch mehr
Leerstehungen geben könnte. Aber jedenfalls haben wir dieses
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