Landtag,
6. Sitzung vom 06.10.2006, Wörtliches Protokoll - Seite 25 von 90
Matzka-Dojder: Lesen Sie die Gesetze, und dann machen Sie Aussagen! Dazu sind Sie nicht
in der Lage!)
Tausende Ein-Personen-Unternehmen bieten ihre
Arbeitsleistung an, besonders in der Baubranche. Das ist das, was der Herr Bürgermeister
im Wahlkampf kritisiert hat. Was tut er jetzt dagegen? Er unterstützt das
letztlich! (Zwischenruf von Abg Anica Matzka-Dojder.) Er bekämpft es
nicht, er unterstützt es! Da kann ich mich nur wundern. Das ist alles leeres
Gewäsch vor der Wahl, aber nachher macht man weiter mit unsinnigen Irrwegen.
Diese Scheinselbstständigkeit ist ja genau das, mit dem man die
Übergangsfristen umgeht, die es gibt. Sie sollten den Arbeitsmarkt schützen,
werden aber umgangen, und man lässt es politisch zu, obwohl man weiß, dass es
hier Umgehungen gibt.
Dann gibt es Beschäftigungsabkommen zwischen
Österreich und den neuen Mitgliedsstaaten, die es erlauben, dass bereits nach
zwölf Monaten ein völlig freier Zugang zum österreichischen Arbeitsmarkt
möglich gemacht wird. Da wundert man sich dann, wenn es einen
Verdrängungswettbewerb gibt. Da wundert man sich dann, wenn österreichische
Arbeitnehmer vom Arbeitsplatz verdrängt werden, weil man im Interesse der
Wirtschaft billige osteuropäische Arbeiter hereinholt, die es für den
Unternehmer billiger machen. Der Unternehmer ist nicht mehr bereit, den
entsprechenden Lohn zu zahlen, und nimmt eben den Nächsten, der billiger ist.
Das unterstützt man mit solchen Gesetzen, und das ist
sozialpolitisch einfach nicht fair! Das muss man einmal offen sehen. Da geht es
nicht um Humanität, wie Sie es immer darzustellen versuchen, nein, da geht es
um Ausbeutung von Menschen! Das geschieht auf dem Rücken aller betroffenen
Menschen, und das ist sozial nicht fair.
Die Stadt Wien hätte trotz des Brüsseler Diktats
sinnvolle und wirksame Möglichkeiten gehabt, auch den Zugang zu sozialer
Mindestsicherung für Leute, die gerade deshalb nach Österreich kommen,
letztlich zu erschweren. Man hätte dies nämlich Europarechts-konform und
verfassungskonform erschweren können, wenn man gewollt hätte.
Sie hätten den Bezug der Sozialhilfe zumindest von
kulturellen, sprachlichen und wirtschaftlichen Gegebenheiten der Gesellschaft
abhängig machen können. Sie hätten die Zuerkennung der Sozialhilfe durch eine
Punktesystem festmachen und bewerten können, das objektiv auf die persönliche
Lage des Antragsberechtigten eingeht und auf den für ihn notwendigen Bedarf und
seine Integration Bezug nimmt, nämlich auf Sprachkenntnisse und Vorstrafen
abgestellt ist. Das ist nicht der Fall - auch Vorbestrafte sind da
vollinhaltlich betroffen und können kassieren -, es ist nicht der Fall.
Danach hätte man eine Rangfolge der Zuteilung
erstellen können, um eben hier doch gewisse Regelungen zu haben, um Missbrauch
auszuschalten und dies ein paar ungerechtfertigten Herrschaften zu versagen,
die da Anspruch auf eine schönere Zukunft erheben wollen. Die Berechtigung
könnte auch vom erfolgreichen Abschluss einer Volkschule oder vom Nachweis
eines erfolgreichen Abschlusses der Integrationsvereinbarung abhängig gemacht
werden.
Oder man setzt beim Ausschluss der Berechtigung an,
nämlich so, dass man von der Berechtigung ausgeschlossen ist, wenn eine
beantragende Person zu folgenden vorsätzlich begangenen Straftaten von einem
inländischen Gericht oder einer inländischen Verwaltungsbehörde verurteilt
wurde. Das wäre vernünftig, aber man ist nicht einmal bereit, das zu tun; das
heißt, die Straftäter sind da von Ihnen genauso vorgesehen. Das ist ja die
Unterstützung des Imports von Straftätern, die genauso alle Möglichkeiten, alle
Leistungsmöglichkeiten gesichert bekommen sollen! Nicht einmal bei schwerer
Gefahr für die öffentliche Sicherheit sind Sie bereit, Ausnahmen zu machen,
nämlich bei Verbrechen der Schlepperei, Beihilfe zu unbefugtem Aufenthalt,
Vergehen gegen das Suchtmittelgesetz, Verurteilung zu mehr als sechs Monaten
unbedingter Freiheitsstrafe bei wiederholter Vorsatzstraftat, Übertretung des
Meldegesetzes, aber auch bei Verstößen gegen das Versammlungsgesetz oder bei
Übertretung des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes, oder auch beim Bereich
Ausländerbeschäftigungsgesetz oder bei vorsätzlichen Finanzvergehen - ja, da
wissen wir, da bekommt man sogar noch die Staatsbürgerschaft bei uns in Wien,
das haben wir schon im Fall Makarenko gesehen -, Verstoß gegen
Prostitutionsregelungen, Zuhälterei - alles möglich, und man hat trotzdem jeden
Anspruch bei uns im Land! Wirklich ein Schlaraffenland der Unsinnigkeiten,
unglaublich!
Diese Möglichkeiten haben Sie nicht in Erwägung gezogen.
Sie haben es nicht in Erwägung gezogen, so einem Diktat aus Brüssel Schranken
zu geben und zu sagen: „Nein, diesen Unsinn setzen wir nicht eins zu eins um!
Wir schaffen Mechanismen, mit denen wir gewisse Personengruppen ganz bewusst
ausklammern und Vorgaben geben."
Dieser nun zu beschließende, erweiterte Bezieherkreis
von Sozialhilfe wird zu einer weiteren Anspannung führen und diese Einrichtung
in ihrer Bedeutung weiter schmälern. Das sagen wir heute voraus, und wir werden
in ein paar Jahren das Gejammer in dieser Stadt bemerken! Aber wir waren
diejenigen, die als Erste genau darauf aufmerksam gemacht haben, dass es hier
zu einem dramatischen Anstieg von Sozialhilfeempfängern kommen wird, einem
dramatischen Anstieg! Dann wird man wieder unterbudgetiert haben, dann wird man
wieder nachbudgetieren müssen, damit wir wieder Gelder nachschießen können.
Aber die Menschen werden nie eine Sozialhilfe erhalten, mit der sie wirklich
halbwegs anständig leben können und über die Runden kommen. Genau darauf machen
wir aufmerksam: Das ist unverantwortlich!
Schon in den letzten drei Jahren
mussten wir eine Verdoppelung der Anzahl jener Personen feststellen, die
Leistungen aus der Sozialhilfe erhalten haben. Derzeit haben wir rund
80 000 Menschen in Wien, die Tendenz ist steigend. Die Budgets für
den Sozialhilfebereich waren zu niedrig veranschlagt und mussten nachbudgetiert
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