Landtag,
10. Sitzung vom 28.06.2007, Wörtliches Protokoll - Seite 26 von 98
Ende 2007 fertig stellt, damit er noch vor den
nächsten Europawahlen 2009 in Kraft treten kann.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! In meiner
letzten Mitteilung an den Wiener Landtag zum Anlass der österreichischen
EU-Präsidentschaft habe ich Sie darüber informiert, dass ich zum
Berichterstatter des Ausschusses der Regionen über die Stellungnahme „Die
städtische Dimension der neuen Strukturfonds" gewählt wurde. Dies erlaubte
mir, insbesondere auf folgende zwei Punkte hinzuweisen.
Erstens: Wir alle sind in unserer praktischen Arbeit tagtäglich mit dem Thema „Politische Akzeptanz der EU" konfrontiert. Leider, aber nicht zufällig, ist diese in Österreich besonders niedrig. Nur wenn es uns gelingt, unseren Bürgerinnen und Bürgern die positiven Wirkungen der EU-Politiken sichtbar zu machen, können wir die für die Weiterentwicklung der EU notwendige politische Unterstützung wieder erreichen. Dafür ist aber die tatsächliche Einbeziehung der städtischen und regionalen Ebenen in die Gestaltung der EU-Politiken eine notwendige, wenn auch vielleicht nicht hinreichende Bedingung. Dies passiert derzeit vielfach noch nicht.
Das am stärksten ins Auge stechende Beispiel dafür
ist die Umsetzung der 2005 erneuerten Lissabon-Strategie und ihre
Implementierung durch die nationalen Reformprogramme der Mitgliedsstaaten.
Obwohl es unbestritten ist, dass die Städte die entscheidenden Zentren für
Forschung und Innovation sind, waren die europäischen Städte in der Regel in
diese Prozesse nicht eingebunden. Dies bestätigt auch eine Analyse der so
genannten Lissabon-Monitoring-Plattform-Initiative des Ausschusses der
Regionen.
Zweitens: Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass die
bisherige Art und Weise der europäischen Integration eine fundamentale
Asymmetrie geschaffen hat: zwischen Politiken, die auf europäischer Ebene die
Markteffizienz fördern, einerseits, und andererseits Politiken, die immer noch
auf nationaler, regionaler oder städtischer Ebene versuchen, die daraus
resultierenden Probleme der sozialen Sicherung und des sozialen
Nachteilausgleichs zu lösen. Die Debatte um ein europäisches Sozialmodell muss
daher auch eine Debatte um eine Europäisierung der Sozialpolitik sein.
Wenn wir nicht in diese Richtung gehen, werden unsere
Versuche der nachbessernden sozialen Reparatur beziehungsweise Sanierung immer mehr
zum Scheitern verurteilt sein. Letztlich nährt sich an der angesprochenen
fundamentalen Asymmetrie auch jener nationale Populismus, der den eigenen Staat
als letzte Bastion gegen die Folgen der Globalisierung und gegen die
europäische Integration in Stellung bringt. Es ist also höchst an der Zeit, die
Sozialunion als Eckpfeiler der Europäischen Union zu verankern und in das
europäische Vertragswerk aufzunehmen. (Beifall bei der SPÖ.)
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ein zentrales
Instrument der sozialen Integration stellen auch die Dienstleistungen von
allgemeinem Interesse dar. Sie zählen zu den Kernaufgaben der Städte, Regionen
und Gemeinden Europas. Wien bemüht sich seit Langem um den Erhalt qualitativ
hochwertiger Dienstleistungen der Daseinsvorsorge und, damit verbunden, um den
Erhalt der kommunalen Wahlfreiheit bei der Erbringung dieser Leistungen.
Dass sich die Anstrengungen Wiens lohnen, wurde erst
kürzlich in der aktuellen Studie „Quality of Life Survey 2007" der Mercer
Consulting Group bestätigt. Im weltweiten Vergleich konnte sich Wien hinter
Zürich und Genf wieder den dritten Rang gemeinsam mit Vancouver sichern.
Innerhalb der Europäischen Union hält Wien die Spitzenposition, und auch 2006
war Wien mit 147 internationalen Kongressen wieder die beliebteste
Kongressstadt der Welt.
Um diese hohe Qualität öffentlicher Dienstleistungen
weiter gewährleisten zu können, müssen auf europäischer Ebene die
erforderlichen Rahmenbedingungen geschaffen werden. In diesem Sinne spreche ich
mich als Landeshauptmann von Wien für die Festschreibung eines Rechtsrahmens
für Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse aus.
Selbstverständlich unter Beachtung des Subsidiaritätsprinzips soll dieser
grundlegende Prinzipien der Daseinsvorsorge festlegen, wie zum Beispiel das
Recht auf kommunale Wahlfreiheit hinsichtlich der Erbringung öffentlicher
Dienstleistung oder die Beibehaltung einer praktikablen
Inhouse-Vergabemöglichkeit.
Dagegen widerspricht der sektorale Ansatz, den die
Europäische Kommission und das Europäische Parlament derzeit bei den Sozial-
und Gesundheitsdienstleistungen verfolgen, dem Gedanken der Subsidiarität.
Dabei sollte gerade in diesen sensiblen Bereichen der Mensch mit seinen
Bedürfnissen und nicht die Regeln des Markts im Vordergrund stehen. (Beifall
bei der SPÖ.)
Aber darin besteht ja gerade eines der grundlegenden
Probleme der Union: Sie tut so, als ob alle Märkte gleich wären. Oder, wie es
jüngst Heiner Geißler pointiert formulierte: „Bedenklich ist, dass man den Arbeitsmarkt
wie den Kartoffelmarkt behandelt.“ Umso wichtiger ist es, die Stärken, die
Kontinuität und die Sicherheit sowie die Qualität kommunaler Dienstleistungen
aufzuzeigen und die Forderung nach einem Rahmenrecht für sämtliche Leistungen
der Daseinsvorsorge weiterhin mit Nachdruck zu vertreten.
Das Europäische Parlament sollte sich wieder auf die
Bedeutung der Aufgabenerfüllung durch Regionen, Gemeinden und Städte besinnen.
Im Mittelpunkt haben dabei die Wahrung des Subsidiaritätsprinzips und die
Aufrechterhaltung der kommunalen Wahlfreiheit zu stehen. Dahin gehend sollten
die Verhandlungen über die ÖPNV-Verordnung endgültig zum Abschluss gebracht
werden. Auch in der Frage der PPPs unterstützt Wien den politischen Ansatz,
interkommunale und gemischtwirtschaftliche Kooperationen unbürokratisch zu
ermöglichen.
Meine sehr geehrten Damen und
Herren! Dass Wien im internationalen Städtevergleich bei den so genannten
weichen Standortfaktoren hervorragend abschneidet, ist nicht neu. Eine rezente
Studie des WIFO zeigt aber, dass Wien auch bei den harten Standortfaktoren
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