Landtag,
16. Sitzung vom 28.03.2008, Wörtliches Protokoll - Seite 26 von 78
Gerade dort sind in jüngster
Zeit aber deutliche Zeichen einer beginnenden Trendwende in der
Wirtschaftspolitik zu beobachten: Weg vom Neoliberalismus hin zu einer
Wiederentdeckung der Vorzüge öffentlichen Eigentums. Kommunales Insourcing wird
wieder „in“. Laut einer Studie der Mannheimer Beratungsfirma Tima Consult haben
rund 100 deutsche Städte und Gemeinden, wie zum Beispiel Hannover, ihre
Müllabfuhr wieder eingegliedert. Die Oligopolstrukturen der großen privaten
Entsorger erlauben Gewinnmargen von 8 bis 12 Prozent und führen zu
Qualitätseinbußen und zu Kostensteigerungen für die Kommunen, und damit aber
auch zu einem - wie jetzt erkennbar ist - für uns erfreulichen Umdenken.
Die Rekommunalisierung in der
deutschen Abfallwirtschaft ist aber kein Einzelphänomen. Betroffen sind weitaus
mehr Sektoren der Wirtschaft, wie zum Beispiel die Energie- und die
Wasserversorgung oder die Straßenreinigung. Freiburg und Dortmund wollten
jüngst die Reinigung der öffentlichen Schulen, in Kindergärten und Sportstätten
unter das kommunale Dach zurückbringen. Die Städte Dortmund und Bochum hatten
mit Gelsenwasser den einst größten Privatkonzern der regionalen
Wasserwirtschaft zurückgekauft. Und auch in Berlin gibt es Planspiele, um die
1999 teilprivatisierten Wasserbetriebe der Hauptstadt wieder in die kommunale
Verantwortung zurückzuholen.
Über eine Rekommunalisierung
der öffentlichen Wasserversorgung wird auch in Paris nachgedacht. Diesen Trend
zum kommunalen Insourcing sehe ich durchaus mit Befriedigung, bestätigt er doch
eindrucksvoll die Wiener Position in Fragen der Daseinsvorsorge. Städte und
Gemeinden sind nicht nur die Treiber der Wirtschaftsentwicklung, sondern auch
über die Schwungkraft der kommunalen Betriebe Motoren der sozialen Integration.
Die Umsetzung einer solchen Politik kann jedoch nur über leistungsfähige und am
Markt bestehende Betriebe erfolgen.
Meine Damen und Herren, vor
dem Hintergrund der Zunahme neuer, leider nicht mehr „atypischer“ Arbeitsbeschäftigungsformen,
gewinnt die Schnittstelle zwischen Sozial- und Arbeitsmarktpolitik immer mehr
an Bedeutung. Wien wird diesem Umstand in der neuen EU-Strukturfondsperiode mit
dem Programm „Beschäftigung Österreich 2007 bis 2013", Rechnung tragen. Umgesetzt
wird dieser Schwerpunkt durch den territorialen Beschäftigungspakt Wien. In
einem ersten Schritt wurden 11 Projekte mit einem vom europäischen
Sozialfonds kofinanzierten Gesamtvolumen von 9 Millionen EUR
aufgesetzt. Dabei werden Menschen unterstützt, die besondere Schwierigkeiten
haben, in den Arbeitsmarkt einzusteigen.
Meine Damen und Herren, es
liegt nunmehr bereits 20 Jahre zurück, dass mit dem Grundlagenreport
erstmals die nachhaltige Entwicklung als eine integrative, globale
Politikstrategie formuliert wurde. Wien versteht sich, wie man in dem
Strategieplan „Wien 2004" nachlesen kann, ganz im Sinne der nachhaltigen
Entwicklung als Stadt mit Visionen und Augenmaß, und das nicht erst seit 2004.
Als Bürgermeister der Stadt
Wien habe ich bereits 1996 die Charta von Aalborg und 2006 die Aalborg
Commitments unterschrieben. Damit setzen wir auch ein international sichtbares
Zeichen, dass Wien die europäische Vision von integrativen, prosperierenden und
kreativen Städten teilt. Jene sektorale Politik, die einer integrativen
Betrachtungsweise, wie es das Leitbild der nachhaltigen Entwicklung fordert,
gerecht werden kann, hat Wien mit dem Arbeitspapier „Wiener Umwelt – Vision und
Leitlinien und Ziele", das der Gemeinderat im Dezember 2007 zustimmend
zur Kenntnis genommen hat, konkret vorgezeigt. Natürlich hat auch die EU die
Problematik und die Schwächen sektoralen Vorgehens theoretisch erkannt, und
daher der Lissabon-Strategie für Wachstum und Beschäftigung des Jahres 2000 ein
Jahr später die Göteborg-Strategie für nachhaltige Entwicklung zur Seite
gestellt. Damit soll das im EU-Vertrag von Maastricht verankerte Ziel der
nachhaltigen Entwicklung konsequenter verwirklicht werden. 2006 wurde unter
österreichischer Ratspräsidentschaft als Abschluss eines zweijährigen
Evaluationsprozesses die erneute EU-Strategie für nachhaltige Entwicklung
verabschiedet. Gegenstand sind, in Ergänzung zur Lissabon-Strategie, in erster
Linie die Lebensqualität, die Generationengerechtigkeit und die Kohärenz
zwischen allen Politikfeldern.
Österreich selbst hat darauf
auch reagiert. Die Landeshauptleutekonferenz und der Ministerrat haben 2007
beschlossen, dass eine von Bund und Ländern gemeinsam getragene österreichische
Nachhaltigkeitsstrategie ausgearbeitet werden soll, 2008 soll ein
Strategieentwurf und ein Arbeitsprogramm gemeinsam vorgelegt werden.
Nahezu alle Thematiken sind
in der EU-Nachhaltigkeitsstrategie angesprochen. Was die drängenden Themen
betrifft, so stehen zum Beispiel Klimawandel und Energie inzwischen überall auf
der Tagesordnung. Akzeptanz für notwendige Maßnahmen ist natürlich auch in der
Energiepolitik eine conditio sine qua non. Als am 28. Jänner 2008
Rajendra Pachauri, Präsident des UN-Klimarates, der gemeinsam mit Al Gore den
Friedensnobelpreis für sein Engagement in Sachen Klimaschutz bekommen hat, im
Wiener Rathaus war, hat er einmal mehr die zentrale Rolle der Städte für eine
umwelt- und klimaschonende Energieversorgung betont. Für die Eindämmung der
nach wie vor weltweit steigenden CO2-Emissionen ist es unerlässlich,
dass der Endenergieverbrauch stabilisiert und letztendlich reduziert wird.
Die Analyse der Situation
zeigt, dass dies durch eine Effizienzsteigerung des gesamten Versorgungssystems
möglich ist. Mehr als 80 Prozent des weltweiten Energieverbrauchs findet
in den Städten statt. Daher ist es auch unsere zentrale Aufgabe, Maßnahmen zu
setzen, damit mit Energie möglichst effizient umgegangen wird.
Wien
geht auch hier voran. Mehr als einhundert konkrete Maßnahmen des Wiener
Energieeffizienzprogramms werden deshalb seit 2006 umgesetzt und das zweite
Klimaschutzprogramm befindet sich in
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