Landtag,
16. Sitzung vom 28.03.2008, Wörtliches Protokoll - Seite 67 von 78
etwa 40 bis 50 Frauen, von denen wir reden. Die 700
Anzeigen betreffen ja nicht 700 verschiedene Personen, sondern wesentlich
weniger, weil sie ja an einem Tag vier oder fünf solche Anzeigen bekommen, um
14.15 Uhr, um 14.32 Uhr, um 14.58 Uhr und so weiter, wie es dem
Polizisten gerade beliebt, der das macht. Wenn man sich die Situation vor Ort
anschaut, dann stellt man fest, dass es sich um bittere Armut in diesem Dorf
handelt, die wir uns hier gar nicht vorstellen können. Das ist die Alternative,
das ist das alternative Leben, wenn sie dorthin zurückgeschickt werden. (Abg Martina Ludwig-Faymann: Da gibt es ein
Paket! Haben Sie das nicht durchgelesen oder mit einem Experten besprochen?
Kollegin Vassilakou hat das doch ausgeführt!)
Sie schicken mit jedem einzelnen Kind einen
Sozialarbeiter oder eine Sozialarbeiterin hin und haben hier viel zu wenige,
und wir wissen haargenau, wer sich nicht darüber freut, nämlich genau die
Personen, die diese Arbeit machen sollen, weil sie hier hinten und vorne nicht
auskommen. Und sie werden das so auch nicht leisten können, und es wird dann
bei jedem Einzelfall niemand dabei sein!
Dort schaut es so aus: Wenn es Frühstück gibt, geht
jemand hinaus, durchsucht die Mülltonnen, sucht sich halb verfaultes Brot,
trägt es heim, entfernt den Schimmel, und das wird dann gegessen. Das ist das
Frühstück!
Die Alternative dazu ist, dass sie hierher kommen und
tatsächlich – was auch mich erstaunt – in wenigen Tagen so viel
verdienen, wie sie dort in zwei Monaten nicht zusammenbringen. So ist das!
Es gibt eine Diplomarbeit, die „Betteln als
Beruf" zum Thema hat. Es klingt sehr hart, wenn man diesen Titel zum
ersten Mal hört. Es gibt aber verschiedene Kulturkreise auf der Welt, und das
Betteln ist nicht überall so verpönt wie bei uns. In diesen Ländern ist es eine
der ganz wenigen Möglichkeiten, um auch den Kindern überhaupt die Situation zu
verbessern, hierher zu fahren, was Geld kostet, wobei man dann von einem
Vermieter ausgenützt wird, weil man erst einmal 150 EUR für die Matratzen
zusammenbringen muss, und dann wieder heimzufahren, weil das erbettelte Geld
tatsächlich für die Person selbst und das Kind ein besseres Leben
ermöglicht. – Das stimmt einfach!
Zur Alternative, die Sie heute vorzeigen. Betreffend
1. Bezirk haben Sie das jetzt schnell gemacht haben, damit es sich genau
ausgeht. Sie haben einen extra Ausschuss eingesetzt. Da frage ich: Wie viele
Sonderausschüsse gibt es eigentlich im Jahr? Wie viele hat es in der letzten
Periode in diesem Bereich gegeben? Wie oft tagt ein Sonderausschuss! –
Nun: Letztlich tagt keiner! Heuer haben wir aber schnell, schnell einen
gebraucht, damit sich das genau knapp vor dem Landtag ausgeht und alle Fristen
mit Müh und Not eingehalten werden. – Da drängt sich doch der Verdacht
auf, dass das mit Juni und der Europameisterschaft zusammenhängt! Denn sonst
hätten wir das ja genauso gut auch Ende Juni beschließen können, und es hätte
ab 1. Juli gegolten. Das wäre ja kein Problem gewesen!
Ich weiß, dass Sie gebetsmühlenartig wiederholen
werden, dass es Ihnen um das Wohl der Kinder geht. Ich meine, es geht Ihnen
nicht darum! Ich frage Sie: Was ist mit den Kindern, die von ihren Eltern
getrennt werden, so wie Sie es jetzt schon gemacht haben? Die Frau bekam
19 Tage Gefängnis, sie wurde von ihrem leiblichen Kind – und es wird
ja immer abgestritten, dass es ihr leibliches Kind ist – 19 Tage lang
getrennt. Und wenn sie nicht mit Betteln das übrige Geld aufgestellt hätten, um
sie aus dem Gefängnis herauszuholen, wäre sie knapp über 60 Tage im
Gefängnis gewesen.
So wie die Polizei im 1. Bezirk agiert, glaube
ich, dass es nicht richtig wäre, für diesen Bereich zusätzliche Instrumente zu
schaffen, denn dadurch wird der Polizei noch mehr Willkür gestattet. Vielmehr
meine ich, man müsste zunächst diejenigen Polizisten – ich hoffe, dass es
wenige sind, und es waren übrigens nur Männer –, die diese Einträge
gemacht haben, einmal ausfindig machen und ihnen erklären, wie der Rechtsstaat
funktioniert. Ich möchte nicht, dass ein einziger Polizist, der glaubt, dass er
einen Pass in die Hand nehmen und hineinkritzeln darf, was ihm in den Sinn
kommt, ein zusätzliches Instrument bekommt! In diesem Zusammenhang habe ich
kein Vertrauen! Ich vertraue nicht auf das, was hier geäußert wurde, dass die
Polizei mit Fingerspitzengefühl vorgehen und nur abmahnen wird. Auf diese Weise
sind die Leute auf deren Goodwill angewiesen!
Leider ist, wie Sie wissen, das Gegenteil wahr!
Dieses Gesetz hilft leider keinem einzigen Kind. Manche andere Maßnahmen, die
auch in dem Paket angekündigt sind, nämlich vor Ort zu helfen, machen schon
Sinn, aber das hätte man auch tun können, ohne das Gesetz heute zu verschärfen.
Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun! Helfen Sie den Leuten vor Ort! Das
ist gut! Das ist selbstverständlich das Allerwichtigste! Wozu aber brauchen Sie
eine Verschärfung des Gesetzes?
Wenn man unsererseits sagt, dass es gewisse rot-blaue
Ähnlichkeiten gibt, dann springt man mich im Stadtsenat fast an, aber wenn Herr
Schock heute hier steht und sich freut, dass dieses Gesetz wie Geburtstag,
Weihnachten und Ostern gleichzeitig sei, dann ist es ja nicht verwunderlich,
dass wir das so sehen! (Abg Mag Wolfgang
Jung: Unsere Überzeugungsarbeit wirkt langsam!) Ja! Abg Schock freut
sich zu Recht, weil Positionen und Ideen der FPÖ hier umgesetzt werden! Und das
ist schade! (Abg Dr Kurt
Stürzenbecher: Das ist kompletter Schwachsinn.) Ach so? Ist das keine
Position der FPÖ? Ist es ein Schwachsinn, dass die Polizei im 1. Bezirk
den Leuten Einträge in den Ausweis macht? Ist es Schwachsinn zu behaupten, dass
die Kinder von ihren Müttern getrennt werden? Ist es Schwachsinn, wenn ich
erzähle, dass ein dreijähriges Kind von der Absicht her fast 60 Tage von
der leiblichen Mutter getrennt wird? (Weiterer
Zwischenruf von Abg Dr Kurt Stürzenbecher.)
Es ist anders? Ich werde hier
angelogen! Hier heraußen stehen SPÖler und sagen: Das gibt es nicht. – Das
ist eine glatte Lüge! (Zwischenruf von Abg Martina Ludwig-Faymann.) Sie behaupten, dass die ganze SPÖ den
Stadt Wien | Geschäftsstelle Landtag, Gemeinderat, Landesregierung und Stadtsenat (Magistratsdirektion)
Kontaktformular