Landtag,
18. Sitzung vom 26.06.2008, Wörtliches Protokoll - Seite 42 von 49
warum die Umsetzung mangelhaft ist. (Zwischenruf von Abg Heinz Vettermann.)
Kollege Vettermann, Sie kriegen ja dann Gelegenheit, wenn Sie wollen, was zu
sagen, aber hören Sie sich wenigstens die konstruktive Kritik an, es könnte ja
sein, dass Sie über die Ferien nachsitzen und die eine oder andere
Nachbesserung noch bewirken in diesem Zusammenhang.
Das Gesetz – und der Herr Präsident hat das ja heue
zitiert – heißt nämlich folgendermaßen: „Art 15a-Vereinbarung über den
Ausbau des institutionellen Kinderbetreuungsangebotes und über die Einführung
der verpflichtenden frühen sprachlichen Förderung in institutionellen
Kinderbetreuungseinrichtungen sowie Schaffung eines bundesweiten vorschulischen
Bildungsplanes".
Nun, was heißt dieses sperrige Wort, „die frühe
sprachliche Förderung in institutionellen Kinderbetreuungseinrichtungen"?
– Institutionelle Kinderbetreuungseinrichtungen sind, salopp formuliert in der Umgangssprache,
Kindergärten. Ein Kindergarten ist also vereinbart gewesen, und was draufsteht,
sollte auch drin sein in der Umsetzung.
Ich habe schön langsam den Eindruck, dass es sich in
der Bildungspolitik verhält wie beim Prater: außen eine Fassade, innen nicht
viel dahinter. Außen werden die Millionen kassiert, nämlich der Bund zahlt
3,11 Millionen EUR zusätzlich, über den Finanzausgleich hinaus, für
den Ausbau der Kinderbetreuungseinrichtungen und zusätzlich noch
1,73 Millionen EUR explizit für die Sprachfrühförderung. Das heißt,
über den bestehenden Finanzausgleich hinaus, mit dem Sie hochzufrieden waren –
ich darf das an der Stelle noch einmal anmerken –, bekommen Sie zusätzliche
Millionen, um die institutionellen Kinderbetreuungseinrichtungen auszubauen.
Wie schaut die Situation im Herbst aus? Im Herbst
fehlen bei den Fünf- bis Sechsjährigen 20 Prozent der
Kinderbetreuungsplätze. 20 Prozent der Kinder werden im Herbst keinen
Kindergartenplatz haben, weil, obwohl seit einem Jahr eine gemeinsame politische
Vereinbarung vorliegt, keine Vorbereitungen für die Umsetzung dieses ganz
wichtigen Gesetzes getroffen worden sind.
Ja, wir sind froh, dass Sie bei den ersten
Bundesländern dabei waren, die das unterzeichnet haben. Vielen Dank dafür, dass
Sie Ihre Mehrheit dafür verwendet haben, hier rasch zu unterzeichnen. Aber ich
hätte mich an der Stelle auch gerne bei Ihnen bedankt, dass Sie in der
Umsetzung genauso rasch sind. Denn wenn Sie seit 11. Juli 2007 Zeit haben,
Kindergartenplätze zu errichten, dann verstehe ich nicht, warum wir eigene
Sprachförderkurse brauchen für Kinder mit Migrationshintergrund oder für Kinder
mit einem Sprachförderbedarf oder motorischem Förderbedarf, warum das jetzt in
eigenen Kursen passieren muss, obwohl der Sinn dieses Gesetzes war, genau von
diesen eigenen Förderkursen wegzukommen und die Kinder im Kindergarten
gemeinsam zu fördern und gemeinsam voneinander lernen zu lassen.
Bei den Zehn- bis Vierzehnjährigen gehen Sie täglich
hausieren mit dem gemeinsamen Lernen, aber bei den Fünf- bis Sechsjährigen, da
wollen Sie trennen. Erklären Sie mir einmal, warum Sie hier für eine Trennung
sind und bei den Zehn- bis Vierzehnjährigen glauben, es ist zu früh. Also bei
den Fünfjährigen soll getrennt werden, aber bei den Zehnjährigen soll es
möglichst gemeinsam passieren. (Beifall bei der ÖVP.)
Meine Damen und Herren! Vieles ist wunderlich. In der
heutigen Fragestunde habe ich mir gedacht, ich bin ins vorige Jahrhundert
zurückversetzt. Wir wissen aus zahlreichen Studien, ich möchte nur eine
zitieren, - ich könnte meine Redezeit bis heute Abend verwenden, um alle
Studien noch weiter zu zitieren – die eine Situation der Kinderbetreuung im
Bundesländervergleich genommen hat, und ich nehme exemplarisch das
Österreichische Institut für Familienforschung, das ganz klar festgestellt hat,
erstens, dass Wien die teuerste Kinderbetreuungseinrichtung hat, und zweitens,
dass die Kosten in Wien das Haupthindernis sind, warum Kinder nicht den
Kindergarten besuchen.
Ich darf wörtlich zitieren: „In Wien stellen für fast
zwei Drittel und im Burgenland und der Steiermark für 30 Prozent dieser
Mütter die Kosten das wesentlichste Hindernis für außerfamiliäre Betreuung
dar."
Meine Damen und Herren! Auf der einen Seite sagt die
Frau Landeshauptmann-Stellvertreterin heute in der Fragestunde, sie ist für die
Schulpflicht, und auf der anderen Seite weiß sie aus jeder Studie, dass die
Kosten der Hindernisgrund sind, warum die Kinder zwischen dem fünften und
sechsten Lebensjahr und zwischen dem dritten und sechsten Lebensjahr den
Kindergarten nicht in demselben Ausmaß besuchen wie in allen anderen
Bundesländern.
Ich möchte an der Stelle auch eingehen auf das von
der Frau Landeshauptmann-Stellvertreterin gebrachte Zitat, sie hätte gerne mit
den anderen Bundesländern eine gemeinsame Regelung. Mir würde es reichen, wenn
sich Wien an die Entwicklung der anderen Bundesländer endlich anschließt, denn
in fast allen anderen Bundesländern sind 98 Prozent der Kinder zwischen
fünf und sechs Jahren im Kindergarten. 98 Prozent! Und warum? Weil in fast
allen dieser Länder der Kindergarten für diese Altersgruppe fast gebührenfrei
angeboten wird. (Beifall bei der ÖVP.)
Meine Damen und Herren! Ich betrachte es als zynisch,
wenn man auf der einen Seite die Schulpflicht für die Fünfjährigen will, und
auf der anderen Seite den teuersten Kindergartenplatz hat, nicht bereit ist,
den Kindergarten, obwohl alle Studien es zeigen, gebührenfrei anzubieten,
sondern gestern mussten wir uns vom Herrn Bürgermeister auch noch anhören, es
muss eine Kostendeckung geben. Bildung ist nie kostendeckend, sondern wir
könnten uns auf das politische Ziel einigen, dass Bildung bis zum
18. Lebensjahr oder bis zum Ende der Sekundarstufe 2 gebührenfrei
ist. Und wenn wir, so wie dieses Gesetz es vorsieht, den Kindergarten als
Bildungseinrichtung definieren, dann ist er ganz klar gebührenfrei anzubieten.
Um Kollegen Margulies auch zu
zitieren, er kennt sich jetzt bei der Linie der ÖVP nicht mehr aus, ab wann
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