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Landtag, 19. Sitzung vom 10.07.2008, Wörtliches Protokoll  -  Seite 19 von 49

 

wichtigen Grundvoraussetzungen für dieses Modell Europa mit Sicherheit im Gegensatz etwa zum Wirtschaftsmodell und ökonomischen Modell der Vereinigten Staaten, dass dies entsprechend dargestellt wird. Ich erinnere mich an die jüngsten Erkenntnisse des Europäischen Gerichtshofs, die haarscharf und genau in diese Richtung auch gehen.

 

Dies wird eine wirklich spannende Diskussion darüber. Wie gehen wir in diesem Europa damit um nicht zuletzt vor dem Hintergrund dessen, dass europäische Wahlen im nächsten Jahr stattfinden, alle am gleichen Tag und man da nicht zuletzt auch an der Wahlbeteiligung erkennen wird, wie dieses Projekt Europa nun in der Tat auch entsprechend ankommt, mit welchen Meinungen es versehen wird, und dass man dort diese inhaltliche Auseinandersetzung, ich hoffe, auf höherem Niveau, nämlich auf jenem der Diskussion, die wir anlässlich der letzten Mitteilung hier geführt haben, auch führen kann und nicht ausschließlich auf der Ebene der Polemik, denn damit werden wir noch mehr Menschen davon abschrecken, sich mit diesem Projekt Europa auseinanderzusetzen. Die Diskussionslinien verlaufen in diesem Europa in der Tat entlang Neoliberalismus versus einem ökosozialen Europa. Und dies ist die tatsächliche inhaltliche Auseinandersetzung der Zukunft um ein gemeinsames Europa! (Beifall bei der SPÖ.)

 

Wir erleben dies im Alltag der Europäischen Arbeit, in der Europäischen Politik, wir alle erleben es hier in den Diskussionen, etwa in den jüngsten Entwicklungen zur Frage der Daseinsvorsorge, die sich nunmehr durch den Schwebezustand des Lissabon-Vertrages nun ebenfalls in Schwebe befindet und weiterhin eher von den Richtern des Europäischen Gerichtshofes determiniert wird denn von den Politikern im Europäischen Parlament, in der Kommission oder anderen entsprechenden Gremien. Wir haben uns auseinanderzusetzen mit dem Alltag, der Wegekostenrichtlinie, wir haben uns auseinanderzusetzen mit der Arbeitszeitrichtlinie, die ganz genau diesen Widerspruch fokussiert, diesen inhaltlichen Widerspruch, den ich vorhin auch genannt habe.

 

Aber ich bitte Sie an dieser Stelle schon jetzt vorab – denn über diese vielen Details werden wir im Gefolge, in der Normalität der Nachwahlzeit dann, noch sehr heftig und wichtig zu diskutieren haben – zu bedenken, dass nicht derjenige, der einzelne Politiken der Europäischen Union, einzelne Detailbereiche der Europäischen Union politisch kritisiert, Europa-feindlich ist, (Abg Mag Wolfgang Jung: Aha!) und nicht jeder, der zu allem Ja und Amen sagt von Europa ist automatisch der einzig Europafreundliche, sondern nehmen wir doch zur Kenntnis, dass die demokratische Normalität unserer Demokratie in unserem Lande auch zur demokratischen Normalität Europas werden muss, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ.)

 

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich weiß, viele von Ihnen sind aus dem Urlaub zurückgekommen, ich möchte daher Ihre zeitliche Geduld nicht über Gebühr strapazieren, inhaltlich gesehen aber werden wir über diese Europäische Frage noch sehr viel und sehr häufig diskutieren. Heute nehmen Sie bitte von meiner Seite, und mich haben Sie ja gefragt, und ich sage das auch für die Wiener Sozialdemokratie zur Kenntnis: Wir sind eine Europa bejahende Partei, wir sind eine Partei, die in diesem Europa mitarbeitet, und wir arbeiten für ein soziales, demokratisches, ökologisches und gerechtes Europa, ein Haus für alle Europäerinnen und Europäer. (Beifall bei der SPÖ.)

 

Kommen wir dabei zur Frage der Demokratie. Und hier hat es in der Tat, ja, hier hat es in der Tat innerhalb der österreichischen Sozialdemokratie eine Auffassungsänderung gegeben mit der Frage der Volksabstimmung. Es hat daher diese Auffassungsänderung gegeben vor dem Hintergrund dessen, dass sich nach dem Irischen Nein zum Vertrag von Lissabon abgezeichnet hat, dass man in diesem Europa eigentlich dazu übergeht, nicht in Richtung hin eines Mehr an Demokratie, nicht in Richtung hin, dass man beispielsweise die grundvernünftige Idee einer europaweiten Volksbefragung oder einer europaweiten Volksabstimmung verfolgt, sondern es ist eher in die andere Richtung gegangen. Alle ersten Meldungen sind darauf hinausgelaufen, dass man zu einer Ausgrenzungspolitik übergeht, dass man übergeht zu einer Politik, die am Ende des Tages das Europa der zwei Geschwindigkeiten nach sich zieht, also eines Auseinanderfallens dieses Europa. Das kann nicht im Interesse Österreichs liegen, ich habe das vorhin auch schon erörtert.

 

Daher denke ich, dass es schon aus diesem Grund wichtig war, ähnlich wie die Klubvorsitzende der GRÜNEN das auch argumentiert hat, wenn man die beste Lösung nicht kriegt, sondern eigentlich die, die in eine ganz andere Richtung geht nach dem Irischen Nein, dass man dann hergeht und sagen muss, okay, ich weiß nicht, wie sie es formuliert hat, in Gottes Namen oder wie immer, also in welchem Namen auch immer, dann soll halt die von mir aus drittbeste Lösung - und die zweitbeste lasse ich aus -, die nationalen Volksabstimmungen, durchgeführt werden, denn es ist von zentraler Bedeutung, dass man auch die societas politica, auch die, wenn man so will, Eliten des Landes, entsprechend unter Druck setzt, diesen Dialog mit dem Volk in der Frage Europa zu führen und nicht so wie in der Vergangenheit sich dessen zu verweigern. Denn eines muss man in aller Offenheit ... (Unruhe unter den Abgeordneten.) Versuchen Sie, mir ein bisschen noch zu folgen und vielleicht fünf Minuten den Wahlkampf auszulassen, bitte, oder drei Minuten, (Abg Mag Christoph Chorherr: Die Redezeit ist schon aus!) okay, okay, nur drei Minuten. Denn eines muss man in aller Offenheit ja auch sagen: Das letzte Mal, als man in der Tat eine breite Volksdiskussion über die europäische Frage geführt hat, das war anlässlich der Volksabstimmung zum EU-Beitritt, und seither ist nichts passiert.

 

Und ich sage das nicht mit Schuldzuweisungen, denn ich habe mir vorgenommen, zumindest in diesem inhaltlichen Teil Polemik und Wahlkampf aus- und fortzulassen. Ich sage das nicht mit Schuldzuweisung, aber ich erinnere mich noch außerordentlich genau an den Dialog

 

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