Landtag,
28. Sitzung vom 26.11.2009, Wörtliches Protokoll - Seite 21 von 76
sind, die zweifellos vorhanden sind, dem Problem gerecht, sondern man
wird handeln müssen. (Beifall bei der ÖVP.)
Der Vorwurf lautet ja, dass Sie durch hartnäckiges Nichthandeln hier kulturelle
Substanz verrotten lassen, um ein Wort der Diskussion der vergangenen Tage
wieder aufzunehmen. Mehrfachzuständigkeiten von verschiedenen
Stadtsenatsregierungsmitgliedern oder Regierungsmitgliedern der Stadt können
doch nicht ernstlich ein Argument sein, nicht zu handeln. Es wirft eher ein
bezeichnendes Licht auf das Kulturverständnis der SPÖ, die nicht laut genug
ihre eigenen Leistungen immer wieder mantraartig wiederholen kann, aber
kulturelles Erbe verlottern lässt.
Es wurden von den Kollegen Beispiele genannt, von der Werkbundsiedlung
bis zum Naschmarkt. Ja, es ist interessant, vielleicht einmal eine Diskussion,
eine Kulturdebatte über das Verständnis der SPÖ zu führen: Gibt es Kultur vor
der Zeit, bevor die SPÖ in Wien zu regieren begonnen hat und wenn ja, warum
wird nicht stärker darauf Rücksicht genommen? Die Sophiensäle sind in der Tat
eine kulturhistorische Einzigartigkeit. Es wurde bereits auf Johann und Josef
Strauß hingewiesen, auf Josef Lanner. Man kann auch darauf hinweisen, dass dort
erstmals Tonfilme präsentiert wurden. Es wurde auch auf die hervorragende
Akustik für Schallplattenaufnahmen hingewiesen. Es wurde nicht darauf
hingewiesen, dass die Sophiensäle auch dunkle Zeiten erlebt haben und auch
dunkle Zeiten spiegeln: 1926 die Gründung der NSDAP in Österreich, die
Einrichtung einer Sammelstelle für Deportierte, auch das in den Sophiensälen.
Sie sind also ein Zeugnis dieser Stadt und so darf man damit nicht umgehen.
Ein Wort zum bürgerlichen Kulturverständnis. Ein Teil dieses bürgerlichen
Kulturverständnisses besteht auch darin, dass man kulturelle Leistungen der
Vergangenheit hochhält, dass man Respekt davor hat und dass man versucht, auch
Traditionen weiter zu führen und sie nicht abzuschneiden. (Beifall bei der
ÖVP.)
Ich bin bei Marco Schreuder, dass die wirkliche Herausforderung der
Kulturpolitik dieser Stadt, der Stadtplanung die Verbindung der Klassik mit der
Moderne ist und zwar mit einer zukunftsweisenden Moderne, mit einer weltoffenen
Moderne. Genau das ist die Herausforderung und das könnte doch wohl auch am
Fall der Sophiensäle Ansporn sein, endlich zu handeln, die Geschichte mit der
Moderne zu verbinden und ein zukunftsweisendes Projekt daraus zu machen. Sie
haben es in der Hand. Die ARWAG, der Eigentümer der Liegenschaft, ist im
Einflussbereich der Holding. Vielleicht kann die Holding hier etwas
Zukunftsweisendes machen. Meist diskutieren wir ja Holding und Kultur im
Zusammenhang mit Zuschüssen, mit hohen Subventionen. Hier ist der Appell,
einmal etwas anderes zu machen. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)
Präsidentin Marianne Klicka:
Danke schön. Als Nächster zum Wort gemeldet ist Herr Abg Troch. Ich erteile es
ihm.
Abg Dr Harald Troch (Sozialdemokratische Fraktion des Wiener
Landtages und Gemeinderates): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte
Damen und Herren!
Ich muss sagen, die Opposition tut ja gleichermaßen so, als ob die SPÖ
persönlich die Sophiensäle abgefackelt hätte. Ich glaube, da wird hier das alte
Rom mit Wien verwechselt. Im alten Rom hat man tatsächlich mit Brandlegung
Stadtentwicklung eingeleitet, aber nicht im modernen Wien. (Beifall bei der
SPÖ.)
Aber erinnern wir uns, das Feuer vom 16. August 2001 hat
tatsächlich die Sophiensäle fast vernichtet. (StR Johann Herzog: Ist doch
nicht wahr! Das ist doch nicht wahr!) Das Dach ist weg, die Galerie ist
weg, die bemerkenswerte, liebliche, überbordernde Stukkatur fast vernichtet (StR
Johann Herzog: Das wurde nachträglich zerstört!) Selbst der Mörtel der
Ziegel ist fast nicht mehr vorhanden. Und zu Ihrer Information, Herr Herzog,
kann ich Ihnen sagen (StR Johann Herzog: Das war vorher völlig in Ordnung!),
da mussten Wände zum Teil abgetragen und neu aufgebaut werden, dass dieser
Mörtel wirklich so wieder vorhanden ist, dass man drauf aufbauen kann. (StR
Johann Herzog: Aber das war vorher noch völlig in Ordnung!)
Die Stukkatur ist nun einmal aus weichem Gips und nicht aus Granit. Das
müssen Sie einfach zur Kenntnis nehmen, ob Sie jetzt Ingenieur sind oder nicht.
Und die Frage ist ganz einfach: Was ist übrig geblieben? Was ist übrig
geblieben von den Sophiensälen? (StR Johann Herzog: Was Sie zerstört haben!)
Übrig geblieben ist ein Teil der Wände und ein Engel mit der Trompete, ein
einziger Engel des einmal reichen Engelshimmels dort. (Aufregung bei Abg
Henriette Frank.) Der Denkmalschutz hat entschieden, dass das erhalten
werden soll. Das ist kulturell eine gute Entscheidung für Wien. Wir haben schon
gehört, welche bedeutenden Experten dem Beirat von 2004 angehört haben. (Abg
Dr Matthias Tschirf: Und warum ist nichts geschehen?) Und das Erbe zeigt
tatsächlich, und das müssen wir zugeben, auch schwierige Aspekte. Von dem
Schwimmbad ist noch Chlor im kontaminierten Erdreich vorhanden. Mit dem muss
man umgehen, das kann man nicht ignorieren. Und die Bauweise des Saales ist so,
es ist geologisch auf Schwemmland. (Abg Henriette Frank: Ja und?) Es war
ein ehemaliger Donauarm in der Gegend und es sind nur Holzpylonen, wie es auch
in Venedig einfach der Fall ist. Das kann man nicht ignorieren. Aber die Frage
ist dann: Was passiert mit den Pylonen, wenn Sauerstoff dazukommt? Dass Sie
sich die Frage nicht stellen, das ist mir klar, aber das muss man sich stellen,
wenn man dort massiv hochgeschoßig bauen will.
Nun, die Stadt Wien anerkennt die Geschichte und die Tradition der
Sophiensäle als bedeutende Kulturstätte. Allerdings nehmen wir Anrainerbedenken
wegen etwaigen Massenbesuchsansturms wie in den 90er Jahren mit laufenden
nächtlichen Ruhestörungen ernst. Es ist ein feinfühliges Projekt. Die Stadt
agiert sensibel im Hinblick auf die diversen Interessensgruppen und mit einer
Feinfühligkeit, wo ich nur sagen kann, die die ÖVP beim Springerpark völlig
vermissen lässt. (Abg Dr Matthias Tschirf: Wer spekuliert denn dort?)
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