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Landtag, 28. Sitzung vom 26.11.2009, Wörtliches Protokoll  -  Seite 25 von 76

 

LKWs über unsere Straßen rollen werden, die von Skandinavien und Nordeuropa und den Briten massiv gefordert werden, und, und, und. Man wird über uns einfach drüberfahren, drüberfahren, wie man es jetzt gemacht hat, zumal durch Lissabon die Veto-Möglichkeiten Österreichs noch weiter eingeschränkt werden.

 

Wir werden die folgsamen Untertanen der großen Staaten sein. Der deutsche Außenminister hat uns ja gerade wieder ausgerichtet, wie es ausschaut, wenn es darum geht, Ausgleiche herbeizuführen. Er hat uns – etwas freundlicher, aber doch – gesagt, wir können uns mit unseren Wünschen brausen gehen. Und das macht auch Brüssel, das macht auch der Europäische Gerichtshof, auf den ich ohnehin noch zu sprechen kommen werde, der sich nämlich zunehmend anmaßt, nicht Recht zu sprechen, sondern Rechtsetzung zu betreiben. Etwas, das ihm nicht zusteht, aber es gibt halt niemand, der ihn gemäß diesem Vertragswerk daran hindern kann.

 

Was es in der Praxis bedeutet, über Städte und Regionen drüberzufahren, werden wir hier, wie ich es gesagt habe, schon bald erleben. Und da hat der Herr Bürgermeister richtigerweise ein Problem angesprochen, ein ganz großes Problem, nämlich die Dienstleistungsrichtlinie im Artikel 16.

 

„Sie kann" – ich lese Ihnen das vor – „zu massiven Qualitätsverlusten bei Leistungen der Daseinsvorsorge führen, da der Gedanke des Gemeinwohls dem Profitdenken weichen muss. Nicht mehr der Bürger, sondern wirtschaftliche Gründe stünden dann im Mittelpunkt von Entscheidungen. Länder und Gemeinden haben auch hervorgehoben, dass mit der Liberalisierung wesentliche Gestaltungsspielräume auf kommunaler und regionaler Ebene verloren gehen. Internationale Beispiele zeigen darüber hinaus, dass die erhoffte Reduzierung der Kosten langfristig ausbleibt. Während die Qualität der Leistungen sinken kann, ist die Sicherheit der Versorgung nicht mehr lückenlos gewährleistet." – Nicht Wolfgang Jung, sondern die Perspektiven „Wien in Europa", der letzte Bericht, vorgelegt von der Stadt Wien. Wir haben ihn bekommen, behandelt wurde dieser Bericht hier in diesem Haus bezeichnenderweise nicht. So weit die Gewichtung Europas in Wien.

 

Oder die offizielle Position der Stadt: „Kritik ist allerdings bei der Frage" – ein anderer Punkt – „der Daseinsvorsorge angebracht. Hier wurden noch immer keine ausreichenden Regelungen getroffen, obwohl enormer Bedarf zugunsten der Städte und Gemeinden besteht. Der Regelungsbedarf zeigt sich nicht zuletzt in der unlängst ergangenen Binnenmarktrevision der EU-Kommission, welche erneut Rechtsunsicherheit und Zweifelsfragen in diesen Bereichen aufkommen ließ. Womit dieser Reformvertrag keine eindeutige Regelung zugunsten der europäischen Bürger und Bürgerinnen darstellt.“

 

Womit dieser Reformvertrag keine eindeutige Regelung zugunsten der europäischen Bürger und Bürgerinnen darstellt. Wer schreibt das? Der Herr Bürgermeister in der Gemeindezeitung Nummer 10 aus diesem Jahr. Und der Herr Bürgermeister sieht diese Regelung wörtlich: „im Gegensatz zur europäischen Verfassung"! Davon hat er uns heute aber nichts gesagt.

 

Und was tut er dagegen? – Er tut gar nichts dagegen, außer hoffen und beten, dass vielleicht der Europäische Gerichtshof gutmütig genug ist, die Regelung im Sinne der Länder und Gemeinden auszulegen. Das Schicksal ist in Gottes Hand und in der des Europäischen Gerichtshofes, und dass der mehr zur zentralistischen Auslegung neigt als anders, haben wir ja zur Genüge erlebt.

 

Auf meine Nachfrage in der letzten EU-Kommission in der Vorwoche hinsichtlich der Klärung der Wiener Position, die immer wieder angesprochen wurde, wurde von der dortigen Juristin geantwortet: Das kann man nicht sagen. Wir können nur warten, was auf uns zukommt. Das ist die Situation, in der wir stehen, und die angeblich eine Verbesserung bringt laut Herrn Bürgermeister.

 

Nun, das Ganze wird ja noch weiter ad absurdum geführt. Wir haben zur Zeit im Parlament eine Blockade von Gesetzen, die einer Zweidrittelmehrheit bedürfen, durch die Opposition, weil hier bestimmte Rechte verweigert werden. Das kann dazu führen – ich will auf diese Diskussion im Untersuchungsausschuss jetzt gar nicht eingehen – oder führt praktisch dazu, dass die österreichische Gesetzgebung, die notwendigerweise jetzt eigentlich in Kraft hätte treten müssen, nicht rechtzeitig in Kraft tritt. Im Prinzip kann es das dazu führen – ich glaube nicht, dass es lange genug dauern wird, weil die Regierung vor den Forderungen der Opposition gezwungenermaßen nach dem Druck durch Brüssel in die Knie gehen wird, aber immerhin, es kann dazu führen –, dass ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich eingeleitet wird. Wenn man das dann weiterdenkt: Um die Rechtsordnung durchzuziehen, könnte das heißen, dass Sanktionen und Zwangsmaßnahmen in bestimmten Bereichen gegen Österreich eingesetzt werden. Dieses würde uns zwingen, über eigene Gesetze und über die eigene bestehende Verfassung drüberzufahren.

 

Bitte vergegenwärtigen Sie sich das! In Wirklichkeit ist die österreichische Verfassung in weiten Bereichen nach einer simplen Verordnung eines Kommissars nicht viel mehr wert als ein Fetzen Papier. Das ist die Situation, die uns diese Regierung hier eingebrockt hat. Das ist in Wirklichkeit eine massive Verschlechterung.

 

Ein anderer Bereich, der auch nicht unproblematisch ist, ist das Gesundheitswesen. Für jeden von uns ist es praktisch und angenehm, in EU-Staaten reisen zu können und sich – zumindest theoretisch, es funktioniert nicht überall – mit der E-Card behandeln lassen zu können. Behandeln lassen in einem Notfall, in einer kritischen Situation, das ist die eine Sache, aber Behandlung von schwierigeren Problemen, kompliziertere Operationen und so weiter, ist eine andere Sache. Und hier haben wir eine sehr gute, aber auch sehr kostspielige Gesundheitsversorgung.

 

Das heißt, wir könnten in Zukunft eine negative Form von Gesundheitstourismus erleben, wo die teuren komplizierten Operationen, die in manchen von den östlichen EU-Ländern nicht so gut oder gar nicht geleistet werden,

 

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