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Landtag, 28. Sitzung vom 26.11.2009, Wörtliches Protokoll  -  Seite 29 von 76

 

geäußert, dass es eine wunderbare, tolle Richtlinie sei.

 

Und Sie, liebe Kollegen und Kolleginnen von der Sozialdemokratie – ich richte mich an Ihre Fraktion im Europaparlament, nicht an Sie persönlich –, Sie haben damals auch einem so genannten faulen Kompromiss zugestimmt. Sie haben zwar Verbesserungen erzielen können in der Richtlinie, aber sie ist immer noch keine gute Richtlinie, sie ist eine gefährliche Richtlinie, und man hätte sich – finden wir Grüne – mit größerer Vehemenz dagegen aussprechen müssen. Es wird jetzt an uns, an den Kommunen liegen, eigentlich die öffentliche Daseinsvorsorge gegen diese Richtlinie zu verteidigen, und ich hoffe, dass wir da auch alle in diesem Haus an einem Strang ziehen werden. (Beifall bei den GRÜNEN.)

 

Zum Lissabon-Vertrag generell möchte ich nur ganz kurze Worte verlieren, denn diesen haben wir schon öfter hier in diesem Haus diskutiert. Die Grünen stehen dem Lissabon-Vertrag kritisch positiv gegenüber. Er ist für uns ein Fortschritt im Vergleich zum Vertrag von Nizza, zum Status quo. Die Verbindlichkeit der Grundrechte, die Aufwertung des Europäischen Parlaments, die Aufwertung der nationalen Parlamente wurde schon angesprochen. Die Ausweitung der qualifizierten Mehrheiten finden wir gut. Wir finden, Veto-Rechte behindern Fortschritte. Auch viele Forderungen der Globalisierungskritiker und -kritikerinnen, wie Vollbeschäftigung zum Beispiel, wurden aufgenommen.

 

Also wir sehen den Vertrag als eine bessere Basis für ein soziales Europa, für ein ökologisches Europa, für eine solidarische und ökologische Alternative in Europa – nennen wir es einmal so; denn das ist das, was wir Grünen wollen: eine soziale, eine solidarische und ökologische Alternative, nicht nur in Wien, sondern auch in Europa –, aber dass der Lissabon-Vertrag extrem viele Schwächen hat und kein Grund zum Jubeln ist, darüber können wir hier nicht hinwegtäuschen.

 

Er wurde teuer erkauft. Das Opting Out bei den Grundrechten für drei Länder wurde schon angesprochen, was bedeutet, dass die hart erkämpften europäischen Grundrechte in Hinkunft nur für 24 der 27 Länder Gültigkeit haben, und auch die Ausnahmen, die für Irland gemacht wurden, zum Beispiel in Steuerfragen, zeigen eigentlich, dass Europa nicht auf dem Weg von mehr Gemeinsamkeit ist und nicht auf dem Weg einer politischen Union, sondern dass es nach wie vor hauptsächlich um die Befriedigung von Einzelinteressen, von nationalen Einzelinteressen geht.

 

Wir sind mit dem Lissabon-Vertrag leider auch noch fern von jeder europäischen Demokratie, obwohl Fortschritte erzielt wurden, beispielsweise mit der europäischen Bürgerinitiative. Es gibt noch immer keine europaweiten Volksabstimmungen, das Europaparlament ist immer noch kein vollwertiges Parlament mit Initiativrecht, aber das größte Versäumnis ist natürlich, dass die Zukunftsprobleme der EU in keinster Weise durch diesen Lissabon-Vertrag gelöst werden. In keinster Weise! Denn Binnenmarkt und Wettbewerb sind immer noch die prioritären Instrumente der Europäischen Union, es gibt noch immer keinerlei Alternative zu dieser neoliberalen Verfasstheit, obwohl das extrem wichtig wäre – auch als Problemlösungsinstrument in der Wirtschaftskrise.

 

Die Menschen wollen das übrigens auch, die Menschen wollen, dass die EU einen Beitrag leistet zur Bewältigung der Wirtschaftskrise. Das zeigen auch die Umfragen, die signifikant gestiegen sind seit Ausbruch der Wirtschaftskrise. Gerade Österreich war bisher eigentlich ein Land mit sehr hoher EU-Skepsis im europaweiten Vergleich. Das hat sich jetzt ein bisschen geändert. Also die Menschen erwarten, dass die EU ein Instrument zur Problemlösung ist.

 

Aber diese Instrumente werden nicht angeboten, nicht mit dem Lissabon-Vertrag und nicht mit der aktuellen Politik der Staats- und Regierungschefs. Es gibt noch immer keine europäische Sozialunion, immer noch Einstimmigkeit im Ministerrat für soziale Fragen. Soziale Mindeststandards in den wesentlichen Bereichen sind in weiter Ferne. Der Kampf gegen die Arbeitslosigkeit wurde nicht einmal aufgenommen auf europäischer Ebene. Wir sind weit entfernt von verbindlichen beschäftigungspolitischen Kriterien, wie wir sie zum Beispiel im Rahmen der Wirtschafts- und Währungsunion haben, verbindliche Kriterien, die massiv in nationales Recht eingreifen und Vorgaben liefern. Das gibt es nicht im Kampf gegen Arbeitslosigkeit. Es gibt keinerlei Ansätze einer gerechten Verteilungspolitik.

 

Da wundert es nicht, dass viele Menschen die EU nicht als Instrument sehen, Globalisierung positiv zu gestalten, sondern als verlängerten Arm der Globalisierung, einer negativen Globalisierung, einer bedrohlichen Globalisierung. Auch die EU-Skepsis ist verständlich, und ich kann an dieser Stelle nicht verhehlen, dass dies auch auf Grund der aktuellen Ereignisse rund um Kommissionsbesetzung, Ratspräsident und Hohe Vertretung in Außen- und Sicherheitspolitik so ist. Also ich sehe wenig Grund für Optimismus, wenn ich mir die aktuelle EU-Politik anschaue.

 

Die EU will die Wirtschaftskrise offenbar aussitzen. Ich glaube, man kann es nicht anders nennen. Denken Sie an die leeren Versprechungen, die von Sarkozy und Merkel und anderen abgegeben wurden. Regulierung der Finanzmärkte, europäische Finanzmarktagentur, unabhängige Rating-Agentur, Trockenlegung der Steueroasen, Finanztransaktionssteuer – in aller Munde ist das gewesen. Weit entfernt davon! Kein einziger Beschluss ist diesbezüglich bisher gefallen.

 

Gerade die Finanztransaktionssteuer würde – die Summen schwanken – so um die 80 bis 85 Milliarden bringen. Es wäre schon ganz wichtig, das für Soziales, für Forschung, für Bildung auszugeben, allein, das waren leere Versprechungen. Von den großen Ankündigungen ist nichts übriggeblieben. Man sieht den mangelnden politischen Willen. Denn die Ausrede, dass es Einstimmigkeit im Ministerrat braucht, ist eine schwache Ausrede, eine sehr bequeme Ausrede. Es ist der mangelnde politische Wille, dass da nichts weitergeht.

 

Statt die Weichen zu stellen für einen Kurswechsel und für eine Neuorientierung fürs Lösen der Krise und für ein soziales Europa, sind eigentlich mit dieser

 

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