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Landtag, 30. Sitzung vom 26.03.2010, Wörtliches Protokoll  -  Seite 34 von 82

 

beeinträchtigen.“ Unter § 3 Abs 2 wird eine unzumutbare Beeinträchtigung angenommen, wenn das Verhalten geeignet ist, bei anderen Personen durch unmittelbare Wahrnehmung berechtigten Anstoß zu erregen. Auch in diesem Fall bleibt der Entwurf die Klärung unbestimmter Begriffe schuldig. In Ihren Ausführungen in der modifizierten Begründung zum Initiativantrag führen Sie an, dass Personen, die sich vorwiegend in Gruppen aufhalten, eine erhebliche Verunsicherung auslösen und Bürgerinnen und Bürger unzumutbar beeinträchtigen können. Welches sanktionierbare Verhalten diese Gruppen setzen müssen, geht aus der Begründung nicht hervor. Nachdrücklichkeit ist ebenso wenig gefordert wie Verschulden. Die Frage, vor welchen für die Allgemeinheit unzumutbaren Einschränkungen des Gebrauchs öffentlicher Einrichtungen, die nicht unter den aktuellen Wortlaut von § 3 Abs 1 Landes-Sicherheitsgesetz fallen, die vorgeschlagene Ausweitung schützen soll, bleibt unbeantwortet. Das eröffnet enorme Interpretationsspielräume auf Seiten derer, die das Gesetz zu vollziehen haben, und damit die Gefahr von Willkür und überschießender Interpretation der gesetzlichen Bestimmungen. Damit wird für die Zulässigkeit eines inakzeptablen Umgangs mit einem ohnehin bereits benachteiligten Teil der Bevölkerung der Grund gelegt. Wir sehen dadurch unsere hervorragende Integrationsarbeit, auf die die Stadt Wien zu Recht und mit uns Förderpartnern des Fonds Soziales Wien stolz sein kann, konterkariert.

 

3. Wir möchten Sie darauf hinweisen, dass es bereits jetzt diverse Strafbestimmungen gibt, die zum Ziel haben, der Allgemeinheit den uneingeschränkten Gebrauch öffentlicher Einrichtungen zu ermöglichen und die von Ihnen angestrebten Verschärfungen des Landes-Sicherheitsgesetzes überflüssig machen.

 

4. Wir finden es bedenklich, dass eine Ausweitung von Strafbestimmungen und gesetzlichen Regelungen, durch die letztendlich Persönlichkeitsrechte eingeschränkt werden, auf Grund von subjektiven Vermutungen zustande kommen. Der Wortlaut der Begründung: ‚dass in letzter Zeit verstärkt Personen auftreten, offensichtlich organisiert oder wie weiter unten, kommt es immer wieder zu Belästigungen’, ist eine subjektive Feststellung, ohne dass von Ihnen objektivierbare Belege angeführt werden. Wir erwarten, dass der Landesgesetzgeber nicht alleine auf Grund von subjektiven Vermutungen Gesetze, die die Persönlichkeitsrechte von Personen einschränken, beschließt. In den letzten Jahren wurden durch die sozialdemokratisch geführte Landes- und Stadtregierung erfolgreiche und professionelle Projekte der niederschwelligen aufsuchenden Straßenarbeit mit benachteiligten und desintegrierten Menschen aufgebaut und etabliert.

 

Wir lehnen ein verschärftes Landes-Sicherheitsgesetz, wie Sie es mit Ihrem bestehenden Gesetzesentwurf vorschlagen, ausdrücklich ab, da es unserer Meinung nach gegen die bestehenden integrativen Angebote wirkt und Ausschließungsmechanismen für bereits benachteiligte und ausgegrenzte Menschen in unserer Gesellschaft begünstigt. Wir begrüßen es, wenn andere integrative Wege gefunden werden, um mit desintegrierten und auffälligen Personen in Wien umzugehen.

 

Wir, der Verband der Wiener Wohnungslosenhilfe, stehen gerne für konstruktive Gespräche, die zum Ziel haben, eine für alle zufriedenstellende Lösung zu finden, zur Verfügung. Mit freundlichen Grüßen der Vorsitzende und der stellvertretende Vorsitzende, Herr Brückner und Herr Vecka.“

 

Das ist die Stellungnahme des Verbands Wiener Wohnungslosenhilfe, der sogar sagt, eigentlich ist ja auch etwas Positives passiert in der Stadt, und hin und wieder gibt es ein Projekt, das Sinn macht. Aber dieses jetzt ist das Gegenteil davon. Was soll das? Das ist das, was Sie da hören. Von Organisationen die Ihnen nahestehen, bekommen Sie hier einen klaren Aufruf, diesen Entwurf zurückzuziehen. Und Gruppen, die nicht auf Zuwendungen der Gemeinde Wien angewiesen sind, die sagen das noch härter, deutlicher und ungeschminkter. Die Zeitung „Augustin“ hat Ihr Bettelverbot und diesen Antrag in einem Artikel so betitelt: „Sozis erlauben Jagd auf Verwahrloste.“ Ja, „Sozi erlauben Jagd auf Verwahrloste.“ Das ist ein harter Titel, aber Sie müssen einmal überlegen, wer das schreibt. Leute, die Ihnen nicht immer nicht wohlgesinnt sind, aber Sie haben hier eine Linie überschritten, in deren Nähe Sie gar nicht kommen hätten dürfen. Das, was Sie heute machen, ist ja wirklich eine Bankrotterklärung für Sie. Und eigentlich sollte nicht ich mich genieren dafür, sondern Sie sollten sich alle einzeln schämen, und wenn Sie alle am Boden schauen, glaube ich, dass Sie das auch tun. (Beifall bei den GRÜNEN – Abg Dr Kurt Stürzenbecher: Tun sie nur die Kriminalität weiter aufrechterhalten! – Abg Dipl-Ing Martin Margulies: Darüber reden wir noch später, darüber später!) Der Artikel im „Augustin“ erinnert die SPÖ auch an ihre eigene Geschichte. Wir hatten nämlich einen Verwahrlosungsparagraph in diesem Land, der 1974 auf Bundesebene abgeschafft wurde. Und der Text, diesen Text möchte ich allen, die das Protokoll lesen und allen, die jetzt zuhören, zumindest in Auszügen, nicht unterschlagen: „Sozis erlauben Jagd auf Verwahrloste. 1939 begann das nationalsozialistisch verwaltete Wien mit dem Aufbau gigantischer Karteien im Rahmen der erbbiologischen Bestandsaufnahme. Neben Geisteskranken, Alkoholikern, allen Arten von Asozialen, wurde die Kategorie der Verwahrlosten einschließlich aller lebenden Vorfahren und Nachkommen aufgenommen. In der Wiener Zentralkartei waren bis 1943 bereits 700 000 Personen erfasst, wie aus Materialien des Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstands hervorgeht. Diese Menschen wurden als zukünftige Opfer nationalsozialistischer Rassenpolitik ins Auge gefasst. Manche Historiker gehen davon aus, dass die Nazis eine Ausrottung der gesamten als minderwertig angesehenen Unterschichten der Gesellschaft planten.“

 

In der Folge schreibt der Autor Kroboth-Sommer, dass wir diesen Verwahrlosungsparagraphen in Österreich verloren hatten. Das war dann die Kreisky-Ära, an die Sie sich lieber erinnern als an das Gusenbauer-

 

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