Landtag,
30. Sitzung vom 26.03.2010, Wörtliches Protokoll - Seite 35 von 82
Desaster und die Faymann-Nichtexistenz, und jetzt
kommt in diesem Landtag ursprünglich im Antrag sogar das Wort verwahrlost vor.
Also, allein das zeigt, wie weit Sie gesunken sind.
Die anderen reden von Selbstverstümmlern, die sich
selber irgendetwas abschneiden, dann sind die Bettler alles Leute, die nur auf
Krücken herumlaufen, wenn man sie sieht, ansonsten können sie alle fleißig
herumrennen, und dann sind noch die Verwahrlosten drinnen. Also diese
Sprachverwahrlosung bei Ihnen, das würde mich genieren. Der Text geht am Ende
dorthin, dass man ihnen natürlich nur abverlangen kann, dem Antrag heute nicht
zuzustimmen.
Die Kritik, die wir an diesem Antrag üben, deckt
sich mit der Bettellobby, deckt sich mit der Caritas, deckt sich mit dem Roten
Kreuz, deckt sich mit Neustart. Das ist eine gemeinsame Kritik von allen, die
in dieser Stadt dafür arbeiten, dass Armut abgeschafft wird und dass man den
Armen hilft und nicht, dass man hier die Jagd auf die Armen eröffnet. Dass Sie
das in Wahljahren immer wieder tun, schmerzt, dass Sie soweit gehen, einen
Antrag zu beschließen, den die Freiheitlichen nicht schlimmer hätten
formulieren können, ist eine Tragödie, mit der Sie selber zurechtkommen müssen.
Armut bekämpfen statt Bettler kriminalisieren. Betteln ist ein Grundrecht.
Dass sogar hier und heute wieder mehrere Mythen über
das Betteln verbreitet werden, die nicht einmal von der Polizei bestätigt
werden, finde ich schon bedauerlich. Aber wir sollten uns schon ein bisschen an
die Fakten halten. Der rumänische Botschafter ist überhaupt nicht glücklich,
dass da in Wien einfach behauptet wird, dass da Banden herkommen und da gibt es
irgendwelche Kapos und die kassieren alles ab, und fertig aus, ohne dass
irgendjemand hergeht und einen Beleg bringt.
Der Herr Voves hat in der Steiermark damit begonnen
und hat dann so minimale Rückzieher gemacht, weil er hat genau gewusst, das
sind lauter Schlösser, sondern niemand hat ein Foto von einem Schloss gemacht,
wo irgendjemand drinnen sitzt, der das alles abcheckt. Niemand. Keinem
Journalisten und keiner Journalistin konnte eine Adresse gegeben werden, wo sie
hingehen sollen. Und er behauptet dies um eine Spur leiser mittlerweile, weil
er offensichtlich eingesehen hat, dass das so nicht stimmt.
Die Bettellobby legt einen Wert darauf, in
Erinnerung zu rufen, über wen wir überhaupt reden, wenn wir über die Bettler
und Bettlerinnen auf Wiens Straßen reden und versucht, mit ein paar Fakten
Leute zu überzeugen, dass der Kampf gegen arme Menschen so auf keinen Fall
geführt werden darf. Und die Fakten sind, Menschen mit schwerer
Körperbehinderung erhalten in Bulgarien 50 EUR Rente im Monat, das
Preisniveau dort ist aber leider 80 Prozent von unserem. IndustriearbeiterInnen
in der Nokia-Fabrik im rumänischen Juko verdienen in 12-Stundenschichten, die
sie durchaus leisten, pro Monat 250 EUR. Die Arbeitslosigkeit von Roma in
Bulgarien, und das ist eine Gruppe, die in Wien bettelt, liegt mittlerweile bei
90 Prozent. Wie in Ungarn mit Roma umgegangen wird, das kann man alles aus
dem Programm einer Partei, die mit einer Partei in diesem Haus befreundet ist,
herauslesen.
Der Vorwurf des organisierten Bettelns läuft ja in
Wien darauf hinaus, dass hier der Spielraum weit ist. Was heißt denn
organisiert Betteln? Das haben wir ja nämlich schon unter Strafe. Wenn zwei,
drei Bettler sitzen und sich gegenseitig sehen können, ist das organisiertes
Betteln. Das reicht nämlich schon. (Abg
Dipl-Ing Martin Margulies: Zumindest der Polizei!)
Abgesehen davon bin ich ja schon ein bisserl
verwundert, dass die Sozialdemokratie und die Gewerkschaft, zum Beispiel, eine
Organisationsarbeit leistet und auch will, dass wir alle organisiert sind.
Warum sollen alle möglichen Leute dieser Welt organisiert sein, und warum
sollen sich nicht auch etwa fünf Punks auf der Mariahilfer Straße ausmachen,
wer links und wer rechts auf der Straße steht. Das ist doch intelligent, wenn
sie sich zusammensetzen und miteinander darüber reden und sagen, ich stehe bei
der U-Bahn-Station und du bei einer anderen. Das wird ja sogar gewünscht, weil
die Polizei möchte nicht mehr als vier Punks bei einer U-Bahn-Station haben. Da
müssen sie sich aber organisieren, weil wenn sie sich nicht abreden, dann sind
ja da zehn und dort null. Da ist es notwendig, sich zu organisieren, und gerade
Menschen, die ganz am Ende dieser Gesellschaft stehen und ganz unten stehen
auch noch abzusprechen, dass sie miteinander darüber reden, wie sie aus dem
Schlamassel halbwegs herauskommen, das hätte ich nicht erwartet, dass Sie das
machen. (Abg Mag Sirvan Ekici: Sie
glauben doch nicht, dass Sie das Gesetz verhindern können! – Abg Dipl-Ing Omar
Al-Rawi: Das Verkaufen von Blumen!) Aber mit dem Gesetz, das sie heute
beschließen, geht es keinem einzigen Armen besser, keinem einzigen, niemandem.
Kein einziger hat einen Euro mehr im Sack, es geht ein paar Leuten viel
schlechter, es werden noch mehr Leute bestraft wie vorher, es sitzen noch mehr
wegen Bettelns im Gefängnis, was übrigens ein Vermögen kostet, dass die Leute
dann im Gefängnis sitzen und von dem Geld sehr lange leben könnten, wenn sie es
bekämen, während sie heraußen sind. Dieses Gesetz hilft keinem einzigen armen
Menschen in ganz Europa, es schadet aber einigen armen Menschen. (Abg Mag Sirvan Ekici: Auch den Leuten!)
Alleine, wenn ich das mache, wenn ich sage, ich
überprüfe das Gesetz nur auf einen Punkt, nützt das irgendeinem, der heute arm
ist? Nein. Schadet es manchen Leuten, die arm sind? Ja. Nun, warum macht ihr
das dann, es ergibt doch überhaupt keinen Sinn, außer dass schon wieder
geglaubt wird, man muss das tun, weil sonst kann man diese rot-blauen
WählerInnen nicht zusammenfangen, und deswegen tun wir das nicht, was einmal
früher gemacht worden ist, dass wir hinter dem Haider nachlaufen, das Asylrecht
verschärfen, wenn wir in Opposition sind, und so weiter und so fort.
Und jetzt machen wir ein Landes-Sicherheitsgesetz,
über das sich Herr Ulm freut wie ein Schneekönig. Der hat letztes Mal schon
gesagt, es ist Ostern und
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