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Landtag, 33. Sitzung vom 24.06.2010, Wörtliches Protokoll  -  Seite 10 von 100

 

finden müssen, denn es war damals zu meinem tiefen Bedauern ein gewisser Zeitgeist, der Hand in Hand gegangen ist natürlich auch mit dem Selbstbewusstsein des Nationalismus in den verschiedensten Nationen. Was den Lueger-Ring betrifft, so wird eine Kommission eingesetzt werden, die sich damit auseinandersetzt und versucht, Lösungen zu finden, denn hier sind auch die Meinungen außerordentlich widersprüchlich, und daher werden wir versuchen, das in einem Gespräch oder in vielen Gesprächen wahrscheinlich zu lösen.

 

Präsident Prof Harry Kopietz: Danke. Die 4. Zusatzfrage stellt Herr Abg Dr Wolf, ich ersuche darum.

 

Abg Dr Franz Ferdinand Wolf (ÖVP-Klub der Bundeshauptstadt Wien): Herr Landeshauptmann!

 

Sie haben im Zusammenhang mit dem Gespräch, das Sie mit Dr Muzikant geführt haben, davon gesprochen, dass es zu Übergriffen gegen jüdische Mitbürger gekommen sei. Eine Frage dazu: Verurteilen Sie nicht nur die Übergriffe, sondern auch jene Passagen bei der Demonstration, die im Gefolge der Ereignisse geäußert wurden und wo davon gesprochen wurde, dass der Kampf weitergehe, dass die Märtyrer nicht umsonst gestorben seien, et cetera. Das heißt als konkrete Frage: Distanzieren Sie sich als Landeshauptmann und Bürgermeister der Stadt Wien von diesen Aussagen?

 

Präsident Prof Harry Kopietz: Herr Landeshauptmann.

 

Lhptm Dr Michael Häupl: Herr Dr Wolf, um es sehr präzise zu sagen, ich bin wie der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen, wie die gesamte Europäische Union, wie die gesamte österreichische Bundesregierung und wie ich hoffe, auch wie wir zwei, der Auffassung, dass das Embargo, das Israel über den Gazastreifen verhängt hat, völkerrechtswidrig ist und daher aufgehoben gehört. Nichts anderes ist - entgegen allen Versuchen, hier meinungsbildend zu wirken - versucht worden, als dass durch diese humanitäre Hilfe die Schiffe nach Gaza gebracht werden sollen. Und hier sind wir uns einig, sonst hätten wir nicht einstimmig diese Resolution beschlossen, dass neben der Verurteilung - generell gesehen, der militärischen Auseinandersetzung, und ich verurteile die palästinensischen Raketen genauso wie israelische Luftangriffe dazu -, dass es selbstverständlich ein völlig unverhältnismäßiges Mittel gewesen ist, um in einer derartigen Form gegen diese humanitäre Hilfsflotte vorzugehen. Wenn hier Formulierungen getroffen worden sind, so wie sie eben vorgelesen wurden, so kann ich diese Formulierungen, wie sie hier getroffen wurden, mit Sicherheit nicht verurteilen, das sage ich auch in aller Offenheit, denn da kann ich nichts Böses daran erkennen. Ich verurteile hingegen sehr wohl Aussagen, die bei der anderen Demonstration, denn es waren nämlich zwei Demonstrationen, die stattgefunden haben, gemacht wurden, bei der auch Transparente und Schilder herumgetragen wurden, die eindeutig einen antisemitischen Charakter tragen, die nichts mehr mit einer demokratisch legitimen Kritik an der Außenpolitik Israels zu tun haben, sondern die tatsächlich antisemitisch waren und daher zu kritisieren sind.

 

Die verurteile ich sehr wohl, denn Tafeln in Österreich herumzutragen, wo darauf steht „Hitler lebt“, ist verabscheuungswürdig, ist selbstverständlich zu verurteilen und ist zu unterbinden und wenn eruierbar, auch strafrechtlich zu verfolgen. Es sollte dies außer jedem Zweifel stehen, und ich möchte hier sehr streng differenzieren zwischen dem, was eine Position ist, die sich absolut im demokratischen Rahmen befindet, und Positionen, die in anderen Demonstrationen vertreten waren, die absolut außerhalb des demokratischen, des akzeptablen und auch des demokratiehygienischen Bereichs und außerhalb unseres Rechtsrahmens stehen. Diese Differenzierung möchte ich hier machen, und die ist auch wichtig.

 

Präsident Prof Harry Kopietz: Danke, Herr Landeshauptmann.

 

Wir kommen zur 4. Anfrage (FSP - 02648-2010/0001 - KSP/LM), die von Herrn Abg Volkmar Harwanegg gestellt und an den Herrn Landeshauptmann gerichtet ist. (Der Verfassungsgerichtshof hat einen Antrag der FPÖ auf Aufhebung des EU-Vertrages von Lissabon zurückgewiesen. Welche Auswirkungen hätte eine Aufhebung des Lissabon-Vertrages auf das Land Wien?)

 

Bitte, Herr Landeshauptmann.

 

Lhptm Dr Michael Häupl: Schönen Morgen, Herr Landtagsabgeordneter!

 

Anlässlich des mit 1. Dezember 2009 in Kraft getretenen Vertrags von Lissabon ist es für uns alle, so denke ich, wichtig und es ist mir auch persönlich ein Anliegen, die Bedeutung dieses Reformwerkes, wie ich es im Wesentlichen auch anlässlich meiner Mitteilung im Landtag am 26.November 2009 getan habe, für die Städte und Gemeinden hervorzuheben. Denn erstmals in der mehr als 50-jährigen Geschichte der europäischen Vereinigung ist die wichtige Rolle der Kommune im EU-Vertrag, im Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union und in den Zusatzprotokollen, also im gesamten Acquis communautaire anerkannt.

 

Wenn man bedenkt, dass Schätzungen zufolge bis zu 80 Prozent der kommunalrelevanten Vorschriften ihren Ursprung in der Europäischen Union haben, so kann man sich vorstellen, dass diese primärrechtliche Anerkennung einen Meilenstein für die regionalen und kommunalen Verwaltungen darstellt. Die derzeitigen aktuellen Fragen der Globalisierung, der Finanz- und Wirtschaftskrise, der Menschenrechte, der Energie- und Umweltprobleme zeigen, dass die großen Herausforderungen der nächsten Jahre, denen sich alle Nationen, Länder und Kommunen zu stellen haben, nicht mehr bloß auf nationaler Ebene alleine gelöst werden können. Der Vertrag von Lissabon und die wesentlichen und daraus für uns resultierenden Aufgaben und Veränderungen sind in etwa so zu beschreiben:

 

Erstens: Europa muss insbesondere in Anbetracht der gegenwärtigen Situation seine Handlungsfähigkeit

 

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