Landtag,
33. Sitzung vom 24.06.2010, Wörtliches Protokoll -
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Sichtweise in der Politik für Menschen mit Behinderung einzulassen. Wir
lehnen daher den vorliegenden Entwurf des Chancengleichheitsgesetzes ab. (Beifall bei der ÖVP.)
Präsidentin Marianne Klicka: Als Nächste zum Wort
gemeldet hat sich Frau Abg Mörk. Ich erteile ihr das Wort.
Abg Gabriele Mörk (Sozialdemokratische Fraktion des
Wiener Landtages und Gemeinderates): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau
Landesrätin! Meine sehr geehrten Damen und Herren!
Das Wiener Behindertengesetz stammt im Wesentlichen aus dem Jahr 1966.
Es wurde zwar mehrmals novelliert und 1986 wieder verlautbart. Es spiegelt aber
bei Weitem nicht mehr den mittlerweile stattgefundenen Paradigmenwechsel in der
Behindertenhilfe wider. Chancengleichheit und Selbstbestimmung, das, meine sehr
geehrten Damen und Herren, sind die Prinzipien, nach denen das neue Gesetz für
Menschen mit Behinderung aufgebaut ist. Es geht darum, die gesellschaftliche
Teilhabe von Menschen mit Behinderung zu verbessern und dieses Ziel auch im
neuen Wiener Chancengleichheitsgesetz abzubilden. Die Stadt Wien bekennt sich
dazu, Menschen mit Behinderung in ihrer Selbstständigkeit zu stärken und damit
auch weiter in Richtung Normalisierung zu gehen. Dabei ist das Leistungsangebot
sozial ausgewogen und niederschwellig zugänglich. Es muss uns auch immer
bewusst sein, dass Chancengleichheit für Menschen mit Behinderung als
Querschnittsmaterie alle Bereiche des öffentlichen Lebens trifft.
Das neue Wiener Chancengleichheitsgesetz basiert auf der UN-Konvention
über die Rechte der behinderten Menschen. Mit der Modernisierung des neuen
Gesetzes geht auch eine sprachliche Modernisierung einher. Alte,
diskriminierende Begriffe werden entfernt. Gleichzeitig wird der Gesetzestext
in klarer und nachvollziehbarer Sprache formuliert. Es geht um ein klares und
verständliches Gesetz, das die Menschen verstehen. So können alle nachlesen,
welche Leistungen es gibt und wer sie bekommen kann. Gleichzeitig spiegeln sich
im neuen Gesetz die Leistungen für Menschen mit Behinderung wider, was zu mehr
Transparenz führt. Eines der wesentlichsten Ziele der Wiener Behindertenhilfe
ist die Umsetzung des Normalisierungsprinzips. Normalisierung bedeutet, dass
sich das Leben von Menschen mit Behinderung möglichst wenig von dem Leben von
Menschen ohne Behinderung unterscheiden soll. Der vorliegende Gesetzesentwurf
nimmt darauf Bedacht. Die Bedürfnisse von Menschen mit Behinderung auf
Selbstbestimmung, Eigenverantwortung und Mitbestimmung werden gewahrt, um eine
bessere Integration und Anerkennung in der Gesellschaft zu ermöglichen. Das
Bundesbehindertengleichstellungsgesetz hat zum Ziel, die Diskriminierung von
Menschen mit Behinderung zu beseitigen oder auch zu verhindern. Aufgabe der Behindertenhilfe
im Landesbereich ist es, die Lebensbedingungen von Menschen mit Behinderung
weitgehend zu normalisieren. Alltagsbedingungen sollen geschaffen werden, die
eine ähnliche Lebensweise ermöglichen wie von Menschen ohne Behinderung. Um
einen derartigen Ausgleich zu schaffen, werden Förderungen subsidiär zu
anderen, insbesonders bundesgesetzlichen Maßnahmen und Leistungen für die
teilweise Abdeckung der durch Behinderung bedingten Mehraufwendungen gewährt.
Die Stadt Wien, meine sehr geehrten Damen und Herren, gibt derzeit
insgesamt 200 Millionen EUR für Menschen mit Behinderung und
PartnerInnenorganisationen in der Behindertenarbeit aus. Leistungen werden über
den Fonds Soziales Wien, das ist der Träger der Wiener Behindertenhilfe,
vergeben. Der Fonds Soziales Wien ermöglicht Menschen mit Behinderung
auszuwählen, bei welcher vom Fonds anerkannten Einrichtung sie eine individuell
zuerkannte Leistung in Anspruch nehmen können. Das Fördersystem des FSW
ermöglicht somit individuelle und bedarfsgerechte Leistungen. Die
Förderrichtlinien sind transparent und über das Internet abrufbar. (Abg
Karin Praniess-Kastner: Ja, aber sie liegen noch nicht vor! Sie liegen noch
nicht vor!) Na ja, aber was bis jetzt vorliegt, ist drinnen und sobald sie
vorliegen, werden sie dann auch abrufbar sein, Frau Praniess-Kastner! Nur,
solange es sie nicht gibt, können sie nicht drinnen sein. (Abg Karin
Praniess-Kastner: Es ist nicht drinnen! – Abg Kurt Wagner: Sie ist ihrer Zeit
voraus! – Abg Karin Praniess-Kastner: Ja genau!) Genau. Da können wir nicht
mithalten.
Das neue Chancengleichheitsgesetz. In dieses Gesetz werden neu
teilbetreutes Wohnen, Arbeitsintegration, die Persönliche Assistenz,
Gebärdendolmetsch und Beratungsleistungen sowie Frühförderung aufgenommen.
Damit wird der Leistungskatalog um Angebote erweitert, die der Fond Soziales
Wien bisher schon erbracht hat. Die Leistungen zielen auf die Entwicklung und
Förderung der Menschen mit Behinderung ab. So werden etwa Hilfsmittel
altersunabhängig gefördert. Außerdem werden in diesem neuen Gesetz Werkstätten
und Wohnräte verankert, ein weiterer wichtiger Schritt in Richtung
Mitbestimmung. Und die Interessensvertretung behinderter Menschen erhält ein
Anhörungsrecht bei der Erstellung neuer Förderrichtlinien im FSW. Auch dadurch
wird die Interessensvertretung selbst gestärkt.
Der erste Entwurf des neuen Gesetzes lag bereits im
Sommer des Vorjahres vor. Danach wurde eine Arbeitsgruppe eingerichtet, bei der
MitarbeiterInnen des FSW, der MA 40, aber auch die Interessensvertretung behinderter
Menschen eingebunden waren. Die Arbeitsgruppe überprüfte 36 Forderungen, die
von der Interessensvertretung eingebracht wurden und wir haben schon gehört, 28
davon, 78 Prozent der Forderungen, konnten auch in das neue
Chancengleichheitsgesetz eingearbeitet werden und auf Grund dessen hat auch die
Interessensvertretung diesem Chancengleichheitsgesetz zugestimmt. Mit diesem
neuen Gesetz wird der Paradigmenwechsel vollzogen und die
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