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Landtag, 3. Sitzung vom 27.01.2011, Wörtliches Protokoll  -  Seite 22 von 43

 

Wir ersuchen die ÖVP, die sich immer als Europapartei geriert, die alle Kommissare bisher gestellt hat, die Österreich stellen durfte, dringend, auf der Bundesebene auch dafür zu sorgen, dass es eine Verfassungsmehrheit dafür gibt, dass Europabürger in dieser Stadt auch wahlberechtigt werden.

 

Herr Kollege Tschirf, es war spannend, Ihnen zuzuhören! Wir kennen einander ja lange genug. Nur, die Ausführungen, wie denn das Wahlrecht aussehen sollte, das sich die ÖVP wünscht, waren so ohne Inhalt und ohne Aussage! Das war vollkommen unklar. Sie haben überhaupt keine Aussage dazu getroffen. Sie haben den Notariatsakt groß kopiert und haben ihn dann der Grünen Fraktion zur Verfügung gestellt. Die kennen ihn. Wir kennen ihn auch, keine Sorge.

 

Aber wir wollen wissen, was Sie gerne hätten! Hätten Sie gerne das Wahlrecht Tirols? Da ist nämlich kaum ein Unterschied zum jetzigen Wiener Wahlrecht. Hätten Sie gerne ein Wahlrecht wie in Niederösterreich, das mehrheitsbildende Wahlrecht in Niederösterreich? Das hätten Sie gerne für Wien? Oder hätten Sie gerne die Wahlordnung der Wirtschaftskammer Wien, wo man mit 40 Prozent 60 Prozent der Mandate bekommen kann? (Abg Dr Matthias Tschirf: Ich habe gesagt, ... auf Bundesebene! Nationalratswahlordnung!) Ist es das, was sich die ÖVP wünscht? Sie haben dazu keine Aussage getroffen.

 

Wir werden Sie einladen. Kollege Ellensohn hat auch darauf hingewiesen. Wir werden natürlich schauen, dass es eine Vier-Parteien-Einigung zum neuen Wahlrecht gibt. Natürlich werden sich die Koalitionsparteien vorher ihre Meinung bilden. Die SPÖ hat ein paar Vorschläge schon präsentiert. Und diese sind erstaunlich nahe dem, erfreulich nahe dem, was im Parlament bei der Enquete am vergangenen Montag vorgeschlagen wurde, nämlich Personalisierung auch im Verhältniswahlrecht.

 

Genau dorthin wollen wir gehen, denn unser Interesse ist nicht, dass wir ein Verhältniswahlrecht haben, wo dann nur die Partei zählt, sondern uns sind auch die Personen, die hier die Menschen vertreten, ganz, ganz wichtig. Die Bürgerinnen und Bürger sollen auch wissen, wen sie hier in diesen Gemeinderat und Landtag entsenden, und auch wissen, an wen sie sich dann in ihrem Wahlkreis wenden können. (Beifall bei der SPÖ und von Abg David Ellensohn.)

 

Präsident Johann Herzog: Als nächster Redner ist Herr Abg Dr Ulm zu Wort gemeldet. Ich bitte darum.

 

10.55.29

Abg Dr Wolfgang Ulm (ÖVP-Klub der Bundeshauptstadt Wien)|: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren!

 

Herr Kollege Schicker, wie das Verhältniswahlrecht nach unserem Sinn aussehen soll, wissen Sie ganz genau, nämlich jedenfalls so, wie es in der Verpflichtungserklärung drinnen steht. (Abg Dipl-Ing Rudi Schicker: Das Pröll-Wahlrecht!) Bei Ihnen warten wir aber bis zum heutigen Tage. Sie haben es auch in dieser Wortmeldung verabsäumt zu sagen, wie jetzt Ihr neues modernes Verhältniswahlrecht ausschauen soll, das Sie in das rot-grüne Koalitionsübereinkommen hineingeschrieben haben. (Beifall bei der ÖVP.)

 

Jetzt zum Herrn Kollegen Ellensohn: Sie sagen, Sie brechen keine Wahlversprechen. Herr Kollege, leider Gottes sind zwei nachweislich schon gebrochen! Das erste betrifft den Herrn Prof Van der Bellen. Da hat es geheißen, wenn er über die Vorzugsstimmen gewählt wird und wenn Grün in die Koalition kommt, dann wird er Stadtrat oder wird Gemeinderat und kommt jedenfalls nach Wien. – Keine Rede davon, ein nachweislich gebrochenes Wahlversprechen!

 

Den Nachweis des zweiten gebrochenen Versprechens kann ich noch leichter erbringen, weil die Umstände noch nicht so lange zurückliegen. Sie haben gesagt, selbstverständlich werden die Oppositionsparteien in die Gespräche eingebunden. Ich kann das nicht feststellen, denn laut Medienberichten hat am 17. Jänner 2011, jedenfalls vor wenigen Tagen, eine erste Arbeitsgruppe getagt, die bis spätestens Ende 2012 das Wiener Wahlrecht reformieren soll. (Zwischenruf bei der SPÖ.)

 

So, Sie werfen ein, bei jedem Gespräch können wir nicht dabei sein. Keine Frage! Ich verweise nur auf Ihr eigenes Übereinkommen, auf das rot-grüne Koalitionsübereinkommen. Da wird nämlich auch auf diese Arbeitsgruppe Bezug genommen.

 

Da steht drinnen: „Zur Konkretisierung der beschriebenen Vorhaben wird eine Arbeitsgruppe Wahlrechtsreform" – offensichtlich diese – „unter Einbeziehung von ExpertInnen eingerichtet. Deren Arbeit beginnt mit Konstituierung im Jahr 2010" – also offensichtlich jetzt – „und endet mit der legistischen Umsetzung bis längstens Ende 2012." – Keine Rede davon, dass hier die Oppositionsparteien beigezogen werden.

 

Das ist für die Sozialdemokratie ein Stilbruch der Sonderklasse. Ich bin schon ein bisschen länger in diesem Haus und erinnere mich sehr genau daran, dass Frau StRin Brauner Parteiengespräche geführt hat. Herr Kollege Schuster, Sie waren – wie ich glaube – auch dabei: in der Periode von 1996 bis 2001. Da hat die SPÖ selbstverständlich die Opposition beigezogen. Mittlerweile hält man das nicht für erforderlich. Das ist ein Stilbruch auf Seiten der Sozialdemokratie und ein Wortbruch bei den GRÜNEN. (Beifall bei der ÖVP.)

 

Wie wir uns das moderne Verhältniswahlrecht vorstellen? – Genau so wie es in der Verpflichtungserklärung der drei Fraktionen drinnen steht, nämlich die Anzahl der Mandate soll möglichst genau ihrem prozentuellen Stimmenergebnis entsprechen, und die Gesamtmandatszahlen – so steht es in Punkt 2 des Übereinkommens – der einzelnen Parteien sollen nach d'Hondt ermittelt werden.

 

Und in Punkt 3 steht sogar noch etwas Formales drinnen, wie man nämlich mit dieser Reform umgehen will und wann diese passieren soll. Da steht drinnen: „Nach der Wahl zum Wiener Gemeinderat 2010 soll unabhängig von einer etwaigen Stadtregierungsbeteiligung durch Einbringung und Beschluss eines entsprechenden Initiativantrags die gegenständliche Wahlrechtsreform beschlossen werden." – So. Und dann bringen wir so einen Antrag ein – wortgleich, genauso, am 25. November 2010 –, und wer nicht mitstimmt, sind natürlich die GRÜNEN. Das ist ein klassischer Wortbruch. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf von Abg Mag Christoph

 

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