Landtag, 11. Sitzung vom 27.01.2012, Wörtliches Protokoll - Seite 5 von 68
geehrter Herr Stadtrat! Wir alle wollen unsere Kinder vor Gewalt und Missbrauch schützen, aber der politische Diskurs wird sehr davon bestimmt, Gesetze zu verschärfen. Sehr stark im Fokus der Diskussion sind Täter oder potenzielle Täter, aber es fehlt meiner Meinung nach der Fokus auf die Kinder selbst, auf die Menschen, die mit Kindern arbeiten. Wie können wir die stärken, die sensibilisieren, welche Maßnahmen können wir hier ergreifen?
Daher meine Frage an Sie: Was bietet hier Wien konkret an? Wo können wir weiter in stärkende Maßnahmen investieren, um die Kinder und die, die mit Kindern arbeiten, zu unterstützen?
Präsident Johann Herzog: Herr Stadtrat, ich ersuche um Beantwortung.
Amtsf StR Christian Oxonitsch: Ich denke, Sie weisen auf einen sehr wichtigen Punkt hin, dass es, ungeachtet des legistischen Rahmens, in dem man sich hier bewegt, ganz besonders notwendig ist, immer auch für Verbesserungen im Bereich der Jugendwohlfahrt, im Bereich der Pädagogik, im Bereich der Betreuung von Kindern und Jugendlichen auch entsprechende Maßnahmen zu setzen.
Schon aus diesem Grund unterhält ja die Magistratsabteilung 11 ein eigenes Schulungszentrum zur Ausbildung und Weiter- und Fortbildung und ist damit auch in der Lage, immer sehr rasch auf neue Herausforderungen, neue Problemlagen zu reagieren, indem den Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen, aber auch Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern die entsprechende Aus-, Fort- und Weiterbildung angeboten wird. Ich verweise diesbezüglich einfach auch auf meine Antwort von gestern.
Ich denke, ganz besonders wichtig ist, dass – und das ist ja auch immer das Begrüßenswerte an einem öffentlichen Diskurs über all diese Fragen – die Sensibilität für diesen Bereich gestärkt wird, die Sensibilität auch jener Kolleginnen und Kollegen, die in Wohngemeinschaften, die in sozialpädagogischen Einrichtungen arbeiten, denn letztendlich ist es gerade auch dieses Empowerment, dieses Stärken der Persönlichkeit dahin gehend, dass ich, wenn ich Missstände, wenn ich problematisches Verhalten feststelle, auch den Mut entwickle, auch dann, wenn es vielleicht um den einen oder anderen Kollegen geht, hier entsprechend zu handeln, einzugreifen, einzuschreiten, aber auch um Hilfe, um fachlich Unterstützung zu ersuchen.
Wir haben diese fachliche Unterstützung ja auch durch die Arbeit der Kinder- und Jugendanwaltschaft, wir haben sie durch die entsprechende Fachaufsicht, wir haben sie aber natürlich auch durch Angebote für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in entsprechenden Problemlagen in Form der Aufarbeitung im Team, wenn es hier zu entsprechenden Vorfällen – und sie sind leider nicht zu vermeiden – kommt.
Ich denke, es ist das breite Angebot auf der einen Seite, es ist das ständige Suchen auch nach neuen Methoden, Mitteln und Wegen, die die größte Herausforderung im Bereich der Jugendwohlfahrt darstellen und nicht immer nur die entsprechenden Strafbestimmungen.
Präsident Johann Herzog: Die 4. Zusatzfrage stellt Abg Mag Gudenus: Ich ersuche darum:
Abg Mag Johann Gudenus, MAIS (Klub der Wiener Freiheitlichen): Sehr geehrter Her Landesrat! Ja; es stimmt, es sollte viel, viel mehr für die Opfer getan werden, und es sollte auch viel, viel mehr gegen die Täter getan werden. Zur Zeit sieht es ja leider so aus, dass wahrscheinlich noch viele Täter frei herumlaufen. Einer wurde dadurch bekannt, dass er sogar eine Abfertigungszahlung von der Volkshilfe bekommen hat. Also da sollte, glaube ich, auch ein Umdenken stattfinden, dass man Täter nicht so sehr mit Samthandschuhen angreift, wie es bisher getan wurde.
Mittlerweile ist ja schon seit 40 Jahren zumindest dem Magistrat oder der Stadtregierung bekannt, dass es extreme Missstände in den Wiener Kinderheimen gegeben hat und wahrscheinlich noch gibt. Mir fehlt ein bisschen der offene und auch offensive Zugang zu diesem Thema seitens der Stadtregierung. Die Helige-Kommission ist unzureichend; sie betrifft ja nur ein Kinderheim, nämlich den Wilhelminenberg. Es gehören eigentlich alle Heime der letzten Jahrzehnte in Wien geprüft.
Aber es gibt auch andere Beispiele, wie man eben die Opfer entschädigen könnte, und zwar ideell. Es fehlt nämlich, glaube ich, eine Entschuldigung. Gut, es gab zwar vor der Wahl in einer Pressekonferenz eine kleine Entschuldigung – eher im Angstschweiß, das Thema könnte Wahlkampfthema werden –, aber ich glaube, es fehlt ein offensiver Zugang in Form einer Entschuldigung, wie es zum Beispiel auch in Schweden geschehen ist, in Stockholm. Erst unlängst wurden in Stockholm 1 200 Missbrauchsopfer in den Stadtsaal geladen, in den Saal, wo auch der Nobelpreis verliehen wird – so einen Saal haben wir natürlich nicht hier, aber es gibt andere Möglichkeiten –, wo in einem feierlichen würdigen Rahmen eine offizielle Entschuldigung seitens der Regierung stattgefunden hat. Das ist auch eine Art ideelle Entschädigung und eine Teilwiedergutmachung.
Können Sie sich so eine Einladung dieser Missbrauchsopfer in Wien, die ja teilweise auch finanziell entschädigt wurden, vorstellen, damit sich die Stadtregierung entschuldigt?
Präsident Johann Herzog: Herr Stadtrat, ich ersuche um Beantwortung.
Amtsf StR Christian Oxonitsch: Sie wissen, dass derzeit der Weisse Ring mit vielen, vielen Opfern die entsprechenden Gespräche noch führt. Gerade im vergangenen Jahr sind ja sehr viele Menschen an den Weissen Ring herangetreten, und ich verweise noch mal auf die nicht unwesentlichen Leistungen, die die Stadt in diesem Bereich, im Bereich von Therapie, aber auch von Entschädigungszahlungen, übernommen hat. Wir werden jetzt die Ergebnisse der Abarbeitung all jener Fälle, die noch nicht bearbeitet werden konnten, abwarten, denn es ist ganz wichtig – und darum haben wir ja auch auf eine professionelle Opferschutzorganisation zurückgegriffen –, hier sehr sensibel die entsprechenden Gespräche zu führen. Wenn die entsprechenden Fälle abgearbeitet und abgehandelt sind, werden wir gemeinsam auch mit dem Weissen Ring als Opferschutzorganisation
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