Landtag, 11. Sitzung vom 27.01.2012, Wörtliches Protokoll - Seite 34 von 68
fe, dass Sie auch im weiteren Verlauf der Debatte noch Zeit finden, bei uns anwesend zu sein und sich vielleicht noch für die Restzeit zum Wort zu melden. Als Nächster zum Wort gemeldet hat sich Herr StR Mag Juraczka. Ich erteile es ihm.
StR Mag Manfred Juraczka: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Berichterstatterin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete zum Europäischen Parlament! Werte Kolleginnen und Kollegen!
Vor einigen Tagen war in der APA erfreulicherweise Folgendes zu lesen: „Das Wiener Stadtparlament schaut über den Tellerrand. In den Landtagssitzungen am kommenden Freitag werden erstmals EU-Abgeordnete im Rathaus der Bundeshauptstadt das Wort ergreifen." - Ich freue mich auch außerordentlich, dass wir diese Möglichkeit mit heutigem Tag haben und auch wahrnehmen. Ich kann meiner Freude darüber nur nochmals Ausdruck verleihen. Umso bedauerlicher erachte ich es aber, dass bei einer so interessanten, wichtigen Neustrukturierung, bei so einer interessanten Innovation der Herr Bürgermeister ganz offensichtlich leider keine Zeit hat, hier zumindest fünf Minuten vorbeizusehen. (Beifall bei der ÖVP und von Abg Mag Wolfgang Jung.)
Meine Freude ist ganz einfach erklärt. Ich bin nicht nur begeisterter Wiener, ich bin auch begeisterter Europäer, weil ich glaube, dass der europäische Gedanke etwas ist, was uns auf diesem Kontinent sehr viel weitergebracht hat, was es gilt, jetzt auch zu transportieren, gerade in einer schwierigen Zeit. Wir kennen alle die Diskussionen über Griechenland, über die Krise der Staatsschulden und dergleichen. Ich glaube, genau jetzt ist es wichtig, auch die österreichischen Abgeordneten aus dem Europäischen Parlament ganz bewusst in die politische Arbeit hier in der Heimat einzubeziehen, um den Menschen klarzumachen, welch große Vorteile und welch große Errungenschaften durch die EU weiterbetrieben wurden.
Lassen Sie mich jetzt aber auch ein paar Worte zum Tagesordnungspunkt an und für sich sagen, mit dem wir heute in Wien eine EU-Richtlinie, spät, aber doch, umsetzen. Die Richtlinie über Dienstleistungen im Binnenmarkt wurde bereits im Dezember 2006 verabschiedet und sollte eigentlich bereits bis Ende 2009 umgesetzt werden. Nun, zweieinhalb Jahre später, sehen wir der Umsetzung in Österreich Gott sei Dank endgültig entgegen. Hier darf ich schon kritisch anmerken, man hätte da durchaus schneller und effizienter arbeiten können. Wir hätten uns die Androhung von Strafzahlungen seitens der Europäischen Kommission wegen Nichtumsetzung durchaus sparen können, auch die dementsprechende Anrufung des Europäischen Gerichtshofes und eine etwaige Verurteilung wegen Vertragsverletzung inklusive Strafzahlungen von ein bisschen mehr als 44 000 EUR pro Tag. Immerhin rund 1,3 Millionen EUR pro Monat könnten wir, und ich glaube, dessen sollten wir uns alle bewusst sein, in Zeiten von Sparpaket, Triple-A-Verlust und vielleicht damit verbundenen höheren Kreditraten, wirklich sparen können.
Eine schnellere Umsetzung der Richtlinie auf Bundesebene ist aber leider mittels einer erforderlichen Zweidrittelmehrheit auf Grund faktisch nicht immer nachvollziehbarer Gründe, vor allem von FPÖ, BZÖ und GRÜNEN, lange verhindert worden. Daher läuft die Umsetzung der Dienstleistungsrichtlinie auf Bundesebene bereits seit 2006 unter Federführung des Wirtschaftsministeriums. Seit Ende 2009 arbeiten etwa die Einheitlichen Ansprechpartner als One-Stop-Shop für die elektronische Antragstellung und Abwicklung von Genehmigungsverfahren zur Erbringung von Dienstleistung.
Um einer Verurteilung durch den EU-Gerichtshof und den damit verbundenen Strafzahlungen in letzter Minute entgehen zu können, gilt es nun, die EU-Dienstleistungsrichtlinie in einem Bundes- und, so wie hier heute, in neun Landesgesetzen umzusetzen. Sofern die Vollumsetzung der Dienstleistungsrichtlinie noch vor der EuGH-Urteilsverkündung gelingt, können Strafzahlungen vielleicht verhindert werden, weil dann die EU-Kommission ihre Klage zurückziehen könnte.
In Zeiten angespannter Finanz- und Wirtschaftslage wäre eine zeitnahe und effiziente Umsetzung der Richtlinie gefragt gewesen. Ich sage Ihnen, die mutwillige Verzögerung der Umsetzung dieser Richtlinie ist ein gutes Beispiel dafür, wie schändlich mit vielen zum Großteil durchaus sinnvollen EU-Initiativen in Österreich umgegangen wird. Die Wirtschaft Österreichs und nicht zuletzt der Wirtschafts- und Dienstleistungsstandort Wien hätten jedenfalls von einer raschen Umsetzung maßgeblich profitieren können. Kollege Becker hat zuerst schon gesagt, die EU-Kommission errechnete in dem Zusammenhang durch die EU-weite Umsetzung der Richtlinie wirtschaftliche Zugewinne für den Binnenmarkt in sage und schreibe Höhen zwischen 60 und 140 Milliarden EUR, was einem potenziellen Wirtschaftswachstum von 0,5 bis 1,5 Prozent des EU-BIP entspricht. Also da geht es um Summen, die man nicht vernachlässigen sollte, gerade in Zeiten wie diesen. (Beifall bei der ÖVP.)
Oder, auf gut Deutsch gesagt, es ist kaum zu leugnen, dass uns in den letzten zweieinhalb Jahren einiges an Wirtschaftsleistung durch zögerliche Haltung mancher durch die Finger gegangen ist. Das ist schade und das haben am Ende des Tages die Vertreter der genannten Parteien zu verantworten. Das soll an dieser Stelle auch gesagt und nicht verschwiegen werden.
Wir sind jedenfalls davon überzeugt, dass die Umsetzung der Richtlinie den österreichischen Markt substanziell stärken wird. Die heimischen Klein- und Mittelbetriebe profitieren. Das schafft - das sollte sich mittlerweile in den Mindsets von uns allen umgesetzt haben - die wichtigen Arbeitsplätze in dieser Stadt und in diesem Land. Gerade jetzt, in den wirtschaftlich schwierigen Zeiten, brauchen wir das mehr denn je. Wir brauchen Wachstum und wettbewerbsfördernde Maßnahmen.
Die grenzüberschreitende Erbringung von Dienstleistungen ist besonders für Wien von ganz eminenter Bedeutung und hoher Wichtigkeit. Schließlich ist Wien auch über die Grenzen Österreichs hinaus ein wichtiges wirtschaftliches Zentrum. Der Austausch von Dienstleistungen ist damit für viele Unternehmen auch über die Grenzen des Landes hinweg von zentraler Bedeutung. Klein- und Mittelbetriebe werden von den Erleichterungen beim
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