Landtag, 11. Sitzung vom 27.01.2012, Wörtliches Protokoll - Seite 52 von 68
schießen, meine Damen und Herren! Ich muss mich heute ja nicht über ein Brokerjet in Österreich oder in Deutschland anmelden, Frau Kollegin, sondern ich kann das auch über einen Broker in Hongkong, in den USA oder in England umsetzen. Und dann erhebt sich die Frage, ob ich dort dann auch keine Finanztransaktionssteuer zahlen muss. Wer überprüft das?
In der Theorie ist das also interessant, und wir stimmen dem auch zu. Wir müssen aber aufpassen, dass wir nicht der europäischen Wirtschaft letzten Endes in der Ausformulierung sogar schaden! Am liebsten wäre uns natürlich, wenn es schon zu einer Finanztransaktionssteuer kommt, dass dieses Geld, das dadurch eingehoben wird, auch in Österreich bleibt. Ich weiß, auch diesbezüglich gibt es unterschiedliche Auffassungen, aber so viel Wiener und österreichischen Lokalpatriotismus müssen Sie uns schon zugestehen! Also werden wir auch dem Zusatzantrag der Freiheitlichen Partei zu diesem Antrag zustimmen.
Friedensnobelpreis für das norwegische Volk: Auch dem werden wir uns nicht verschließen und zustimmen.
Jetzt komme ich zum letzten Antrag, der uns vorliegt und den ich kurz besprechen möchte: Es geht dabei um die Offenlegung von SteuersünderInnen. – Ich habe immer geglaubt, dass der mittelalterliche Pranger in westlichen zivilisierten Staaten einstweilen aus der Mode gekommen ist. Aber offensichtlich denkt der eine oder andere oder denken sogar mehrere bei uns daran, diesen wieder einzuführen. Meine Damen und Herren! Ich meine das leider ernst, auch wenn es jetzt scherzhaft klingt: Was kommt dann nämlich als Nächstes? Stellen wir dann die Steuersünder wirklich auf dem Marktplatz an den Pranger und bewerfen sie mit Tomaten? In diesem Antrag ist sehr viel Sprengstoff enthalten, vom Datenschutz bis zu einem ununterbrochenen Auseinanderdividieren der Bevölkerung.
Kollege Ellensohn hat vorhin von sozialer Verantwortung und vom Miteinander gesprochen. – Ja! Das können wir unterschreiben. Aber dieser Antrag ist das genaue Gegenteil, das ist ein Aufhetzen und ein Gegeneinander!
Ich meine: Griechenland ist ein Sonderfall. Mir gefällt es auch nicht, wenn dort die Steuersünder veröffentlicht werden, aber das ist ein Sonderfall, das ist eine finale Notwehrmaßnahme des Staates, denn dort ist es ja nicht die Ausnahme, sondern die Regel, dass man Steuern hinterzieht. Aber es wird doch keiner von Ihnen, meine Damen und Herren, hier sagen, dass Steuerhinterziehung in Österreich systematisch betrieben wird und die Regel ist! Das ist doch ein Blödsinn, meine Damen und Herren!
Natürlich gibt es Steuerverkürzung in jedem Hochsteuerland, das liegt in der menschlichen Natur. Aber ein derartiges System gibt es nicht in Österreich! Sie haben in uns einen Mitkämpfer, wenn es um die Einhebung der Steuern, wenn es meinetwegen um höhere Strafzuschläge und höhere Zinsen oder eine Aufstockung des Personals der Finanzämter für Großbetriebsprüfungen geht. Wir können über alles sachlich diskutieren.
Aber wollen Sie diese Neiddebatte wirklich schüren, meine Damen und Herren? Haben Sie sich das bis zum letzten i-Tüpfelchen überlegt? Das, was ich heute im „Standard“ genau zu diesem Thema lese, wundert mich wirklich! Anders als zuvor erklärt in der SPÖ-Parteizentrale Bundesgeschäftsführer Günther Kräuter, dass der Wunsch nach einer solchen Liste nicht Parteilinie sei, denn sie würde kein Geld einbringen, und wäre zudem rechtlich fragwürdig. Meine Damen und Herren! Ich stelle also jetzt an dieser Stelle fest, dass die Wiener SPÖ außerhalb der Parteilinie steht. Ist das heute im „Standard“ gestanden oder nicht? (Zwischenruf von Abg Georg Niedermühlbichler.)
Ja, gut! – Sie können mit uns über jeden vernünftigen Antrag reden, aber einem so aufhetzerischen Antrag werden wir nicht zustimmen! (Beifall bei der ÖVP. – Abg Dr Kurt Stürzenbecher: Besser vorbereiten, Herr Kollege! – Rufe und Gegenrufe bei ÖVP und SPÖ.)
Präsident Johann Herzog: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Frau Abg Prof Dr Vitouch gemeldet. Ich erteile ihr das Wort und stelle fest, dass die Redezeit drei Minuten beträgt.
Abg Prof Dr Elisabeth Vitouch (Sozialdemokratische Fraktion des Wiener Landtages und Gemeinderates): Ich melde mich nicht zu den Aussagen des Günther Kräuter, sondern ich melde mich noch einmal zur Finanztransaktionssteuer.
Der Herr Kollege hat gemeint, das könnte uns schaden. – Es gibt da eine einschlägige Studie. Es ist ganz klar, dass die Realwirtschaft davon ausgenommen wäre. Es ginge nur um Spekulationen ohne tatsächliche Warengeschäfte. Diese Steuer würde die Sekundengeschäfte an der Börse betreffen, und es würde sich bei dieser Steuer um 0,05 Prozent handeln! Das würde auch keine Nachteile für den globalen Wettbewerb bringen. Das kann man verhindern. Und die Einnahmen wären immens, nämlich für die EU jährlich schätzungsweise rund 215 Milliarden EUR, und weltweit wären es voraussichtlich Einnahmen von über 450 Milliarden EUR.
Das nur dazu. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)
Präsident Johann Herzog: Zum Wort gemeldet ist Frau Abg Mag Dr Kappel. Ich erteile es ihr.
Abg Mag Dr Barbara Kappel (Klub der Wiener Freiheitlichen): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Berichterstatterin! Meine Damen und Herren!
Wir sind im Grunde schon wieder mitten in der Wirtschaftsdebatte. Alexander Neuhuber hat die Anträge zur Sprache gebracht. Er hat zum Thema Finanztransaktionssteuer geredet und damit völlig recht! Zum Schluss hat er über den Antrag gesprochen, den Sie heute zum Thema Steuersünderliste, zur „griechischen Liste der Schande“, einbringen.
Ich wollte eigentlich anders beginnen, aber ich bleibe jetzt bei der Finanztransaktionssteuer, zu der auch wir einen eigenen Antrag eingebracht haben. Wir werden Ihrem Antrag nicht zustimmen. Die Europäische Kommission hat errechnet, dass die Finanztransaktionssteuer, wenn sie europaweit eingeführt wird, in etwa 57 Milliarden EUR an Jahreseinnahmen bringen würde. Wir haben gesagt, dass ein Teil dieses Geldes, das in Österreich aufgebracht wird, wieder nach Österreich zurück
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