Landtag, 13. Sitzung vom 25.05.2012, Wörtliches Protokoll - Seite 44 von 62
Wenn ich mir anhöre, wie die gestrige Debatte gelaufen ist, kann ich nur sagen, das ist eine gewesen, in der sich die SPÖ nuancenmäßig, aber doch deutlich von der Haltung der GRÜNEN langsam abgesetzt hat. Das heißt also, für mich ist es keine Frage, dass die SPÖ irgendwann, wahrscheinlich nach dem Stand des Einholens der Unterschriften, im Stande und bereit ist, einen Weg zu gehen, der die Mitbestimmung der Bevölkerung letzten Endes möglich macht, auch wenn es gegen ihren Willen geschieht.
Wir haben heute schon einiges in Sachen Parkpickerl besprochen. Es ist einfach eine unglaubliche Sache, dass hier nicht die Möglichkeit besteht, durch vernünftige Maßnahmen, durch vernünftige Festsetzungen dem Willen der Bevölkerung umfragemäßig, meinungsmäßig, befragungsmäßig zum Durchbruch zu verhelfen, indem einfach die massiven Hürden, die heute eingezogen sind und die Klubobmann Gudenus aufgezählt und genannt hat, nicht zum Einbruch gebracht werden.
Interessant ist, dass es zwar eine Bürgerstadträtin in der Person der Frau VBgmin Vassilakou gibt, aber dass sie gar nicht daran denkt, Mitbestimmung in dieser Stadt möglich zu machen und zu ermöglichen. Ganz im Gegenteil, sie macht, wo sie kann, wo sie wirksam ist, wo sie selbst zuständig ist, alles, um genau das zu verhindern. Das muss man klar feststellen, Beispiel eben Parkpickerl - wir werden darauf noch eingehen -, Beispiel auch Mariahilfer Straße, wo eine unglaubliche Situation als solche stattgehabt hat.
Wir haben schon gesagt, dieser Versuch, dass das alles nur Mehrheitsmacht ist, indem also die Mehrheit im Gemeinderat bestimmen kann, wann eine solche Volksabstimmung, Volksbefragung stattfindet, ist etwas, das auf Dauer nicht geht.
Es müssen die Hürden gesenkt werden. Es muss auch ein Recht einer qualifizierten Minderheit sein, entsprechende Dinge durchzusetzen, um Demokratie in dieser Stadt möglich zu machen.
Ich möchte sagen, dass es für mich eine Grundfrage, Existenzfrage der Demokratie werden wird, dass diese Dinge durchgesetzt werden. Ich sehe die Wolken am Himmel der Demokratie aufziehen, in dem Sinne, dass das System als solches in steigendem Ausmaß von den Bevölkerungen, nicht nur Österreichs, sondern auch Deutschlands und anderswo, in Frage gestellt wird. Es ist unübersehbar, dass die Zustimmung zum System der Demokratie und demokratischen Mitbestimmung einbricht. Wenn wir in Wien zum Beispiel 45 Prozent Zufriedenheit und 55 Prozent Unzufriedenheit mit den Mitbestimmungsmöglichkeiten in einer relativ beruhigten Situation haben, kann man sich vorstellen, wie es woanders ausschaut. Und so schaut es woanders auch aus, wenn man zum Beispiel Deutschland sieht und zur Kenntnis nimmt, dass die Piraten dort ein Problem sind. Für uns in Österreich sicherlich weniger, aber ich meine nur, die Piraten sind nicht als Partei wichtig, sie sind mehr als Synonym wichtig. Sie sind einfach ein Zeichen dafür, dass die Menschen das System, wie jetzt Demokratie in Deutschland und, mit Verlaub, auch in Österreich praktiziert wird, satt haben. Die Leute sind nicht mehr bereit, das mitzutragen. Wenn nicht rasch Abänderung erfolgt, indem die Abgehobenheit der Herrschenden beendet wird, dann wird mit Sicherheit eine andere Veränderung eintreten, die durchaus andere Bezüge, andere Maßnahmen und andere Gegebenheiten haben wird, mit denen wir alle miteinander nicht einverstanden sein werden. Ich glaube, wir müssen hier eben unserem, sehr wohl der persönlichen Freiheit entsprechenden, politischen System insofern beispringen, indem wir klar sagen, dass durch direkte Demokratie eine entsprechende Ergänzung möglich und notwendig ist.
Wenn ich mir anschaue, was dem Bürgermeister gestern in Sachen Schweiz herausgerutscht ist, dann ist das eigentlich sehr erstaunlich. Er sagte am Anfang seiner Worte: „Jeder weiß, wie sehr und wie positiv ich den Instrumentarien der direkten Demokratie gegenüberstehe. Sie sind für mich eine ganz wichtige und wertvolle Ergänzung für das politische System, das es gibt, nämlich die parlamentarische Demokratie. Daher kann man dem auch nur ganz positiv gegenüberstehen." Dann sagte er in der Folge, Vergleich mit der Schweiz, er wies auf politwissenschaftliche Literatur hin, die hier verschiedene Meinungen hat, und wenn man sich mit dem politischen System der Schweiz auseinandersetzt, dass sie bekanntlich die plebiszitären Elemente in einer Form vorsieht, „die mit Sicherheit gerade noch vereinbar mit einem parlamentarischen System und einer parlamentarischen Demokratie sind. Ich sage gerade noch“ - weil ich einen Zwischenruf gemacht habe – „mit dem Prinzip der parlamentarischen Demokratie." Es ist eigentlich ungeheuerlich, dass der Bürgermeister einer Stadt und eines Landes, in dem wir leben, das durch viele Jahrzehnte undemokratische Zustände, autoritäre Zustände im 20. Jahrhundert erlebt hat, das durch viele Jahrhunderte durch die Monarchien geprägt wurde, wo sicherlich Mitbestimmung der Bürger nicht ganz groß geschrieben wurde, sich herausnimmt, genau jenen Staat Europas mit dieser Feststellung zu kritisieren, der ein demokratisches Grundprinzip seit Jahrhunderten betreibt und die Mitbestimmung des Volkes zur Basis seiner Entscheidungen macht! (Beifall bei der FPÖ.)
Nicht, dass ich oder wir jetzt der Meinung sind, das Schweizer System wäre übertragbar. Natürlich nicht. Das Schweizer System ist durch viele Jahrzehnte und Jahrhunderte gewachsen. Aber wir werden Ergänzungen hereinführen müssen, indem unser rein parlamentarisches System mit dem Abwürgen sämtlicher Bevölkerungsinitiativen ein Ende findet und die Bereitschaft aller besteht, nicht nur der Freiheitlichen und nicht nur vielleicht auch der Volkspartei, entsprechende Maßnahmen zu setzen und auch Grün und Rot bereit sind, dem Willen des Volkes in Form von Abstimmungen entsprechend nachzukommen.
Wir haben doch, was direkte Demokratie betrifft, eine sehr eigenartige Situation. Es lässt zwar der Bürgermeister in Wien über zehn Fragen abstimmen, die an und für sich - ich habe es heute schon gesagt - im Rathaus, also hier, sofort und jederzeit überwältigende Mehrheiten bekommen hätten, sowohl für die
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