Landtag, 14. Sitzung vom 28.06.2012, Wörtliches Protokoll - Seite 9 von 38
Abg Mag Günter Kasal (Klub der Wiener Freiheitlichen): Guten Morgen, Herr Landesrat! Im Zusammenhang mit dem Stichwort Verschlankung zum Stadtschulrat noch eine ganz kurze Frage: Wie sehen Sie den Stadtschulrat im Jahr 2020?
Präsident Prof Harry Kopietz: Bitte, Herr Stadtrat.
Amtsf StR Christian Oxonitsch: Hoffentlich weiter so gut aufgestellt wie derzeit! Und ich hoffe, dass es auch dann solche positiven Atteste des Rechnungshofes gibt, dass es eine effiziente und schlanke Verwaltung gibt.
Präsident Prof Harry Kopietz: Danke. Herr Stadtrat.
Wir kommen zur 4. Frage. (FSP – 02358-2012/0001 – KVP/LM) Sie wurde von Frau Abg Mag Anger-Koch gestellt und ist an den Herrn Landeshauptmann gerichtet. [Wird das Land Wien angesichts der Tatsache, dass zahlreiche hochrangige ehemalige Abgeordnete mutmaßlich in den Wiener Kinderheimskandal verwickelt sind, sowie angesichts der Tatsache, dass der zweite Zwischenbericht der „Wilhelminenbergkommission“ unter Leitung von Frau Barbara Helige sowie die Heimhistorikerkommission bestätigt hat, dass das „System“ Wilhelminenberg in zahlreichen (fast allen) Wiener Kinderheimen gang und gäbe war, einen offiziellen Akt der Entschuldigung für die zahlreichen Opfer in den Wiener Kinderheimen setzen?]
Bitte, Herr Landeshauptmann.
Lhptm Dr Michael Häupl: Sehr geehrte Frau Landtagsabgeordnete!
Im Bewusstsein, dass das Leid der Betroffenen nicht mehr gut zu machen ist, bemühen wir uns seit dem offiziellen Bekanntwerden der Fälle von Misshandlungen und Missbrauch in Heimen der Wiener Jugendwohlfahrt, alles zu unternehmen, um den Betroffenen zu helfen, ihnen mit Respekt gegenüberzutreten und ihrer Geschichte Gehör zu verschaffen.
So hat die Stadt Wien im Rahmen dieser Verantwortung zunächst beschlossen, an die Betroffenen Entschädigungen zu leisten sowie deren Therapiekosten zu übernehmen und diesbezüglich die anerkannte Opferschutzorganisation Weisser Ring um Unterstützung gebeten. Es war und ist uns sehr wichtig, dass diese Menschen nach all dem, was sie erleiden mussten, einen erfahrenen und kompetenten Ansprechpartner vorfinden, der ihnen rasch und unbürokratisch hilft.
Den Betroffenen mit Respekt gegenüberzutreten, bedeutet auch, ihre Geschichte ernst zu nehmen und sich mit ihr auf breiter Basis auseinanderzusetzten. Um diesem Anspruch gerecht zu werden, wurde in einem weiteren Schritt im Herbst 2010 eine Historikerinnen- und Historikerkommission unter der Leitung von Herrn Univ-Prof Dr Reinhard Sieder eingesetzt. Im Hinblick auf die im Laufe des Jahres 2011 erhobenen massiven Vorwürfe gegen das ehemalige Kinderheim Wilhelminenberg wurde hiefür eine eigene Kommission unter der Leitung der Richterin Dr Barbara Helige eingerichtet. Diese Kommission hat den Auftrag, die individuelle und institutionelle Verantwortung bezüglich der schrecklichen Vorwürfe gegen das ehemalige Heim Wilhelminenberg zu klären. Es ist geplant, dass die Kommission spätestens in den ersten Wochen des nächsten Jahres ihren Endbericht vorlegen wird. Ein erster und zweiter Zwischenbericht wurden bereits im März beziehungsweise Juni 2012 der Öffentlichkeit präsentiert.
Seit vergangener Woche liegt der Endbericht der Historikerinnen- und Historikerkommission vor. Dieser ist auf der Homepage der Stadt Wien öffentlich zugänglich. Dessen Inhalt und insbesondere die biographischen Berichte der Betroffenen sind zutiefst erschütternd. Es ist unfassbar, was die Betroffenen erleiden mussten. Wie im Bericht der Historikerinnen und Historiker deutlich gemacht wird, handelt es sich bei der Verantwortung, die es zu übernehmen gilt, nicht nur um eine individuelle, sondern vor allem um eine institutionelle, politische und auch eine gesamtgesellschaftliche Verantwortung.
Es wird überdies klar aufgezeigt, dass sowohl öffentliche als auch private Organisationen wie Vereine und kirchliche Organisationen in der Verantwortung stehen. Der Bericht weist auch auf die Mentalreservation der damaligen Bevölkerung gegenüber den Heimkindern und auf ihre Herabwürdigung in der Öffentlichkeit sowie auf den traurigen Umstand hin, dass ihnen damals zu wenige Menschen geglaubt und geholfen haben.
Erlauben Sie mir, bevor ich Ihre eigentliche Frage beantworte, Frau Abgeordnete, eine persönliche kurze Anmerkung: Diese 40 Jahre zurückliegenden Ereignisse sind zweifelsohne und unbestritten ganz, ganz schrecklich! Eine tatsächliche Wiedergutmachung werden wir nicht durchführen können, wir können aber alles tun, um deutlich zu machen, was passiert ist, ohne zu vertuschen und zu verschleiern. Im Besonderen bin ich den beiden Leitern der eingesetzten Kommissionen, aber auch den Kommissionen selbst dankbar, dass sie genau das getan haben, nämlich alles in großer Offenheit und Klarheit darzustellen, was man ihnen a priori nicht zugetraut hat, wie man auch den Sitzungsprotokollen dieses Hauses entnehmen kann.
Ich glaube, dass all dies unsere Kraft erfordert, und wir unsere Kraft nicht darin erschöpfen sollen, Dinge, die die Grenze der Wahrheit überschreiten, in übertreibender und übertriebener Form darzustellen. Die Tatsachen selbst sind schlimm genug. Wir brauchen sie nicht auch noch zu übertreiben!
Was Ihre Frage nach einem offiziellen Akt der Entschuldigung anbelangt, möchte ich zunächst daran erinnern, dass ich mich gemeinsam mit dem Herrn Amtsf StR Christian Oxonitsch schon im August 2010 im Rahmen einer Pressekonferenz bei den Opfern öffentlich entschuldigt habe. Angesichts der nun immer deutlicher sichtbar werdenden Dimension an zugefügtem Leid meine ich aber, dass es neben dieser Entschuldigung auch eine spezielle Entschuldigungszeremonie geben sollte, um die besondere Bedeutung der Angelegenheit für alle zu unterstreichen. Da nicht nur Wien, sondern auch andere Bundesländer und weitere gesellschaftlich relevante Organisationen betroffen sind, werde ich mich für eine entsprechende Zeremonie auf nationaler Ebene einsetzen und würde eine gemeinsame Vorgangsweise begrüßen und unterstützen.
Präsident Prof Harry Kopietz: Danke, Herr Landeshauptmann. Die 1. Zusatzfrage stellt Frau Abg Mag An
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