Landtag, 18. Sitzung vom 22.11.2012, Wörtliches Protokoll - Seite 27 von 74
bei einer Verschuldung von 71,6 Prozent gestanden. Was passiert dann, wenn es Uneinigkeit gibt bei Neuverschuldung und Investitionen? Das kann man an Portugal sehen. Denn erst bei einer Verschuldung von 107,8 Prozent des BIP mussten die handelnden Politiker die Reißleine ziehen, weil ihnen die EU die Handlungsfreiheit eingeschränkt hat. Aber ohne Hilfe der EU hätten die Mechanismen in Portugal, die weitere Verschuldung, zu einer Insolvenz von Portugal geführt.
Das Beispiel zeigt jetzt zwei Dinge: Erstens, wie schnell ein Fiskalsystem kippen kann, weil, wie ich es schon in der Aktuellen Stunde gesagt habe, bei einer Verschuldung von über 60 Prozent nur ein geringer Anstoß, egal, ob von außen oder von innen, notwendig ist, um die Verschuldung explosionsartig ausufern zu lassen. Zweitens zeigt das Beispiel, dass die EU-Hilfen ein unumgänglicher Helfer in der Not sind, denn ohne diese wäre es Portugal, das heute ein Reformmusterschüler ist, nicht gelungen, sich am Finanzmarkt wieder Luft zu verschaffen. Bei der jüngsten Überprüfung seiner Reformen hat Portugal bestanden. Das heißt, die Quartalstests unter Aufsicht der Europäischen Union und des Internationalen Währungsfonds sind trotz der wirtschaftlich schwierigen Lage erfolgreich gewesen.
Es ist schön, es freut uns und es sollte alle freuen, wenn man sieht, dass sich das Engagement für die Solidarität innerhalb der EU auszahlt und dass auch heute Österreich seine Exporte nach Portugal in den Bereichen Energieeffizienz oder Industrie und Produktionsgebäude wieder erfolgreich erhöhen kann, wo österreichische Betriebe auch eine zentrale Rolle spielen.
Jetzt kommen wir zu Wien: Der Österreichische Stabilitätspakt ist ein zielgerichtetes Maßnahmenpaket, das allerdings klarerweise auch die Bundesländer in die Pflicht nimmt. Da ist es für Wien, auch angesichts der Debatten, die wir hier geführt haben, schon problematisch, dass es eine solche Neuverschuldung gibt. Der Rechnungshof hat Wien ein schlechtes Zeugnis ausgestellt, vor allem bei der Einhaltung der Verwaltungsreform. Es wurde darin festgehalten, dass Wien das Ziel der vereinbarten Verwaltungsreform nicht erreicht hat. Der Aktivitätsaufwand, das sind die Personalausgaben und die korrespondierenden Sachausgaben, war im Jahr 2010 immerhin um 10,8 Prozent höher als vereinbart. Mit anderen Worten, Wien hat sein Einsparungsziel verfehlt (Abg Dipl-Ing Martin Margulies: Aber nicht überall!) und liegt schlechter als die anderen Bundesländer, schlechter als Salzburg, Steiermark und andere Bundesländer, und zwar hat Wien mit 588 Millionen EUR, und das ist kein geringer Betrag, den Zielwert verfehlt und liegt mit 588 Millionen EUR über dem Zielwert.
Dazu muss man sagen, es ist ein nicht vorhandener Wille zum Sparen gewesen, denn während die Wiener Pensionsprivilegien erst 2042 besiegelt werden sollen, ist das im Bund bereits festgesetzt mit 2028. Also, diese Sonderstellung ist durch nichts zu erklären. Das ist ganz eindeutig mangelnder Wille.
Das Nächste ist, dass die antiquierten Zulagen, die es teils gibt, sehr skurrile Zulagen bei Wiener Beamten, wie zum Beispiel Arbeit am Computerbildschirm, auch nicht eingespart wurden.
Außerdem muss Wien an der Erhöhung des Pensionsantrittsalters arbeiten, denn während Beamte in Wien im Durchschnitt mit 57 Jahren in Pension gehen, gehen sie im Bund im Schnitt mit 60 Jahren in Pension, also auch ganz klar nicht zu verstehen.
Das heißt, Wien muss strategisch Sparen und Investieren lernen. Es hat nämlich keinen Sinn, sich ständig hinter irgendeiner Rhetorik zu verstecken und schönzureden, was einfach nicht schön ist. Es macht aber auch keinen Sinn, irgendwelche veraltete Erklärungsmodelle aus der Schublade zu holen, die am Finanzmarkt längst keine Rolle mehr spielen. Beispiel: Was gibt es in Bratislava? Eine gute Infrastruktur, eine Flat Tax, ausgebildete Arbeits- und Führungskräfte und eine Staatsverschuldung von 47,6 Prozent.
Was heißt das? Auf dem Papier gibt es zwar gute Gründe, in Wien zu leben, weil Wien eine lebenswerte Stadt ist, aber für die Wirtschaft gibt es genug Gründe, Wien den Rücken zuzudrehen. Wien ist eine lebenswerte Stadt. Die Wirtschaft braucht aber eine wettbewerbsfähige Stadt, in der sie frei atmen kann. Das heißt, Wien muss den Österreichischen Stabilitätsmechanismus ernst nehmen, muss seine Hausaufgabe machen, mithelfen, dass die Schulden reduziert und nicht erhöht werden, denn auch der europäische Vergleich zeigt, wer seine Hausaufgaben macht und konsequent an seiner Wettbewerbsfähigkeit arbeitet, steht letztendlich in Krisenzeiten auch besser da. - Vielen Dank! (Beifall bei der ÖVP.)
Präsident Johann Herzog: Zum Wort gemeldet ist Herr Abg Dipl-Ing Margulies. Ich erteile es:
Abg Dipl-Ing Martin Margulies (Grüner Klub im Rathaus): Herr Präsident! Frau Berichterstatterin! Sehr geehrte Damen und Herren!
Selten eine Abgeordnete der Opposition gehört, die einer Vereinbarung euphorischer zustimmt als der Regierungspartner. Wir werden auch diesem vorgelegten Stabilitätspakt zustimmen, allerdings erspare ich uns allen trotzdem nicht das eine oder andere kritische Wort dazu.
Vorweg ein paar Punkte, wo ich glaube, dass es notwendig und sinnvoll war, diese in den Verhandlungen mit dem Bund, mit den anderen Ländern gemeinsam zu ergänzen, weshalb es auch für uns als GRÜNE durchaus möglich ist, diesen Stabilitätspakt mitzutragen.
Was wollte der Bund ursprünglich? Der Bund, insbesondere die ÖVP-Finanzministerin, wollte etwas, das gerade auf europäischer Ebene zu diesem Zeitpunkt so üblich war. Ich glaube übrigens, dass jetzt, zwei Jahre vor den ersten Verhandlungen über diese Art Schuldenbremse, Stabilitätspakt et cetera, die Diskussion anders laufen würde und auch anders geführt wird in Europa. Damals hat sich die Finanzministerin meines Erachtens nach vergaloppiert, wollte eine unwiderrufliche, nicht mehr veränderbare, in die Verfassung geschriebene Schuldenbremse. Das gibt es Gott sei Dank alles nicht.
Was heute hier vorliegt, ist ein Stabilitätspakt, ergänzt, und ein Wachstumspakt der Landesregierung, ein Stabilitätspakt, der nicht schlimmer ist, unter Anfüh
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