Landtag, 18. Sitzung vom 22.11.2012, Wörtliches Protokoll - Seite 28 von 74
rungszeichen, als viele andere, wo wir auch noch dagegen gestimmt haben. Ich kann mich erinnern, wie es mich gestört hat, einem Stabilitätspakt zuzustimmen, wo Wien verpflichtet wird, 350 Millionen EUR Überschuss zu machen, wo es doch auch zum damaligen Zeitpunkt notwendig und sinnvoll war, in Wien zu investieren. Jetzt einem Stabilitätspakt zuzustimmen, der de facto über einen längeren Zeitraum Ausgaben reduzieren soll, sodass Wien über einen langfristigen Bereich kein weiteres Defizit macht, ja, was soll's, ganz ehrlich, insbesondere, wo Länder und Gemeinden in Österreich Körperschaften sind, die weit mehr als 50 Prozent bei den Einnahmen vom Bund abhängig sind, von etwas, das der Bund beschließt. Letztendlich entscheidet der Bund einzig und allein darüber, ob eine Stadt wie Wien, ob ein Land wie Niederösterreich, ob eine Gemeinde wie St Pölten oder jede oberösterreichische, egal, langfristig positiv bilanzieren kann oder nicht, weil es von den Einnahmen abhängt.
Nur ein Beispiel, ich habe es immer wieder gebracht: Für kein einziges Bundesland, keine Stadt in Österreich, keine Kleingemeinde wäre es ein Problem, positiv zu bilanzieren, würde der Bund eine 1-prozentige Vermögenssteuer einführen und diese aufteilen, wie die sonstigen Steuermittel und Ertragsanteile aufgeteilt sind.
Das heißt, es ist viel Spielraum da. Deshalb ist der jetzt vorgelegte Stabilitätspakt meines Erachtens nach der größten Giftzähne entschärft und daher durchaus auch, gemeinsam mit den anderen Ländern und Gemeinden, zu akzeptieren.
Was war uns wichtig: Wichtig war, dass nicht etwas geschaffen wird, wo Länder und Gemeinden seitens des Bundes einseitig erpressbar werden. Das heißt, Bund sagt, Finanzausgleichsländer und Gemeinden kriegen weniger Geld, Länder und Gemeinden müssen trotzdem ausgeglichen bilanzieren, fresst oder sterbt! Wollten wir nicht, ist raus. Wann immer der Bund glaubt, ein- oder ausgabenseitige gravierende Veränderungen ohne Länder und Gemeinden vornehmen zu wollen und ein Vertragspartner sagt Nein, ist dieser Vertrag obsolet. Ich halte das für sinnvoll und für zielführend. Alles andere wäre auch nicht machbar, außer man würde wirklich die gesamte Finanzarchitektur in Österreich so umstellen, dass wirklich jede Körperschaft darüber selbst entscheiden könnte, welche Einnahmen und welche Ausgaben sie hat. Solange es so ist, dass man in Wirklichkeit als Partner einnahmenseitig abhängig ist und noch dazu weiß, dass in Krisenzeiten die Ausgaben, die auf Kommunen und auch auf Länder zukommen, im Sozialbereich meist deutlich steigen, während die Einnahmen sinken, wäre eine Regelung, die nicht kündbar wäre, gänzlich absurd.
Ein weiterer Punkt, wo ich glaube, dass dieser Stabilitätspakt an der Realität vorbeigeht, ist, wenn man sich die Entwicklung innerhalb der Europäischen Union anschaut, nicht nur in der Europäischen Union, eigentlich kann man sich die Weltwirtschaft in den vergangenen zwei, drei Jahren, seit Krisenbeginn, anschauen. Sie können mich gern in drei, vier Jahren zitieren. Ich bin davon überzeugt, dieser Stabilitätspakt hat eine Halbwertszeit von maximal zwei Jahren. (Abg Mag Wolfgang Jung: Das glaube ich Ihnen sogar!) Wir sind längst nicht aus der Krise heraußen. Wir müssen europaweit investieren. Die einzige Art und Weise, wie dies ausgeglichen budgetiert werden kann, ist, nicht zu sparen, weil sonst kein Geld da ist, um zu investieren, sondern ist, Einnahmen zu lukrieren. Nur dann, wenn sozial gerecht zusätzliche Einnahmen lukriert werden können, wird dieser Stabilitätspakt seitens der Bundesregierung zu halten sein. Auf Basis dessen, wie jetzt die Schätzung der zukünftigen Wirtschaftsentwicklung in Österreich von IHS und WIFO ist, und wenn man sich anschaut, wie viel fixe Kosten zur Bankenrettung, Volksbanken, Hypo Alpe-Adria, in den letzten Wochen und Monaten noch dazugekommen sind, von denen ursprünglich gar nicht die Rede war, sage ich Ihnen schon jetzt, der Bund wird der Erste sein, der den Stabilitätspakt verletzen und nicht einhalten wird.
Nichtsdestoweniger wird es möglicherweise sinnvoll sein, diesen Stabilitätspakt nicht einzuhalten, weil eine Politik, die dazu führt, dass man das Einzige, was Wachstum generieren kann, beschneidet, nämlich Investitionen, auch im Dienstleistungsbereich, im Bildungsbereich, im Gesundheitsbereich, wird dazu führen, dass sich die Krise verschärft. Wir erleben das. Mittlerweile kann man sagen, das ist empirisch bewiesen.
Schauen wir uns Griechenland an: Griechenland ist auf Grund der Austeritätsvorgaben, und da hat der IWF geglaubt, er tut etwas Gescheites, da haben manche Länder in der Eurozone geglaubt, sie tun etwas Gescheites, glaube ich, das 5. oder 6. Jahr hintereinander in der Rezession mit einem BIP-Verlust von mittlerweile an die 30 Prozent im Vergleich zu vor 5 Jahren. Und nichts wird besser. Es wird immer schlimmer. Das droht uns in Wirklichkeit, wenn wir diese Belastungspolitik, Einsparpolitik fortsetzen, auch im gesamten Europa.
Ich will auch noch einen Satz zum vielzitierten Sparen des Staates sagen: Da wird oft mit Begriffen, die durchaus im Privatbereich für den einen oder anderen im Sinne von Vorsorge positiv besetzt sind, herumgeworfen, die überhaupt nicht der Funktion eines Staates entsprechen.
Schauen wir uns doch die Realität an. Wenn ein Staat Überschüsse macht, sagen wir, er wäre relativ schuldenfrei, kann man sagen, wenn er Überschüsse macht, zahlt er ein bisschen Schulden zurück. Aber prinzipiell, wenn ein Staat Überschüsse macht, was ist die Reaktion, zum Teil zu Recht die Reaktion der Bevölkerung? Der Wunsch nach einer Steuersenkung, weil es nicht Aufgabe des Staates ist, das Geld zu sparen. Warum soll der Staat Geld sparen? Für wen? (Abg Mag Barbara Feldmann: Für die Minister!) Für einen Staat ist es unintelligent, seinen eigenen Bürgern und Bürgerinnen Geld wegzunehmen, um es auf die Seite zu legen. (Abg Dkfm Dr Fritz Aichinger: Wir haben genug zu tun!) Das ist tatsächlich unintelligent. Es ist notwendig, Geld möglicherweise einzunehmen, um die Schulden im Zweifelsfall zurückzuzahlen, aber Sparen im Sinne von dem, was oft gesagt wird, doch nicht. Der Private spart. Wenn mir Geld übrig bleibt - es ist nicht sehr viel, ich habe
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