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Landtag, 19. Sitzung vom 13.12.2012, Wörtliches Protokoll  -  Seite 38 von 46

 

das aus dem Grundbuchsrecht, bei eher administrativen Tätigkeiten, aber ich kann doch nicht einen Rechtspfleger letztendlich über Strafen entscheiden lassen! Der Richter kann das natürlich an sich ziehen, aber dann ist die nächste Frage zu stellen: Wie oft wird das passieren? Man weiß ja noch nicht einmal, wie viele Richterstellen es gibt und so weiter. Das ist ja alles völlig offen. Das heißt, der Rechtsschutz für die Bürger, die sich sofort bei einem unabhängigen Gericht beschweren können sollen, wird hier massiv ausgehöhlt.

 

Und natürlich, das Kernstück ist der Geschäftsverteilungsausschuss – als Jurist muss man sagen: Man muss erst einmal auf die Idee kommen, das so zu machen! Das zeugt schon von einiger Phantasie, dass man sagt: Zwei zu zwei – zwei gewählte Mitglieder sowie der Präsident und der Vizepräsident. Die stimmen offen ab, so der Showdown: Da sitzen der Präsident und der Vizepräsident, und die zwei Gewählten sollen sich einmal trauen, gegen den Präsidenten abzustimmen, der ja dann die Dienstaufsicht und alles sozusagen ausübt! Und wenn sie das tun, sticht erst recht der Präsident, und dann sind die zwei Gewählten gleich abgewählt und müssen neu gewählt werden. Das ist ja wirklich hanebüchen! Das ist eigentlich unbeschreiblich.

 

Wie ist es ganz neutral auf der Bundesebene? Präsident, Vizepräsident, fünf gewählte, und die Mehrheit entscheidet – und nicht so ein eigenartiges Procedere, das, da bin ich mir sicher, einer verfassungsrechtlichen Überprüfung nicht standhalten wird.

 

Aber das kann es doch auch nicht sein, dass man da jetzt ein Gesetz beschließt, wo eigentlich Experten – das sind nicht Politiker, die das sagen, sondern Experten aller Provenienz und aller Fachrichtungen – sagen, das hat mit einer verfassungskonformen Gerichtsorganisation überhaupt nichts zu tun. So nach dem Motto: Die sollen einmal anfangen, dann lassen wir die Richter zappeln und irgendwann kommt der Verfassungsgerichtshof.

 

Aber das ist eine Vorgangsweise, die wir schon kennen, nämlich von der Volksbefragung. Da brütet jetzt der Berufungssenat, den es dann nicht mehr geben wird, ewig, bis ganz Wien eine Kurzparkzone ist, und dann wird irgendwann einmal möglicherweise der Verfassungsgerichtshof angerufen werden dürfen. Das ist das Rechtsschutz- und Rechtsverständnis der Wiener Stadtverwaltung und der Mehrheit in diesem Hause!

 

Traurig ist eben, dass da auch Abgeordnete mittun. Eigentlich wäre das jetzt eine Sternstunde des Parlamentarismus, dass wir trotz aller Verbundenheit der Verwaltung und der Beamtenschaft gegenüber schon zeigen, wer die Kontrolle ausübt, nämlich wir und nicht die Beamten! (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

 

Da ich gerade den Herrn Präsidenten da sitzen sehe: Ich hätte mir das als Landtagspräsident schlichtweg nicht gefallen lassen! (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

 

Präsident Johann Herzog: Zum Wort gemeldet ist Herr Abg Dr Stürzenbecher. Ich erteile es ihm.

 

12.46.58

Abg Dr Kurt Stürzenbecher (Sozialdemokratische Fraktion des Wiener Landtages und Gemeinderates)|: Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Frau Landesrätin!

 

Ich werde versuchen, diese Debatte wieder auf eine sachliche Ebene herunterzubrechen. (Heiterkeit und Zwischenrufe bei der FPÖ.) Es hat ja auch eine sehr lange sachliche Debatte vor dem heutigen Beschluss gegeben. Wir diskutieren die Sache Landesverwaltungsgerichtsbarkeit seit sehr vielen Jahren, ich glaube sogar, seit Jahrzehnten. Es hat schon im Österreich-Konvent eine Debatte über zweistufige Verwaltungsgerichtsbarkeit gegeben. Ich konnte an dieser Debatte teilnehmen.

 

Da hat man wirklich auf hohem fachlichen Niveau etwa das vorgezeichnet, was wir heute – wie der Nationalrat – endgültig in Gesetzesform gießen. Es war sogar im Österreich-Konvent mehr oder weniger die Auffassung vorherrschend, dass man manche der Institutionen, die heute sozusagen aufgelöst werden, nämlich ab 1. Jänner 2014 – wie der Vergabekontrollsenat oder die Bauoberbehörde –, in Form eines Spezialsenates sogar noch relativ eigenständig im neuen Landesverwaltungsgericht dann haben wird. Das war im Österreich-Konvent noch die durchaus ernsthaft erwogene Variante. Dazu ist es nicht gekommen. Man hat jetzt doch im Sinn der Einheitlichkeit alles komplett eingegliedert.

 

Man muss sagen: Insgesamt ist diese neue Verwaltungsgerichtsbarkeit, diese neue Struktur ein großer Wurf sowohl für den Bund als auch für die Länder und damit natürlich auch für das Land Wien. Wir können wirklich stolz sein, dass wir heute dieses Gesetz beschließen. (Abg Mag Dietbert Kowarik: Wir nicht!)

 

Wenn man ein bisserl rekapituliert, muss man sagen: Der Hauptgrund für die Reform war die chronische Überlastung des Verwaltungsgerichtshofes. Der ist, obwohl die Leute dort sehr, sehr viel leisten, chronisch überlastet gewesen, auch auf Grund der Struktur. Das bedeutet, dass in der Praxis die Rechtssuchenden oft jahrelang warten mussten, bis der Verwaltungsgerichtshof endlich entschieden hat und sie zu ihrem Recht gekommen sind.

 

Die Ziele waren die Verfahrensbeschleunigung, der Ausbau des Rechtsschutzsystems und ein verstärktes Bürgerservice. Das alles wird durch unseren heutigen Beschluss erreicht. Es ist natürlich auch so zu sehen, dass wir jetzt quasi der letzte Schritt in einem vorgezeichneten Weg sind.

 

Es hat ja der Bundesgesetzgeber auf Verfassungsbestimmung schon im Frühjahr die Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle geschaffen, die eben vorzeichnet, was wir heute im Detail auch noch im organisationsrechtlichen Sinn umzusetzen haben. Da geht es vor allem darum, dass schon vom Bundesgesetzgeber definiert wurde, welche Behörden bei uns damit aufgelöst werden. Das sind die Bauoberbehörde, die Oberschiedskommission, die Abgabenberufungskommission, der Berufungssenat, die Leistungsfeststellungskommission beim Stadtschulrat für Wien, die Disziplinaroberkommission, der Dienstrechtssenat und der Vergabekontrollsenat. All diese wird es also ab 1. Jänner 2014 in dieser Form nicht mehr geben, sie werden in das Landesverwaltungsgericht eingegliedert.

 

Auf Basis dieses Bundesbeschlusses, den wir zu 100 Prozent umgesetzt haben, treffen wir heute, glaube ich, eine sehr gute landesgesetzliche Regelung. Nach

 

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