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Landtag, 22. Sitzung vom 27.02.2013, Wörtliches Protokoll  -  Seite 17 von 28

 

(Abg Mag Wolfgang Jung: Sie tacuisses!)

 

Ich lasse hier einen Flüchtling von jenen zu Wort kommen, die in der Votivkirche seit zweieinhalb Monaten Schutz suchen vor Verfolgung, die in Verzweiflung sind und in diesem weltoffenen Wien Schutz finden wollen. – Ich zitiere: „Mein Name ist Adalat Khan. Ich komme aus dem Norden Pakistans, nahe der Grenze zu Afghanistan. Meine Region im Speziellen ist der Bezirk Swat im Swat-Tal. Gegen 2005 sind immer mehr radikal-religiöse Gruppen in die Region geströmt, die offen gegen die normalen Menschen vorgegangen sind.

 

Daraufhin sind natürlich auch die staatlichen Sicherheitskräfte gekommen, und die Zivilgesellschaft ist zwischen die Fronten geraten. Wir haben viele Familienmitglieder verloren, wir haben viele Freunde verloren. Wir haben aber einfach auch unser normales Leben, unsere Firmen, Geschäfte und Arbeitsplätze verloren.

 

Die Leute sind über die ganze Welt verstreut worden. Das größte Problem ist einfach die Instabilität. Viele Menschen sind nach Saudi-Arabien, Malaysia und Singapur geflohen, aber auch nach Europa und Amerika. Das große Problem ist die Instabilität, es ist auch nicht so einfach, in andere Regionen Pakistans zu gehen, weil Menschen aus unserer Region dort vom staatlichen Sicherheitsdienst verfolgt werden. Tausende Menschen wurden dort bereits ermordet.

 

Wir wünschen uns einen legalen Status, einfach ein normales Leben. Kann das denn nicht möglich sein, dass wir ein normales Leben führen? Darüber wollen wir mit den Österreichern sprechen. Ich habe acht Jahre Flucht hinter mir. Zuerst war ich in Griechenland. Und eigentlich ist es in Griechenland und hier genauso wie in meiner Region. Nirgendwo kann man ein normales Leben führen.

 

In Griechenland ist es besonders gefährlich. Rechtsextreme Gruppen überfallen die Häuser, Flüchtlinge sterben, ihr Leben ist in Gefahr. Auch hier haben wir Angst, vor Rechtsextremen, vor der Polizei. Man setzt uns Repressionen aus und versucht, uns zu vertreiben. Aber wir wollen eine Lösung. Und wir wollen das den Österreichern erklären. Die Leute reden von der Wirtschaftskrise. Manche glauben, wir seien Terroristen. Manche glauben, dass wir einen schlechten Charakter haben. Deswegen ist es jetzt einfach wichtig, den Leuten zu erklären: Wir sind Flüchtlinge, wir haben unsere Familien verloren, und wir haben unser normales Leben verloren. Und wir wollen der Innenministerin sagen, dass wir einfach nur Menschrechte wollen.

 

Das ist eine sehr gefährliche Situation. In meiner Region tötet man Menschen mit der Waffe. Und hier tötet man Flüchtlinge mit der Füllfeder. Die Leute leben hier zehn, elf Jahre ohne Antwort, ohne Perspektive, ohne dass sie etwas tun können. Was man uns zugesteht, sind bestenfalls die Rechte von Tieren, aber keine Menschenrechte, keine Rechte normaler Menschen. Wir bitten die Gesellschaft, die Politiker, die staatlichen Autoritäten, uns einen legalen Status zu geben. Wenn man uns den legalen Status vorenthält, was werden die Leute dann tun? Jahrelang von Grenze zu Grenze ziehen, ist das nicht eine Schande?

 

Wir haben ja auch wirtschaftliche Möglichkeiten, etwas beizutragen. Wir können und wollen etwas tun für die österreichische Gesellschaft. Ich zum Beispiel hatte eine Firma in Pakistan. Das kann ich auch hier versuchen. Nichts Großes, aber etwas, wovon ich leben kann. Wir wollen nicht von der staatlichen Sozialhilfe leben. Wir wollen selbst etwas arbeiten, selbst unseren Lebensunterhalt verdienen

 

Die Österreicher sind sehr hilfsbereit, aber die normalen Leute haben ein ordentliches Leben und selbst genug zu tun und können nicht so genau hinsehen, wie es den armen Leuten geht. Wir glauben an Menschlichkeit, wir glauben, dass man sich zusammensetzen und reden muss. Deshalb würden wir den Österreichern gern sagen, dass es Zeit ist, gemeinsam etwas zu verändern. Es geht darum, gemeinsam eine menschliche Lösung zu finden. Deshalb bitten wir die Österreicher: Schließt nicht eure Augen, und schließt nicht eure Ohren!"

 

Ich möchte Sie daher bitten, Ihre Augen und Ohren nicht zu schließen! Und ich möchte vor allem die ÖVP bitten: Schließen Sie Ihre Augen und Ohren nicht! Vor allem ist nämlich ein gemeinsames Vorgehen wichtig, damit Menschen in diesem Land menschlich behandelt werden.

 

Ich bin wirklich sehr, sehr irritiert und enttäuscht und entsetzt, dass sich die Wiener ÖVP entschlossen hat, diesfalls die Politik der FPÖ weiterzubetreiben! – Ich möchte hier noch etwas vorlesen, damit Sie sehen, was die ÖVP auch sein könnte und was die ÖVP einmal war. Ich lese Ihnen jetzt eine SMS Ihres ehemaligen Kulturstadtrates Peter Marboe, der mir geschrieben hat: „Lieber so erfreulich engagierter Herr Kollege! Ein kurzer Text folgt anschließend zu Ihrer freien Verfügung: Der unmissverständliche Hinweis, dass vor Gott alle Menschen gleich sind, gehört zu den wichtigsten Lehrsätzen der Bibel. Ich unterstütze jede Initiative, die dazu beitragen kann, die Situation der Menschen in der Votivkirche, wo sie Schutz gesucht haben, zu verbessern. Insbesondere appelliere ich auch an die politischen Entscheidungsträger, Vorsorge zu treffen, dass Menschen, die auf der Flucht sind und Hilfe brauchen, eine menschenwürdige Aufnahme finden, vor allem was Unterbringung, soziale und medizinische Betreuung sowie eine temporäre Arbeitsbewilligung betrifft, gewiss im Rahmen der Gesetze, die man aber, wenn sie nicht reichen, auch ändern kann und muss. Und jede offene, auf christlich humanistischen Werten beruhende Gesellschaft muss auch immer die Möglichkeit haben, in besonderen Härtefällen Gnade vor Recht ergehen zu lassen. Peter Marboe.“

 

Liebe Wiener ÖVP! Es wäre Zeit, dass Sie sich entscheiden, sich wieder zu diesen christlichen Grundwerten zu bekennen! (Zwischenruf von Abg Armin Blind.) Ansonsten kann ich nur sagen: Wien ist eine weltoffene Stadt. Wir haben ein großes Herz. Wir wollen Menschen, die Asyl suchen, hier aufnehmen. Wir werden aber auch jenen ehemaligen Wählerinnen und Wählern der ÖVP, die sich mit Ihrer jetzigen Solidarisierung mit der FPÖ nicht mehr identifizieren können, gerne Asyl geben. – Danke schön. (Beifall bei GRÜNEN und SPÖ.)

 

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