Landtag, 23. Sitzung vom 05.04.2013, Wörtliches Protokoll - Seite 24 von 36
lich anlehnt, hat ja die Franziskaner gegründet. Ein Bettelorden, und die geben das auch noch zu. Nach Ihrer Logik ist das gewerbsmäßiges Betteln, und das gehört nach Ihrer Logik abgeschafft, samt den Dominikanern, die auch betteln und die das sogar in ihren Statuten drinnen haben. Die haben das in ihren Statuten drinnen.
Da sieht man wieder, wie weltfremd das Denken der FPÖ ist, und vor allem, wie beliebig. Die staatstragende FPÖ will ja eigentlich viel, viel mehr, nämlich ein allgemeines Bettelverbot. Aber der Herr Gudenus nimmt gegenüber der APA zur Kenntnis, dass das nicht verfassungskonform ist. Ich zitiere: „Das nehmen wir natürlich als Anhänger des Rechtsstaates zur Kenntnis.“ Gut. Was soll er auch anderes tun? Das ist eben zu Kenntnis zu nehmen. Der Verfassungsgerichtshof sagt nämlich: „Ein umfassendes Verbot jeglichen Bettelns an öffentlichen Orten verstößt gegen den Gleichheitsgrundsatz und das Recht auf Kommunikationsfreiheit.“
Wir haben das Landes-Sicherheitsgesetz 2010 beschlossen, nach sehr langem Abwägen aller Vor- und Nachteile. Natürlich ist jeder Bettler eine Provokation, sehr geehrte Damen und Herren. Er bittet uns um etwas und erinnert uns daran, dass es anderen sehr schlecht geht. Das ist nicht angenehm. Aber ein unangenehmes Gefühl darf nicht dazu führen, anderen etwas zu verbieten, was sie verfassungsgemäß dürfen. Die Bundesverfassung ist ein Regelsystem, gewachsen aus Erfahrungen. Eine der Erfahrungen lautet: Die Freiheit und Würde der Menschen ist unantastbar. Denn, wenn man einmal damit anfängt, anderen ihr Leben zu verbieten, wo soll das enden? Es gibt viele Dinge, die mich stören. Es gibt auch viele Dinge, die andere stören. Wenn die alle verboten werden, ist die Diktatur perfekt.
Apropos Diktatur: Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten erließ das preußische Innenministerium am 1. Juni 1933 eine Verordnung zur Unterdrückung des öffentlichen Bettelunwesens. Zur Unterdrückung des öffentlichen Bettelunwesens!
Ihre 1. Anfrage an den Herrn Landeshauptmann: Das Bettelunwesen nimmt in Wien dramatische Ausmaße an. (Abg Mag Wolfgang Jung: Stimmt ja!) Jetzt frage ich Sie, ist diese Wortwahl Zufall oder ist Ihnen das passiert? (Abg Mag Johann Gudenus, MAIS: Das ist ja so tief!) – Bettelunwesen!
1933 wurde in Deutschland das Betteln vor Kirchen verboten, denn Einkaufszentren hat es ja nicht viele gegeben. Es hat das Bild vom sauberen Deutschland gestört, wenn Arme und Zerlumpte öffentlich zu sehen sind. Wir leben in einem geeinten Europa. Da gibt es eben Freiheiten, die manchen vielleicht nicht gefallen. Bei uns zerschneiden sogar Männer einander die Gesichter und finden das okay. Sie dürfen auch Werbung für ihre grenzwertigen Hobbys machen. (Abg Mag Dietbert Kowarik: Das hat der Viktor Adler auch gemacht!) Ich finde, das ist eine viel gefährlichere Bedrohung für unsere Jugend als Bettler auf der Mariahilfer Straße, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Abg Mag Johann Gudenus, MAIS: Student Häupl!) Die Tradition des Bettelns ist übrigens viel älter als die schlagenden Verbindungen.
Auf der anderen Seite frage ich mich: Haben die Herren, die Damen von der FPÖ keine anderen Probleme? Sie kündigen an, das Thema Betteln bundesweit durch eine parlamentarische Initiative zum Thema zu machen. Vielleicht eine ironische Anregung meinerseits: Die englische Gesetzgebung hat im 16. Jahrhundert Bettler und Landstreicher sogar durch Auspeitschung und Brandmarkung bestraft. – Danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei SPÖ und GRÜNEN.)
Präsident Johann Herzog: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abg Dr Aigner. Ich ersuche darum.
Abg Dr Wolfgang Aigner (Klubungebundener Mandatar): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren!
Es kommt nicht allzu oft vor, dass es mir die Sprache verschlägt. Jetzt ist es fast so weit. Ich finde es eigentlich schon irgendwie arg, was die Frau Kollegin Yilmaz da von sich gegeben hat. Es ist ja auch völlig im Widerspruch zu dem, was unser Landeshauptmann heute gesagt hat, der ja sehr wohl zugestanden hat, dass es ganz massive Missstände gibt. Und wenn es Missstände gibt, dann ist ja wohl der Terminus Unwesen durchaus eine sehr dezente Sprachweise, die auch der Political Correctness entsprechen sollte.
Bei diesen neuen Formen der Bettelei geht es ja nicht um den österreichischen Schnorrer, den es, wie man fast sagen muss, leider ja gar nicht mehr gibt. Es geht um ganz andere Dinge. Es geht um organisierte Bettelei, es geht um Betteln mit Kindern, es geht um Belästigung, es geht um Belästigung von Öffi-Benutzern. Auch das ist ja nicht angenehm, wenn man in der U-Bahn im Gedränge dauernd von Musikanten angegangen wird, oder wenn da Leute anfangen, ihre Behinderungen auszupacken. Das sind ja alles neue Unsitten, wo sich ja wirklich auch Menschen im Hintergrund überlegen, wie man an die Geldbörsen der Menschen in anderen Ländern herankommt. Und da ist es unsere Aufgabe als gewählte Mandatare, sich dieser Problematik zu stellen, im Bereich der Gesetzgebung, aber natürlich auch im Bereich der Vollziehung. (Beifall bei der FPÖ.)
Es ist genauso ungeheuerlich, wenn man das Sammeln für den Stephansdom, für das Rote Kreuz, für die Malteser mit dieser Form von Bettelei, auf die sich die Gesetze beziehen, in einen Topf wirft. Da bleibt einem ja auch wirklich die Sprache weg. Warum man da die Orden heranzieht, dazu sage ich jetzt gar nichts. Aber es ist die Kollegin Yilmaz ein Beweis dafür, dass die These vom Kollegen Ulm ganz genau richtig ist: Es mangelt auch in Wien am politischen Willen, die Gesetze zu beschließen. Und wenn sich die Mehrheit hier im Haus innerlich mit dem eigenen Landes-Sicherheitsgesetz nicht identifiziert, dann darf man sich nicht wundern, dass die Vollzugsorgane natürlich auch diese Botschaft mitbekommen. Und dass der Landeshauptmann mit der Wiener Polizei gar nichts zu tun hat, ist ja auch weder faktisch noch juristisch richtig. Ich darf Sie daran erinnern, dass laut Bundesverfassung der Wiener Polizeipräsident im Einvernehmen mit dem Wiener Bürgermeis
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