Landtag, 40. Sitzung vom 02.07.2015, Wörtliches Protokoll - Seite 11 von 53
Wie hoch schätzen Sie heuer für Wien die Zahl derer ein, die theoretisch auch noch mindestsicherungsanspruchsberechtigt wären?
Präsidentin Marianne Klicka: Bitte, Frau Stadträtin, um die Beantwortung.
Amtsf StRin Mag Sonja Wehsely: Nur zur Einleitung: Das, was Sie jetzt ansprechen, bringt Wien auf der anderen Seite dann immer wieder in die Kritik, die meines Erachtens vollkommen unberechtigt ist, weil Wien das einzige Bundesland ist, das die Mindestsicherung so vollzieht, wie es vorgesehen ist, dass möglichst alle, die Anspruch haben, das Geld auch bekommen.
Würde Niederösterreich dieselbe Inanspruchnahme haben, dann wären wir bei ganz ähnlichen Zahlen. – Wir stellen insbesondere in den Städten diese Entwicklungen fest. Das kann man sich in Innsbruck ansehen, und das gilt sogar – ich weiß nicht, ob jetzt Vorarlberger zuhören! – für Bregenz, wenn das auch keine Stadt in unserem Sinn ist. Wir haben jedenfalls in allen Städten solche Entwicklungen. In Wien stellen immerhin über 80 Prozent entsprechende Anträge.
Zur Frage, warum es eigentlich so ist, dass es auch Personen gibt, die sich die Mindestsicherung nicht holen, habe ich auch eine Diskussion mit unseren Expertinnen und Experten geführt: Das liegt aller Voraussicht nach daran, dass es sich hiebei ausschließlich um Aufstocker handelt, die daneben noch etwas bekommen wie Arbeitslosengeld oder Notstandshilfe oder die auch ein Einkommen haben und bei denen der Aufstockungsbetrag so gering ist, dass sie sich sagen – und das kann ich menschlich verstehen –: Für 15 EUR, die ich im Monat bekommen würde, nehme ich kein Verfahren auf mich, in dem ich – wie wir ja vorher diskutiert haben – vollkommen alles offenlegen muss, weil ich sonst nichts bekomme.
Das passt zu dem, was wir vorher diskutiert haben, und auch zu der Frage, wer da noch hineinfallen können: Dabei handelt es sich eben um Leute, die nur so einen geringen Aufstockungsbeitrag bekommen würden, dass sie sagen: Ich verzichte lieber auf 15 EUR, bevor ich mich komplett nackt ausziehen und alles offenlegen muss.
Präsidentin Marianne Klicka: Vielen Dank für die Beantwortung, Frau Stadträtin. - Die Fragestunde ist somit beendet.
Ich möchte auch die Jugendlichen, die der Diskussion so interessiert lauschen, und auch die Pädagoginnen und Pädagogen, die sie begleitet haben, ganz herzlich bei uns begrüßen! Ich nehme Ihren Besuch auch zum Anlass, Ihnen morgen ein sicherlich sehr erfreuliches Zeugnis und auf der anderen Seite auch die notwendige Entspannung und Erholung während der Ferien zu wünschen. Glück auf auch für das neue Schuljahr im Herbst! (Allgemeiner Beifall.)
Wir kommen nun zur Aktuellen Stunde. Der Klub der Wiener Freiheitlichen hat eine Aktuelle Stunde mit dem Thema „Temporäre Hilfe für echt Verfolgte – keine Grundversorgung für Wirtschaftsflüchtlinge und Scheinasylanten“ verlangt. Das Verlangen wurde gemäß § 39 Abs 2 der Geschäftsordnung ordnungsgemäß beantragt. Ich ersuche den Erstredner, Herrn Abg Mag Gudenus, die Aktuelle Stunde zu eröffnen, wobei ich bemerke, dass seine Redezeit mit zehn Minuten begrenzt ist. – Bitte, Herr Abgeordneter.
Abg Mag Johann Gudenus, MAIS (Klub der Wiener Freiheitlichen): Danke sehr, Frau Präsidentin. – Meine sehr geehrten Damen und Herren! Werte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseher auf der Galerie!
Das heutige Thema haben wir auch deswegen als Abschluss gewählt, da wir in dieser Woche schon öfter über die Themen Asyl, Grundversorgung und Umgang mit verfolgten, aber auch nicht verfolgten Menschen gesprochen haben. Es gab dazu sehr viele Wortmeldungen. Kollege Ellensohn, Kollege Akkilic, Kollegin Hebein und viele andere haben sich zu Wort gemeldet.
Die Debatte kann grob in zwei Flügel eingeteilt werden: Es gibt da gewissermaßen eine Art Schwarz-Weiß-Malerei: Die einen werfen den anderen vor, schlecht zu sein, und behaupten von den anderen, dass sie rechts stehen und unmenschlich sind. Erstere nehmen für sich in Anspruch, dass sie die Guten und Menschlichen sind. Es wird eingeteilt in Linke und Rechte, die einen sind die Guten, und die anderen sind Hetzer. – Es ist dies also eine relativ polarisierende Debatte.
Ob das der Sache zuträglich ist, wage ich zu bezweifeln. Ich glaube, wir sollten eher unterscheiden und auch feststellen, ob die Debatte zwischen den zwei Flügeln rational oder irrational geführt wird, ob die Argumente vernünftig oder unvernünftig sind.
Nachdem ich mir diese Woche so manche Wortmeldung und Vorschläge von den eben zitierten Damen und Herren angehört habe und hier immer davon gesprochen wird, dass die Türen und Tore für alle offen sein müssen, egal, warum, wann und wie sie kommen, habe ich schon einige Fragen zu stellen.
Herr Ellensohn! Haben Sie schon einmal Flüchtlinge oder illegale Zuwanderer bei sich zu Hause aufgenommen? Haben Sie das getan? Frau Hebein! Haben Sie einmal Flüchtlinge oder Scheinasylanten bei sich zu Hause aufgenommen? – Das wäre interessant! Sie können darauf antworten!
Herr Akkilic! Haben Sie das getan? Haben Sie bei sich zu Hause auf längere Zeit solche Menschen aufgenommen, sie umsorgt und auch gepflegt? – Ich meine, das Einzige, was Sie zustande gebracht haben, war, das neue Wahlrecht zu verhindern! Aber ich glaube, Sie haben es noch nie geschafft, wirklich Schutzbedürftige auf längere Zeit aus eigener Tasche zu finanzieren!
Genau darum geht die Debatte: Sie reden dauernd davon, dass die Menschen, die Steuern zahlen müssen, den Zuzug von heuer mittlerweile – wie vom Bundesministerium für Inneres prognostiziert – 70 000 Menschen, die nach Österreich kommen werden, finanzieren sollten. Da wird mit Argumenten diskutiert, die eher ans Utopische oder an Traumtänzerei herankommen. – Dafür darf aber doch kein Platz in der Politik sein! In der Politik sollte man rational argumentieren, nicht aber darüber diskutieren, ob es machbar ist, 70 000 Menschen – das sind mehr, als in der Stadt Wels leben! – innerhalb von einem Jahr in Österreich aufzunehmen, zu finanzieren
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