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Landtag, 40. Sitzung vom 02.07.2015, Wörtliches Protokoll  -  Seite 19 von 53

 

Und wir wissen nicht, wie viele das sind. Wenn seine Familie nachkommt, dann steht im Grundversorgungsgesetz drinnen, dass denen auch die medizinische Versorgung zusteht, die werden auch mit Nahrung versorgt und mit Unterkünften.

 

Und das wird irgendwann einmal die Kapazitäten erreicht haben, es wird sich nicht mehr ausgehen. Aber wenn wir hier warnen, bevor der Kollaps eintritt, dann sagen Sie, wir dividieren die Gesellschaft auseinander, wir hetzen. – Nein, wir zeigen ein Problem auf, das 2004 schon in einem Buch mit 370 Seiten angeführt wurde. Da finden Sie Beispiele, warum es in Österreich so einfach ist, Asyl zu bekommen.

 

Das gehört dringend abgestellt, und das hat auch die Bundesministerin für Inneres schon festgestellt, da sie gesagt hat, Österreich muss unattraktiver werden. Und daran wollen wir mitarbeiten. (Beifall bei der FPÖ.)

 

Präsident Prof Harry Kopietz: Bevor ich dem nächsten Redner das Wort erteile, freut es mich, im Landtag den Präsidenten des Verwaltungsgerichtes Wiens, Mag Dr Dieter Kolonovits, willkommen zu heißen. (Allgemeiner Beifall.)

 

Zu Wort gelangt Herr Abg Mag Czernohorszky. Bitte, Herr Abgeordneter.

 

10.45.08

Abg Mag Jürgen Czernohorszky (Sozialdemokratische Fraktion des Wiener Landtages und Gemeinderates)|: Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Liebe Gäste!

 

Man könnte sich jetzt Stunden herstellen und versuchen, das zu entkräften, was da an verdrehten Fakten, an Vorurteilen gekommen ist, um überhaupt so weit zu kommen, das zu schaffen, was Kollege Ulm eingefordert hat, nämlich eine sachliche Diskussion. Man könnte sich damit auseinandersetzen, was Sätze bedeuten wie „Wir können doch nicht alle aufnehmen“ oder „Menschen, die da sind, sind zu Unrecht da, werden so durchgefüttert, da es sich um ein besonders attraktives Land handelt“.

 

All diese Dinge könnte man sich genauer anschauen. Das mit dem Durchfüttern könnten wir zum Beispiel auch beziffern, es sind 40 EUR Taschengeld im Monat. Das mit den Zahlen, dass wir alle aufnehmen, kann man auch beziffern, es sind 50 Millionen Menschen weltweit auf der Flucht, neun Zehntel davon in Entwicklungsländern.

 

Aber ich sage Ihnen etwas, das mache ich jetzt nicht, um Stunden zu reden, erstens weil ich nicht darf – ich habe nur mehr vier Minuten –, und zweitens, weil ich glaube, Sie sind nicht dumm und können lesen, zumindest haben Sie gerade ein Buch in die Höhe gehalten und kennen diese Fakten eigentlich alle. Ich unterstelle Ihnen, dass Sie mit all diesen Dingen ganz bewusst spielen, um politisches Kleingeld zu wechseln und das Leid von Menschen für Ihre Sache zu instrumentalisieren. (Beifall bei SPÖ und GRÜNEN.)

 

Ich möchte daher die letzte Rede in dieser Aktuellen Stunde nutzen, um über zwei andere Sachen zu reden, über Politik und über Werte. Ich für meinen Teil bin der Überzeugung, dass Politik dazu da ist, die Welt zum Besseren zu verändern. Und ich habe eine Vorstellung, was eine Gesellschaft ist, die zum Besseren verändert ist. Das ist eine Gesellschaft, in der jeder Platz hat, jeder glücklich ist, und zwar deshalb, weil er nicht unter Druck steht, sondern Chancen hat, sich selbst zu verwirklichen.

 

Eine Arbeit gegen so eine Gesellschaft ist nicht Politik, das ist Zerstörungswerk. Und Politik heißt, Probleme zu lösen. Jetzt gibt es ein Problem. Ein großes Problem, die größte humanitäre Katastrophe unserer Zeit. Die gibt es. Es sind 3,9 Millionen Menschen auf der Flucht, ich habe schon gesagt, der überwiegende Teil davon in der Türkei, im Libanon, in Jordanien. Kollegin Duzdar hat es in ihrer großartigen Rede schon ausgeführt, nur so viel zum Wort „alle aufnehmen“.

 

Aber ja, die Unterbringung ist ein politisches Problem. Übrigens ein ungelöstes Problem. Hunderte, ja tausende Menschen sind derzeit in Österreich nicht adäquat untergebracht, 1 500 Kinder und Jugendliche sind in Traiskirchen, einem Lager, das für ein paar Hundert Leute gebaut worden ist. Jugendliche, für die die gleichen Menschen- und Kinderrechte gelten wie für jedes österreichische Kind – das wird ihnen unterbunden.

 

Das sind viele, aber insgesamt sind momentan 0,27 Prozent der Bevölkerung Asylsuchende. Wenn wir uns diesen Raum vorstellen, 0,27 Prozent, das wäre ein Viertel von einem Menschen von uns, wir müssten noch einmal kommen und noch einmal kommen und noch einmal kommen und noch einmal kommen, dann wären hier 400 PolitikerInnen im Raum – einer wäre es, und um die Unterbringung und die Hilfe dieses Einen ginge es.

 

Jetzt gibt es also dieses Problem, und da gibt es eine erdrückend hohe Anzahl an Politikerinnen oder Politikern, die sehen das zwar, aber die tun nichts oder viel zu wenig. Sie sagen, das Problem gibt es, aber nicht bei mir, „not in my backyard“. Dann gibt es viele, die das Problem sehen, aber zumindest symbolisch noch größer machen – übrigens ist Ihre Innenministerin eine davon. Wer Zelte aufstellt, wenn man eine normale Unterbringung schaffen kann, wie bei allen Flüchtlingswellen davor, der macht ein Problem größer als es ist. (Beifall bei SPÖ und GRÜNEN.) – Die Lösungskompetenz der Landeshauptleute, die aufgestanden und gegangen sind, die sollten Sie sich einmal ins Stammbuch schreiben.

 

Das Schlimme ist, es gibt immer noch welche, die nicht nur das Problem nicht lösen, sondern vom nicht gelösten Problem profitieren, die alles tun, um es aufzublasen: Und das sind Sie mit einer unerträglichen Wortwahl, wie das Hercules-Flugzeug-Beispiel, in dem sich die Zurückgeschobenen doch anurinieren sollen oder schreien, so laut sie wollen, wie die Demo in Erdberg. (Abg Mag Wolfgang Jung: Das ist schon wieder die Unwahrheit!)

 

Und es gibt Leute, und auf die ist der Kollege Ellensohn schon eingegangen, die die Probleme lösen. Die vielen Bürgermeister, zum Beispiel von Puchenstuben, der Andi Babler in Traiskirchen schafft es, in so einer Situation, die ich gerade vorher geschildert habe, die Bevölkerung nicht gegen die Flüchtlinge aufzubringen, sondern solidarisch zu vereinen, der Dieter Posch in Neudörfl, und der Michael Häupl, als Bürgermeister einer Stadt, die die Flüchtlingsquote immer erfüllt hat. Und das Absurde ist nicht, dass Wien das gemacht hat, sondern

 

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