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Landtag, 4. Sitzung vom 18.03.2016, Wörtliches Protokoll  -  Seite 187 von 251

 

Haus, das auf Grund des Gesetzes von oben bis unten barrierefrei gebaut ist, im Brandfall den 4. Stock verlassen können soll, wenn nämlich im Brandfall der Lift nicht benutzbar ist. Das hat mir noch keiner erklären können, nicht einmal die Zuständigen bei der Feuerwehr. Da schauen dann immer alle betreten und erklären kleinlaut: Da muss man halt schauen, dass man das mit einer Leiter von außen macht, das ist alles sehr kompliziert. - Selbst Flüchten ist nämlich bei dieser Art von Barrierefreiheit in Wirklichkeit nicht möglich. Genau das ist der Grund, warum diese überbordenden Gesetze, die in Wirklichkeit die Wienerinnen und Wiener in ihren Rechten beschneiden, teilweise wirklich unnötig sind, meine sehr verehrten Damen und Herren.

 

Wir haben weitere Regeln, die massiv überbordend sind. Dazu gehört zum Beispiel der Bereich der Energieeffizienz. Auch Energieeffizienz ist zweifellos wichtig. Aber auch da werden beispielsweise mit dem Argument des Klimaschutzes immer strengere Regeln und Anforderungen geschaffen. Ich denke jetzt etwa an die Bestimmung, dass man - sinngemäß gesagt - Wärmewerte erreichen muss, die 20 cm Wärmedämmung entsprechen beziehungsweise die bei Gebäuden herrschen, die eine 20 cm dicke Wärmedämmung haben.

 

Das geht hin bis zur Reglementierung von sogenannten konditionierten Gebäuden. - Ich weiß nicht, ob Sie den Begriff „konditionierte Gebäude“ kennen! Ich meine, Sie als Wienerin oder Wiener sollten wissen, was das heißt, denn Sie gehören nämlich zu jenen, die diese Regelung einhalten müssen. Wenn Sie im Container wohnen, müssen Sie sie hingegen nicht einhalten.

 

Ein konditioniertes Gebäude ist nach der OIB-Richtlinie ein Gebäude, dessen Innenraumklima unter Einsatz von Energie beheizt, gekühlt, be- und entlüftet oder befeuchtet wird. Als konditioniertes Gebäude können Gebäude als Ganzes oder Teile eines Gebäudes, die als eigene Nutzungseinheit konzipiert oder umgebaut wurden, bezeichnet werden. Gemeint ist damit, dass zum Beispiel die Dächer heutzutage luftdicht ausgeführt sein müssen. 1.000 Jahre lang hat es gereicht, dass man ein übliches Kaltdach gebaut hat, aber jetzt müssen die Dächer luftdicht sein!

 

Der Anlass dafür, dass es jetzt diese Regelung ist, ist auch wieder einmal typisch: Es gibt nämlich reihenweise Gemeindebauten, zum Beispiel an der Hohenbergstraße, wo in den obersten Stockwerken im Zuge der Wärmesanierung alle Wände zu schimmeln angefangen haben. Warum? - Weil irgendjemand auf die glorreiche Idee gekommen ist, zwar eine schneidige Wärmedämmfassade anzubringen, aber halt leider vergessen hat, die oberste Decke in Richtung des Dachbodens zu dämmen. Was ist passiert? Die Wände sind gedämmt, die warme Luft in der Wohnung steigt auf und gelangt in die Eckbereiche des darüber liegenden Dachgeschoßes, dort erwärmt sie sich, die warme Luft steigt auf das Dach, kondensiert, Wasser rinnt hinunter und tropft wieder in das Stockwerk darunter. - Das passiert, wenn man so etwas eben nicht überdenkt und wenn man dann halt pfuscht. Darauf läuft es dann de facto hinaus.

 

Die Antwort darauf ist aber nicht etwa, dass man das bei der Sanierung mitberücksichtigt, indem man auch die Dächer entsprechend ausgestaltet, nämlich Wärmedecken macht, sondern die Dächer müssen jetzt luftdicht sein. Das ist natürlich drei Mal so teuer! Das ist halt wieder so eine Bestimmung, bei der halt irgendeiner weit über das Ziel hinausgeschossen hat.

 

Wenn dann alles luftdicht ist, vielleicht sogar die Wohnungen unten auch, dann braucht man natürlich zusätzlich - das betrifft vor allem den Bereich der Passivhäuser - zusätzliche Be- und Entlüftungsanlagen und auch Anlagen für die Luftbefeuchtung. Das ist logisch, denn wenn durch die Fenster keine Luft kommt und sonst alles dicht ist, dann muss das Ganze halt mit zusätzlichen Maschinen und Anlagen gemacht werden, und das kostet auch wieder Geld.

 

Es ist dies fraglos grundsätzlich eine Errungenschaft der Technik, aber die Frage ist, ob man es sich leisten kann, dass man dann tatsächlich alle Errungenschaften der Technik und alle modernen Einrichtungen, die technisch möglich sind, auch in jedes Haus einbaut, und das gerade in einer Situation, in der man ganz offensichtlich der Zuwanderungssituation nicht Herr wird und nicht in der Lage ist, auch nur annähernd dafür zu sorgen, dass die Menschen genügend Wohnraum zur Verfügung haben.

 

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn wir hier von überbordenden Regeln reden, dann bin ich mit dieser Ansicht hier auch nicht allein. - Ich weiß schon, dass die Wiener Bauordnung historisch gewachsen ist, keine Frage. Ich habe auch darüber schon ausreichend geredet. Dieser Wälzer, den ich hier habe und den ich schon einmal vorgezeigt habe, ist die aktuelle Version. (Abg. Mag. Dietbert Kowarik: Kommentiert!) Ja! Das ist die kommentierte Version. Danke für den Zuruf!

 

Die erste Version wurde als „kommentierte Fassung“ bezeichnet, um zu zeigen, dass das Werk nur deswegen so dick ist, weil es kommentiert ist. Der guten Ordnung halber muss man sagen: Die Ursprungsversion mit rund 200 Seiten - das dünne Heft, das ich hier auch schon einmal vorgezeigt habe - war auch schon eine kommentierte Version, aber halt im Ursprung, im Jahr 1930. Und jetzt, im Jahr 2014, schaut das Ding halt so aus, ich gebe es Ihnen nachher hinunter.

 

Henrietta Geuder, die Doyenne der Bauordnung, wenn man sie so bezeichnen möchte, hat das einmal treffend in einem ihrer Kommentare formuliert. - Ich habe mir das herausgeschrieben, um es schneller zu haben, und zitiere wortwörtlich: „Die Unübersichtlichkeit und die Sucht des Landesgesetzgebers, im Baurecht alles und jedes zu regeln, ist in der Tat selbst für gewiegte Fachleute eine kaum mehr tragbare Belastung.“

 

In Anbetracht dieser Unübersichtlichkeit und Sucht, alles und jedes zu regeln, ist es umso grotesker, dass man gerade bei dieser Gesetzgebung die Grauschattierungen nicht sieht. Hier gibt es nur Schwarz und Weiß. Hier gibt es auf der einen Seite Unübersichtlichkeit und die Sucht des Landesgesetzgebers, alles und jedes zu regeln, und zwar nämlich dann, wenn es um die Wienerinnen und Wiener geht. Andererseits wird quasi mit

 

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