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Landtag, 9. Sitzung vom 30.09.2016, Wörtliches Protokoll  -  Seite 24 von 89

 

besprochen, aber eigentlich nicht die möglichen Ursachen.

 

Nur vielleicht ganz kurz vom Kollegen Gara angesprochen, das Burn-out. Jetzt habe ich auch selber nur Jus studiert und kann das auch nicht erschöpfend beantworten, aber ich hab‘ ein bisschen gelesen und hab‘ gesehen, dass die Ursachen, die natürlich auf vielen Ebenen zu finden sind, in drei Gruppen geteilt werden, und zwar in die biologischen Faktoren, die psychologischen Faktoren und die Umweltfaktoren. Die biologischen Faktoren, das sind zum Beispiel Dinge wie Genetik oder Unfälle mit Hirnschädigung, embryonale Fehlentwicklungen, Drogen, Stoffwechselprobleme. Die psychologischen Faktoren, und da können wir vielleicht schon ein bisschen mehr selber an die Ursachenbekämpfung denken, sind zum Beispiel Missbrauchsfälle in der Kindheit oder Traumata, die man erlebt hat oder das längerfristige Erleben von Vernachlässigung oder Einsamkeit, oder auch zu viel Stress im Leben. Umweltfaktoren sind Dinge von außen wie zum Beispiel Armut, Scheidung oder auch die Erfahrung von Sucht. Ich glaube, wir müssen uns die Frage stellen: Wie kommt es zu diesem sprunghaften Anstieg einer Verdreifachung in zehn Jahren? Ich habe ein Gedicht gefunden, das ich mir erlaube, Ihnen heute vorzulesen. Ich weiß, es ist ein bissel komisch, Ihnen ein Gedicht vorzulesen, aber es wird oft alles Mögliche hier erzählt und dann ist es vielleicht auch nicht so schlimm, wenn ich das jetzt mache. Und zwar ist es von Alfonso Pereira geschrieben worden und er sagt das Folgende:

 

„So reich waren wir noch nie wie heute, so habgierig aber waren wir auch noch nie wie heute. So satt waren wir noch nie wie heute, so unersättlich aber waren wir auch noch nie wie heute. So schöne Häuser hatten wir noch nie wie heute, so unbehaust, so heimatlos waren wir aber auch noch nie wie heute. So viel versichert waren wir noch nie wie heute, so unsicher waren wir aber auch noch nie wie heute. So vielwissend waren wir noch nie wie heute, so sehr die Übersicht verloren haben wir noch nie wie heute.“

 

Es geht auch noch länger so weiter, es endet dann mit: „So eng aneinander haben die Menschen noch nie gelebt wie heute, so weit voneinander entfernt aber waren die Menschen noch nie wie heute.“

 

Was ist unsere Antwort auf das Anschnellen der psychischen Erkrankungen? Ich glaube, zuerst müssen wir uns auf vernünftige Weise für diesen noch kommenden Ansturm rüsten. Sie können mich in ein paar Minuten gleich noch einmal zum Thema Volksanwaltschaft hören. Da bringe ich ganz konkret zwei Anträge ein, wie wir uns rüsten können. Interessanterweise hat das auch eine Menschenrechtsdimension. Aber das ist nur der erste Punkt. Ich glaube, wir müssen viel mehr in die Früherkennung investieren. Da kann man noch viel mehr machen und auch wirklich mit Studien die Ursachen herausfinden, um Risikofaktoren zu verringern und präventiv arbeiten zu können. Ich glaube, dass es auch ein Teil der Prävention ist, dass man Familien stärkt und Familien vom Stress von außen befreit und hilft, dass der Zusammenhalt in einer Familie gestärkt werden kann. Es heißt auch, dass wir überlegen müssen, wie wir Kindern ein stressfreies Aufwachsen ermöglichen können. Oder auch überlegen, wie es denn möglich wäre, dass eine Familie von einem Einkommen leben kann, damit vielleicht auch die Burn-out-Gefahr nicht ganz so stark ist.

 

Vielleicht ist es dann auch nicht die richtige Antwort, wie am vergangenen Wochenende 80.000 jungen Menschen die neuesten Videospiele beizubringen. Vielleicht brauchen wir viel breitere Antworten.

 

Mein letzter Punkt: Was können wir tun für die Integration der Betroffenen und der Kollege Deutsch hat das auch gut erklärt. Zuerst einmal die Entstigmatisierung, da ist man zum Beispiel in den USA viel weiter als bei uns.

 

Und dann, um mit einem Satz aus dem „Standard“ Mitte September zu enden. Die Chefärztin der PVA Ursula Graninger hat gesagt: „Unser Ziel ist es, dass die Menschen mit der eigenen Erkrankung umgehen lernen und trotzdem in der Gesellschaft integriert bleiben.“ Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

 

Präsidentin Veronika Matiasek: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abg. Dr. Kickert. Ich bitte darum.

 

11.11.09

Abg. Dr. Jennifer Kickert (GRÜNE)|: Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Vorsitzende! Sehr geehrte Frau Landesrätin und allfällige ZuseherInnen im Livestream!

 

Wir haben in den vorherigen Reden schon unterschiedlichste Ansätze gehört. Ich möchte einen kleinen Bogen machen von der Begründung durch Abg. Deutsch unter Heranführung der Tatsache, dass im Laufe des Lebens wahrscheinlich jeder dritte Mensch von einer psychischen Krankheit erfasst sein kann und den Bogen zur Familie spannen. Es sind nämlich nicht nur die Zahlen der Selbsterkrankten wesentlich, sondern es kommen zusätzlich zu den Selbsterkrankten ja auch noch die Betroffenen dazu.

 

In den frühen 80er Jahren hatte ich die Situation, dass mein Vater, der akut an einer Angststörung gelitten hat, einen akuten Angstanfall hatte, und da musste ich überlegen, was ich damit mache. Auch war die psychiatrische Notversorgung der Stadt Wien in den frühen 80er Jahren bei Weitem nicht das, was wir heute an Standard haben und damals schon kritisierenswert. Aber immerhin, als knapp 20-Jährige habe ich die notwendige Information gekriegt, was ich mit meinem kurz vor seinem gefühlten Tod stehenden Panikattacken empfindenden Vater tun sollte, nämlich: Bringen‘s ihn nach Steinhof. Das hat mir tatsächlich geholfen, ihm erstaunlicherweise auch, selbst wenn es nicht lustig ist, in Steinhof eingeliefert zu werden.

 

Jetzt, viele, viele, viele, viele Jahre später und auch einen Quantensprung an Zugang und Qualität später, möchte ich zu dieser Frage einen spezifischen Punkt herausarbeiten, der mir ganz, ganz wichtig ist, und zwar ist es das sogenannte Zusammenspiel der unterschiedlichen Leistungs- und Kostenträger. Also übersetzt: Die Kooperation zwischen der Gebietskrankenkassa, der Pensionsversicherungsanstalt und der kommunalen Einrichtungen wie PSD und KAV, weil - und in einem Stichwort hat es die Kollegin Meinl-Reisinger schon erwähnt - eine der wesentlichen Faktoren in der Behandlung, nämlich in einer effizienten Behandlung von psy

 

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