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Landtag, 9. Sitzung vom 30.09.2016, Wörtliches Protokoll  -  Seite 68 von 89

 

anderen Bürgerinnen und Bürger, die diese Leistung möglicherweise niemals brauchen. Die Frage des sozialen Friedens hängt ganz stark damit zusammen, ob wir soziale Sicherungssysteme haben, in denen alle Menschen, wenn es auch schon schwer genug ist, das Auskommen finden. Das bedeutet, das letzte soziale Netz schützt nicht nur die Menschen, die von Armut bedroht sind, sondern schützt die gesamte andere Bevölkerung davor, dass - und ich weiß nicht, ob das sozusagen in Ihrem Denkmodell immer so vorkommt, denn anders kann ich es mir nicht vorstellen -, wenn Menschen, die legal in dieser Stadt sind, wo immer sie herkommen und welche Staatsbürgerschaft sie immer haben, kein Einkommen haben und nichts zum Leben haben, dann ist der Schluss daraus nicht, dass die dann weg sind, sondern die sind dann da, haben aber eben kein Einkommen und haben dadurch keine Möglichkeit zu wohnen.

 

Wir können in europäische Städte schauen - in Österreich haben wir eben keine anderen Städte als Wien, die vergleichbar mit europäischen Städten sind -, wie dort die Obdachlosigkeit ist, wie dort die Kriminalität ist, wie sich dort der Mittelstand schon absichern muss, um nicht von Kriminalität bedroht zu werden. Sehr geehrte Damen und Herren, das möchte ich in unserer Stadt nicht! (Beifall bei SPÖ und GRÜNEN.)

 

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen von ÖVP und FPÖ! Ich bin sehr für Reformen der Mindestsicherung, und zwar nicht seit jetzt und heute, sondern seit über zwei Jahren bemühe ich mich darum. Es geht darum, verstärkt Sachleistungen anzubieten, auch Angebote zu machen, die vor allem - das liegt mir ganz besonders am Herzen - dazu führen, dass sich junge Menschen in der Mindestsicherung nicht verfestigen. Da haben wir im Regierungsprogramm ein ganz konkretes großes Projekt, das in Umsetzung ist, nämlich die Wiener Jugendunterstützung „Back to the Future“.

 

Die wesentliche Frage dabei ist aber - und ich werde auf die Leistbarkeit auch noch zu sprechen kommen -: Geht es der ÖVP - der FPÖ sicher nicht, das kann man abhaken - darum, einen sachdienlichen Dialog zu führen - diesen Eindruck hatte ich bei vier Fünftel Ihrer Wortmeldung, Herr Kollege Juraczka -, oder geht es in Wahrheit darum, bei diesem Thema die Gesellschaft zu spalten?

 

Geht es darum, die ganz Armen gegen die, die noch nicht so arm sind, aber Abstiegsängste haben, auszuspielen? Geht es insbesondere darum, die Menschen, die in dieser Republik, in der es auch großen Reichtum gibt, zu Kollektivvertragslöhnen von 1.300 EUR oder 1.100 EUR 40 Stunden arbeiten müssen (Abg. Mag. Manfred Juraczka: Es gibt keine 1.100-EUR-Kollektivverträge mehr!), auszuspielen gegen die, die arbeitslos sind? - Das halte ich für verwerflich, und das muss man aus meiner Sicht auch aufzeigen. (Beifall bei SPÖ und GRÜNEN.)

 

Geht es bei der Debatte über die Mindestsicherung um die Frage, ob man sich das budgetär leisten kann, oder geht es hier einfach wiederum darum, dass Diskussionen über die Frage der Leistbarkeit immer nur von Seiten der ÖVP und der FPÖ auftreten, wenn es um den Sozialstaat geht? Denn Sie haben die Zahl von über 860 Millionen EUR, die die Mindestsicherung österreichweit ausgemacht hat, richtig genannt, auch die 544 Millionen EUR in Wien, völlig richtig. Das ist sehr viel Geld. Im selben Zeitraum wurden in Österreich Landwirtschaftsförderungen in Höhe von 1,9 Milliarden EUR vergeben. (StR Mag. Gernot Blümel, MBA: Das ist aber billig!) - Nein, das ist nicht billig, sondern 1,9 Milliarden EUR ist sehr teuer, und im selben Zeitraum wurden 7,3 Milliarden EUR zur Rettung von Banken investiert. Ich möchte zur Bankenrettung sagen, dass ich 100-prozentig der Meinung bin, dass diese Mittel richtig eingesetzt waren, denn den Kollaps der Banken hätten die kleinen Leute gespürt. Aber die Diskussionen, ob wir uns das eigentlich leisten können, habe ich damals von Seiten der ÖVP nicht gehört, und das ist schon ziemlich durchsichtig.

 

Lassen Sie mich, bevor ich zur konkreten Beantwortung komme, auch noch einen Punkt zur Frage des Verwaltungshandelns sagen. Ich habe schon gesagt, die Kolleginnen und Kollegen der MA 40 haben auf der einen Seite im Jahr 2015 mit rund 180.600 Bezieherinnen und Beziehern der Bedarfsorientierten Mindestsicherung Kontakt gehabt, im Verwaltungsbereich, im sozialarbeiterischen Bereich, und haben über 376.000 Bescheide erlassen. Es wäre völlig vermessen, zu sagen, dass es bei der MA 40 anders ist, als es vielleicht beim Finanzamt ist, bei der Baupolizei oder welche Behörden Sie jetzt immer nennen, nämlich dass es da Menschen gibt, die falsche Angaben machen und dass es bei 376.738 Bescheiden nicht auch möglicherweise da oder dort sein kann, dass ein Fehler unterläuft. Und ja, es gab von diesen 376.738 Bescheiden auch eine gewisse Anzahl - es wurde vor einigen Stunden hier im Haus diskutiert -, bei denen die Volksanwaltschaft auf Grund von Beschwerden befunden hat, dass die MA 40 zu wenig ausbezahlt hat. Und bei diesen 376.738 Bescheiden, die erlassen wurden, wurden zu 1.786 Bescheiden auch Beschwerden eingebracht - nur von der Dimension her. Aber das, was es in der MA 40 mit Sicherheit nicht gibt und was ein ungehöriger, degoutanter und zynischer Schluss ist, der nur darauf zurückzuführen ist, dass es einem darum geht, die Gesellschaft zu spalten und nicht Probleme zu lösen, ist der Schluss, den die FPÖ und die ÖVP daraus ziehen.

 

Ich kann Ihnen in einer Sache eindeutige Klarheit geben: Nur wenn ein Journalist einer Zeitung, die eine hohe Auflage hat (Abg. Mag. Wolfgang Jung: Die sehr beliebt ist bei Ihnen!), von einem Informanten, den er nicht nennt, was sein gutes Recht als Journalist ist, Informationen zu bekommen vorgibt oder wirklich bekommen hat - ich weiß es nicht -, die unwahr sind, wird diese Unwahrheit nicht wahrer, wenn sie von der FPÖ oder einer Kleinpartei wie der ÖVP wiederholt wird. (Beifall bei SPÖ und GRÜNEN. - Abg. Mag. Manfred Juraczka: Sind Sie von der SPÖ-Leopoldstadt?)

 

Der wesentliche Unterschied zwischen der FPÖ und der ÖVP ist, dass die FPÖ wenigstens den Mut hat, diese ungeheuerlichen Unwahrheiten in einem Forum zu sagen, in dem auch die Möglichkeit besteht, sich rechtlich dagegen zu wehren, während sich die Kleinpartei ÖVP hier hinter der Immunität des Landtages ver

 

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