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Landtag, 9. Sitzung vom 30.09.2016, Wörtliches Protokoll  -  Seite 74 von 89

 

der Pull-Faktor der Mindestsicherung in Wien. Aber es gibt natürlich auch den Push-Faktor einer völlig unsolidarischen, schlechten, föderalen Ordnung in dieser Frage, nämlich nach einer „Beggar my neighbour“-Politik, die sehr stark von ÖVP und auch jetzt FPÖ, ÖVP-geführten Bundesländern vorangetrieben wird, nämlich zu sagen: Wunderbar, wir senken unsere Standards, wir schauen, dass wir die Höhe senken, dass wir den Zugang einschränken, et cetera, denn dann haben wir mehrere Fliegen mit einer Klappe geschlagen. Wir haben weniger Belastung für unseren Haushalt, wir haben die Zahlen nicht bei uns in der Arbeitslosigkeit, wir müssen uns nicht darum kümmern, für Wohnbau zu sorgen, und wir haben alle schlechten Statistiken in Wien.

 

Und das ist auch genau nicht das, was ich mir unter verantwortungsvoller Politik einer auf Bundesebene regierenden Partei vorstelle. Das möchte ich auch ganz klar sagen. (Beifall bei NEOS, SPÖ und GRÜNEN.)

 

Wir brauchen aber tatsächlich dringend eine Reform, und wir haben hier natürlich unterschiedliche Weltbilder und auch unterschiedliche Menschenbilder. Denn ich halte es nicht für gut, dass wir in Richtung einer Gesellschaft gehen, in der sich Menschen tatsächlich - und das müssen Sie ernst nehmen - gefrotzelt fühlen, wenn sie arbeiten gehen, wenn sie jeden Tag aufstehen und dann aber sehen, dass unter Umständen weniger rausschaut als bei einer Familie, die das nicht tut. Das müssen Sie ernst nehmen, denn das bedroht sehr wohl den Zusammenhalt. - Das ist der eine Punkt.

 

Der zweite Punkt ist: Versorgen, der soziale Ansatz. Das ist wichtig, das muss es geben, denn wir wollen ja auch keine Aufstände von arbeitslosen Mobs, die zu wenig zum Leben haben. Keine Frage, der soziale Frieden ist sehr wichtig, und daher muss es immer diese Mindestsicherung geben. Was aus meiner Sicht dabei aber sehr wesentlich ist, ist die Frage: Womit erreichen wir wirklich die Menschen, und was schafft den Zusammenhalt in der Gesellschaft? Und das ist nicht der Aspekt: Wir versorgen euch, wir kümmern uns um euch!, sondern es geht um Anerkennung. Und was Sie diesen Menschen, die in der Mindestsicherung sitzen und letztlich auch sehr oft darin gefangen sind, damit nicht geben, ist Anerkennung!

 

Damit bin ich bei zwei weiteren Aspekten, die ich herausstreichen will, und das sind die Frage eines Bildungssystems und jene des Arbeitsmarkts. Ich komme einmal zur ersten.

 

Wir reden sehr oft und wir lesen in Artikeln von der Generation AMS, von einem Drittel der Schülerinnen und Schüler, sehr oft mit migrantischem Hintergrund, die die Pflichtschule in Wien verlassen und nicht sinnerfassend lesen können, nicht gescheit rechnen können. Dann gibt es sehr teure Programme der Stadt Wien - also wieder der soziale Ansatz: Wir kümmern uns, wir kümmern uns um euch. - Das ist unsere Sozialpolitik. Das ist paternalistisch! Sie schaffen es nicht, diesen jungen Menschen Anerkennung zu geben im Leben. Die wollen etwas darstellen! Die wollen nicht versorgt werden, die wollen etwas darstellen - und Sie geben ihnen keine Chancen, sondern Sie versorgen sie. (Beifall bei den NEOS.)

 

Das ist falsch, und das bedroht den Zusammenhalt! Das ist eine Generation AMS, und das ist natürlich auch die Generation BMS, die Sie hier mit einem falschen Bildungssystem heranbilden.

 

Der zweite Aspekt ist der Arbeitsmarkt. Das hat zwei Seiten. Die eine Seite ist: Irgendjemand muss das finanzieren - der Steuerzahler. All jene, die Steuern zahlen, müssen auf der anderen Seite die Sozialausgaben auch finanzieren. Damit bin ich nicht nur bei der Frage der nachhaltigen Finanzierbarkeit, aber gerade eben auch. Und weil hier gerade vorhin wieder von zusätzlichen Abgaben gesprochen wurde, so ist das genau ein Punkt, warum wir da dagegen sind, denn ich glaube, der Deckel ist schon längst erreicht, was die Abgaben- und Steuerbelastung in diesem Land und in dieser Stadt betrifft. Aber selbstverständlich sind wir damit auch bei der Frage - um auch wieder auf dieses Thema zurückzukommen, und ich weiß, es geht nur um Schanigärten -, was wir eigentlich jetzt, in dieser Situation mit steigender Arbeitslosigkeit, zu tun haben, und das ist definitiv nicht, durch weitere regulatorische Belastungen oder steuerliche Belastungen oder Gebührenbelastungen ausgerechnet jene zu belasten, die Menschen anstellen, die Menschen einen Job geben und die auch dieses Sozialsystem finanzieren. Das ist der falsche Weg und dem stellen wir uns ganz massiv entgegen! (Beifall bei den NEOS.)

 

Wir brauchen in dieser Stadt Wachstum, wir brauchen Innovation und wir brauchen Arbeitsplätze. Wir brauchen eine nachhaltige Finanzierung eines Sozialsystems, das die Eigenverantwortung und die Selbstermächtigungsfähigkeit und die Möglichkeit, Anerkennung im Leben zu finden, in den Mittelpunkt stellt und nicht den „Wir versorgen eh alle“-Gedanken, der nicht finanzierbar ist. - Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS.)

 

Präsident Prof. Harry Kopietz: Als Nächste zu Wort gemeldet hat sich Frau Abg. Hebein. - Bitte.

 

17.04.13

Abg. Birgit Hebein (GRÜNE)|: Werter Herr Vorsitzender! Geschätzte Kollegen und Kolleginnen!

 

Natürlich wäre es reizvoll, gleich einmal auf Reden der Opposition einzugehen - das mache ich später. Ich möchte mit etwas Grundlegendem beginnen, weil immer, wenn solche Kampagnen mit einem einzelnen Medium und einzelnen Parteien starten, dies eine enorme Verunsicherung auslöst. Es kommen unzählige Rückmeldungen von Menschen, die fragen: Was stimmt? Was stimmt nicht? - Lassen Sie mich insofern hier einmal ganz grundlegend beginnen, nämlich:

 

Wenn es bei Ihrer Nachbarin brennt, wollen Sie sich darauf verlassen, dass die Feuerwehr so rasch wie möglich kommt. Wir alle wollen uns darauf verlassen. Wenn es einen Unfall gibt - egal, wo, mit dem Auto oder sonst wo -, wollen Sie sich und wollen wir alle uns darauf verlassen, dass die Rettung kommt. Geht es um Gewalt - wieder egal, wo, zum Beispiel im Fußballstadion, wenn Fans durchknallen -, wollen Sie, dass die Polizei rechtzeitig da ist. Und genauso ist es, wenn Sie sich völlig unverschuldet plötzlich in einer Lebenssituation befinden wie Scheidung, Jobverlust, Krise, Krankheit (Abg. Mag. Wolfgang Jung: Dafür habe ich eingezahlt!): Dann wollen Sie sich darauf verlassen, dass es die Mindestsicherung

 

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