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Landtag, 9. Sitzung vom 30.09.2016, Wörtliches Protokoll  -  Seite 79 von 89

 

Mindestsicherung mit 1.500 EUR zu deckeln, aus dem Bezug der Mindestsicherung subsidiär Schutzberechtigte herauszustreichen - ähnlich den Forderungen, die auch in dem heute von Ihnen eingebrachten Antrag wieder enthalten sind. Ich kann bei Gott nicht verstehen, wie man Freude haben kann, wenn man Menschen, die auf Hilfe und Unterstützung angewiesen sind, ihre Lebensgrundlage entzieht. (Beifall bei SPÖ und GRÜNEN.)

 

Und weil Sie auch immer auf die steigende Anzahl von Beziehern hinweisen: Ja, das ist so. Aber wieso ist es so? Man muss auch sehen, dass wir seit vielen Jahren in einer Wirtschaftskrise leben. Die wirtschaftliche Situation ist nicht einfach, und deshalb ist es auch wichtig, dass wir gerade in solchen Zeiten ein dichtes soziales Netz haben. (Abg. Mag. Wolfgang Jung: Aber nicht für die ganze Welt!) Unsere Aufgabe ist es auch - und da gebe ich auch den RednerInnen von den GRÜNEN und der Frau Stadträtin, die das ebenfalls gesagt hat, recht -, Menschen in dieser Stadt Perspektiven zu geben. Und das tun wir auch! Ich möchte zum Beispiel nur „Step 2 Job“ anführen. Das wurde schon mit Einführung der Bedarfsorientierten Mindestsicherung im Jahr 2010 in Wien gestartet. Das ist eine arbeitsmarktpolitische Maßnahme, um Leute in Beschäftigung zu bekommen. Dieses Modell wurde dann auch österreichweit ausgerollt. Oder: „Back to the Future“, das Jugend College, die Wiener Ausbildungsgarantie oder die Ausbildungspflicht bis zum 18. Lebensjahr.

 

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ein Sozialstaat hat die Aufgabe, Menschen vor dem Nichts zu bewahren, und diese Errungenschaften gilt es auch zu verteidigen. Eine Auflösung des Sozialstaates bedeutet Massenverelendung, Ghettobildung, Kriminalität und damit einen großen gesellschaftlichen Rückschritt. Menschen, die von der Bedarfsorientierten Mindestsicherung leben, sind durch soziale Netze gefallen. Denen macht es sicher nicht Spaß, in der Bedarfsorientierten Mindestsicherung zu leben, und sie befinden sich auch sicher nicht gerne in dieser Situation. Diese Menschen aber an den medialen Pranger zu stellen, halte ich persönlich für unerträglich. (Beifall bei SPÖ und GRÜNEN.)

 

Eine sachliche Debatte über Veränderungen ist wichtig, und es gibt immer wieder Aspekte, wo man etwas besser machen kann. Arme Menschen als Sündenböcke hinzustellen, ist ein gefährlicher und auch ein falscher Weg, und diesen möchte ich und diesen möchte die rot-grüne Stadtregierung nicht gehen. (Beifall bei SPÖ und GRÜNEN.)

 

Nehmen wir gemeinsam den Menschen die Furcht, komplett abzurutschen, dann können sie ihre Energie in Arbeitsuche und Weiterbildung investieren! - Danke schön. (Beifall bei SPÖ und GRÜNEN.)

 

Präsident Prof. Harry Kopietz: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abg. Ornig. - Bitte, Herr Abgeordneter.

 

17.40.00

Abg. Markus Ornig, MBA (NEOS)|: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Landesrätin! Sehr geehrte Damen und Herren!

 

Ich bin sehr dankbar für das, was Frau Kollegin Hebein gesagt hat, nämlich dass man sich mit dieser Wifo-Studie einmal intensiv beschäftigen sollte. Genau das haben wir natürlich auch gemacht, und ich möchte daher jetzt auch wieder ein bisschen sachlich auf dieses Thema eingehen, denn de facto sind wir uns, glaube ich, schon einig darin, dass Wien ein Problem hat, und wir brauchen rasche Maßnahmen, um dieses Problem zu lösen. Die „Generation AMS“, titelte das „profil“ zuletzt, und die eben erwähnte aktuelle Wifo-Studie zeigt auf, was meiner Meinung nach schon lange offensichtlich war: Die Mindestsicherung in ihrer derzeitigen Form funktioniert leider nicht. Gut gemeint ist bekanntlich das Gegenteil von gut. (Beifall von Abg. Mag. Bettina Emmerling, MSc.)

 

2015 waren in Wien bereits 158.375 Personen auf die Mindestsicherung angewiesen. Gegenüber 2012 ist das ein Anstieg von 20 Prozent. 20 Prozent in nur 3 Jahren! Das sind die Fakten. Die Menschen in unserer Stadt haben derzeit wirklich kaum eine Chance, dauerhaft aus der Mindestsicherung herauszukommen und sich langfristig in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Das derzeitige Mindestsicherungsmodell ist leider kein kurzfristiges Auffangnetz in einer Notsituation, wie es geplant war, sondern ein Fangnetz, aus dem die Menschen nur schwer wieder herauskommen.

 

Die Studie zeigt, dass zwei Drittel der BezieherInnen im Jänner 2015 schon länger als 13 Monate in der Bedarfsorientierten Mindestsicherung festhängen. Von jenen, die den vermeintlichen Absprung geschafft haben, den wir uns hier alle wünschen, brauchen erschreckende 45 Prozent nach nur 2 Monaten erneut Unterstützung durch die Mindestsicherung.

 

Traurig ist auch, dass das Wifo zu dem Schluss kommt, dass gerade Geringqualifizierte kaum eine Chance haben, sich erfolgreich in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Die Studie zeigt deutlich den Zusammenhang von Bildung und Mindestsicherung. Demnach haben zirka 62 Prozent der BezieherInnen maximal einen Pflichtschulabschluss. 62 Prozent haben maximal einen Pflichtschulabschluss! Überraschend ist das nicht, meine Damen und Herren. Die wirksamste Maßnahme gegen Armut ist nun einmal Bildung, Bildung und noch einmal Bildung.

 

Besonders erschreckend und ebenfalls traurig ist der Anstieg des Mindestsicherungsbezugs bei den Jungen in den vergangenen Jahren, jenen Menschen, die unser Sozialsystem in Zukunft tragen müssen. 2015 bezogen in Wien 26.200 junge Menschen zwischen 15 und 24 Jahren die Mindestsicherung. Das ist gegenüber 2010 ein Anstieg um 191 Prozent. 191 Prozent! - Meine Damen und Herren, das ist ein Totalversagen der Bildungs- und Arbeitsmarktpolitik, aber auch der Sozialpolitik, und das ist nicht akzeptabel. Das muss man leider so sagen.

 

Wir NEOS haben in diesem Haus schon mehrfach gesagt, und ich sage es jetzt noch einmal, es braucht endlich eine Reform des Pflichtschulsystems. Es geht nicht, dass junge Menschen in die Pflichtschule oder in die Wiener Ausbildungsgarantie hineinkommen und diese verlassen und direkt zum AMS oder zum Sozialamt gehen. Generation AMS nennt es das „profil“, und ich sage, die Wiener Stadtpolitik hat diese Generation AMS geradezu herangezogen.

 

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