Landtag, 20. Sitzung vom 23.10.2017, Wörtliches Protokoll - Seite 43 von 49
Berichterstatter Abg. Kurt Wagner: Geschätzte Kolleginnen und Kollegen!
Mit der vorliegenden Novelle des Wiener Krankenanstaltengesetzes 1987 mit den damit notwendigen Bestimmungen ersuche ich Sie um Zustimmung zur vorliegenden Gesetzesvorlage.
Präsident Dipl.-Ing. Martin Margulies: Gemäß § 30c Abs. 10 der Geschäftsordnung schlage ich vor, die General- und Spezialdebatte zusammenzulegen. Wird gegen die Zusammenlegung ein Widerspruch erhoben? - Nein, das ist nicht der Fall. Ich werde daher so vorgehen.
Die Debatte ist eröffnet. Zu Wort gemeldet ist Herr Abg. Dipl.-Ing. Dr. Gara.
Abg. Dipl.-Ing. Dr. Stefan Gara (NEOS): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen!
Wir verhandeln hier die Novelle zum Wiener Krankenanstaltengesetz. Lassen Sie mich dazu Folgendes vermerken: Ein wesentlicher Aspekt in dieser Novelle ist das Thema der Rufbereitschaft, die Rufbereitschaft für Ärztinnen und Ärzte, also die fachärztliche Rufbereitschaft in Standard-, Schwerpunkt- und Zentralkrankenanstalten. Grundsätzlich - deswegen haben wir auch auf Bundesebene zugestimmt - ist die rechtliche Klärung sinnvoll, um auch die Möglichkeit der Rufbereitschaft zu schaffen. Das kann in einigen Fällen auch sinnvoll sein, erhöht auch die Flexibilität, aber man muss hier schon sehr stark beim Thema der Rufbereitschaft in ländlichen Gegenden und beim Thema der Rufbereitschaft in der Stadt unterscheiden. Es gibt sicherlich Fachdisziplinen, wo es nicht notwendig ist, dass ein Facharzt die ganze Zeit im Krankenhaus anwesend sein muss. Allerdings - das ist schon etwas, was ich mir von der Stadtregierung hier erwartet hätte - führt diese Diskussion um die Rufbereitschaft bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Wiener Krankenanstaltenverbundes zu einer unglaublichen Verunsicherung, weil überhaupt nicht klargelegt ist, wie diese Rufbereitschaft in Zukunft aussehen wird.
Ich hätte mir hier von der Stadtregierung, von der Landesregierung erwartet, dass man nicht nur eins zu eins den Gesetzestext aus dem Bundesgesetz auch im Wiener Landesgesetz in der Novelle übernimmt, sondern dass man in der Zeit auch beispielsweise eine Betriebsvereinbarung ausverhandelt, in der klargelegt ist, wie eine solche Rufbereitschaft auch tatsächlich in der Praxis aussieht. Das ist aber nicht erfolgt. Dazu waren eigentlich eineinhalb Jahre Zeit, aber dazu ist nichts passiert. Ich habe das auch im letzten Gesundheitsausschuss angemerkt. Darauf wurde mir geantwortet, dass jetzt hier eine Arbeitsgruppe einberufen wurde, die sich mit der inhaltlichen Präzisierung auseinandersetzt. Ganz ehrlich muss ich Ihnen sagen, dass das nicht die Vorgangsweise ist, die dazu führen wird, das Vertrauen sehr vieler Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Wiener Krankenanstaltenverbund auch wiederherzustellen.
Gerade das Thema der Rufbereitschaft ist ein sehr kritisches Thema, denn hier sind sehr viele rechtliche Fragen nicht geklärt. Es war eine OGH-Entscheidung, dass man sagt, von meinem Heimatort bis ins Spital muss ich innerhalb von 30 Minuten vor Ort sein. Was passiert, wenn ich innerhalb dieser 30 Minuten nicht erreichbar bin? Was passiert, wenn ich diese Zeit nicht einhalten kann? Es geht auch nicht nur um die 30 Minuten, bis ich im Spital bin, sondern bis ich mich letztendlich umgezogen habe, über den Sachverhalt aufgeklärt wurde, und so weiter, und sofort.
Das ist in der Realität ja nicht so einfach und daher ist es schon wichtig, über dieses Thema zu diskutieren. Es wundert mich auch, dass sich hier die Gewerkschaft nicht eingeschaltet und gesagt hat, okay, bevor wir dieses Gesetz beschließen, brauchen wir einmal eine klare Betriebsvereinbarung. Wir müssen das mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern konkret durchgehen, was das in der Realität heißt.
Ein zweiter Punkt, der mich schon sehr verwundert, ist, dass in der Ergänzung im Kommentar zu diesem Gesetz von 20 Prozent möglicher Einsparung der Nachtdienste gesprochen wird, und aus diesen 20 Prozent Einsparung der Nachtdienste schließt man, dass man in etwa 10 Millionen EUR einsparen kann.
Sehr geehrte Damen und Herren! Natürlich sind wir auch für Einsparungen, aber diese Einsparung beginnt wie meistens auf der untersten Ebene, nämlich bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und nicht dort, wo es eigentlich notwendig wäre, nämlich auf der Systemebene. Wie schaut so eine Strukturreform aus, dass der Zustrom von Patientinnen und Patienten in ein Spital nicht mehr so groß ist? Darüber müssen wir diskutieren. Das sind die ersten Schritte, die notwendig sind. Dann zum Schluss können wir sehr wohl auch über das Thema der Rufbereitschaft diskutieren. Denn, wie gesagt, es gibt Fächer, Fachdisziplinen, wo die Anwesenheit vor Ort nicht unbedingt notwendig ist. Das muss man aber ausdiskutieren. Wie viele sind denn das konkret? Hier einfach 20 Prozent Nachtdienstreduktion in den Kommentar des Gesetzes zu schreiben, halte ich für nicht zweckdienlich, um das Vertrauen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wiederherzustellen, und das ist die Problematik. (Beifall bei den NEOS.) Das ist genau der Zugang, den man eigentlich nicht machen sollte.
Ich glaube, Sie sollten auf Grund der Erfahrungen der letzten Jahre - Ärztearbeitszeitgesetz, massive Einschnitte, was die Arbeitsstunden betrifft - gelernt haben, dass man eigentlich so nicht drüberfahren kann, und mit diesem Gesetz, ohne Erläuterung, ohne Betriebsvereinbarung, ohne konkrete Vorstellung, wie das in der Realität aussieht, setzen Sie eigentlich im Sinne der Verunsicherung genau dort fort.
Das ist der Grund, warum wir dieser Novelle letztendlich nicht zustimmen können, denn davor ist wirklich zu klären, wie eine Umsetzung erfolgt. Was bedeutet das mit der Anfahrtszeit? Auch ein sehr schönes, ein einfaches Beispiel: Sie wissen ja, Medizin in dem Sinn wird immer weiblicher, es gibt mehr Frauen, die im Gesundheitswesen tätig sind. Was bedeutet das für eine alleinstehende Mutter mit einem Kind zu Hause? Die braucht eigentlich eine Vorhalteleistung für einen Babysitter, weil ja nicht sichergestellt ist, dass sie während dieser Rufbereitschaft nicht ins Krankenhaus einberufen werden kann. Wer zahlt das? Wer kommt für diese Kosten auf?
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