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Landtag, 23. Sitzung vom 26.01.2018, Wörtliches Protokoll  -  Seite 49 von 52

 

Taten, sondern am Vorhaben, das da drinsteht. Wir wollen dieses Vorhaben verhindern, denn das wäre für viele Tausende Menschen in diesem Land tragisch. (Beifall bei SPÖ und GRÜNEN.) Allein an Ihrem Vorhaben, die Notstandshilfe abschaffen zu wollen, und auch an der ersten konkreten Aktion, die Beschäftigungsaktion 20.000 zu stoppen, merkt man, dass sich da im Bund im Dezember eine Regierungskonstellation zusammengefunden hat, die für eine Gruppe nichts, aber auch gar nichts über hat, nämlich für die Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, und das ist wirklich traurig. (Beifall bei SPÖ und GRÜNEN.)

 

Ich habe Frau Korosec gut zugehört, aber leider lässt sich da, aus meiner Sicht zumindest, nichts schönreden und auch nichts umdeuten, wenn der Herr Bundeskanzler Kurz und auch der Herr Vizekanzler Strache aktuell eine neue Sozialschmarotzerdebatte befördern. Dies neuerdings unter dem Schlagwort des Durchschummelns - das hat man mehrfach gehört, mehrfach gelesen -, weil sich angeblich so viele Menschen durch unser Sozialsystem durchschummeln, soll eben die Notstandshilfe abgeschafft werden. Man muss den Druck erhöhen, damit die Arbeitslosen wieder schneller arbeiten, denn, so wird suggeriert, es wären ja so viele Langzeitarbeitslose quasi freiwillig arbeitslos und selbst verschuldet in dieser Situation.

 

Da möchte ich schon sagen, werte Kollegen und Kolleginnen der ÖVP und auch der FPÖ: Meinen Sie das ernst? Das Arbeitslosengeld - das wurde vorher schon geschildert - macht nur 55 Prozent des Nettoeinkommens vom Letztbezug aus und wird dann, wenn man in die Notstandshilfe kommt, abermals gekürzt. Das führt dazu, dass wir aktuell eine Situation haben, in der die Armutsgefährdungsquote bei arbeitslosen Menschen bei 38 Prozent liegt, bei Erwerbstätigen bei 7 Prozent. Diese Argumentation, dass es sich viele in der Arbeitslosigkeit bequem machen und es supergemütlich haben, ist angesichts dieser Tatsachen wirklich nur zynisch und auch absurd. (Beifall bei SPÖ und GRÜNEN.)

 

Ich möchte da - weil das auch sehr oft von Ihrer Seite kommt - nicht missverstanden werden, wenn es Missbrauch im System gibt, dann soll dieser auch geahndet werden, gerade auch im Interesse vieler Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, die sehr lange ins System einzahlen, aber Sie tun ja so, als gäbe es da keine Instrumente. - Die gibt es, allein im Vorjahr hat das AMS mehr als 100.000 Sanktionen ausgesprochen. Wenn ich Ihnen zuhöre, dann wirkt das aber so, als wäre das alles nicht geschehen.

 

Einen Aspekt möchte ich auch noch bringen, denn wer sich wirklich durch unser Sozialsystem - anscheinend leider mit System - durchschummelt, das konnten viele von uns Anfang der Woche in der Tageszeitung „Kurier“ in einem aus meiner Sicht sehr spannenden Artikel nachlesen. Eine WIFO-Studie aus dem Vorjahr verortet die Durchschummler vor allem auf der Arbeitgeberseite. Denn in vielen Betrieben ist es Praxis - speziell in der Bauwirtschaft, im Tourismus, in der Arbeitsvermittlung, aber auch im Handel -, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei schwacher Auftragslage oder auch in der Zwischensaison freigesetzt werden, beim AMS geparkt werden und bei Wiedereinstellungszusage nach nur wenigen Tagen oder Wochen später erneut eben wieder beim selben Arbeitgeber zu arbeiten beginnen. Da sage ich Ihnen, das ist eine Praxis, die zu Lasten der Allgemeinheit geht. Diese Praxis, die von Teilen der Wirtschaft angewandt wird, ist eine Pervertierung der Idee und des Sinns der Arbeitslosenversicherung, einer Versicherungsleistung, für die in erster Linie die Gewerkschaften und auch die Sozialdemokratie gekämpft haben. Aber dieser Missbrauch interessiert anscheinend den Herrn Kurz und auch den Herrn Strache weniger, viel mehr macht sich Herr Kurz - unlängst hat mich das eher amüsiert oder eher traurig gemacht - Sorgen um die Hetze gegen Reiche. Da sage ich: Geht‘s noch? - Ich würde mir wünschen, Herr Kurz macht sich Sorgen um die wirklich Armen in unserem Land, um die Arbeitslosen in unserem Land und überdenkt noch einmal diese Pläne, die man im Regierungsvorhaben nachlesen kann. (Beifall bei SPÖ und GRÜNEN.)

 

Ich möchte das bestätigen, was meine VorrednerInnen schon gesagt haben: Die Betroffenen haben wirklich Angst davor, was passiert, wenn die Notstandshilfe abgeschafft wird. Es ist sogar so, dass eine Studie beziehungsweise Berechnungen des Finanzministeriums aus dem letzten Jahr belegen, dass 57 Prozent einen Anspruch auf Mindestsicherung hätten, das heißt umgekehrt, 43 Prozent der Notstandshilfebezieher, wenn es diese nicht mehr gibt, haben nicht einmal Anspruch auf Mindestsicherung. Das ist eine Geschichte, die Sie sich wirklich überlegen und die Pläne dazu überdenken sollten!

 

Auf zwei Dinge, die erwähnt wurden, möchte ich auch noch kurz eingehen: Das eine ist das Beispiel Skandinavien, wo die Höhe des Arbeitslosengeldes kontinuierlich zurückgeht. Das ist ja immer etwas, was die Agenda Austria der Industriellenvereinigung, die Lobbyingagentur - so bezeichne ich sie - postuliert. Nur ist die Situation in Skandinavien eine ganz, ganz andere. Dort ist die Nettoersatzquote nicht bei 55 Prozent, sondern bei 70, 80 oder 90 Prozent. Ich sage einmal, darüber können wir gerne reden, wenn am Anfang ein höheres Arbeitslosengeld ausbezahlt wird, aber ich vermute, so werden Ihre Pläne nicht ausschauen.

 

Das andere, worauf ich eingehen möchte, sind die vielen offenen Stellen, die es jetzt gibt. Natürlich freue ich mich, dass die Konjunktur seit letztem Jahr angesprungen ist, die Arbeitslosigkeit in Österreich und auch in Wien zurückgeht und auch die offenen Stellen mehr werden. Nur muss man auch das relativieren, und wenn man ein bisserl Ahnung vom Fach hat, dann weiß man, dass die offenen Stellen keine wirklich offenen Stellen sind. Mittlerweile ist es so, dass auf Grund dessen, dass die Arbeitsvermittlungen und die Leasingfirmen immer mehr werden, eine offene Stelle bei der Firma selbst und von zahlreichen Arbeitskräftevermittlungsfirmen gemeldet werden kann. Insofern ist die Zahl der offenen Stellen, die eingemeldet werden, in Wahrheit real viel, viel niedriger.

 

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