Landtag, 44. Sitzung vom 26.03.2020, Wörtliches Protokoll - Seite 4 von 9
kann auch die Krise als Ausrede nicht wirklich herhalten, denn wir haben uns alle miteinander dazu bekannt, dass wir dieses politische, parlamentarische System aufrechterhalten und uns selbst in der Ausübung unserer Tätigkeit nicht ausnehmen.
Das hätte vielleicht auch entsprechende Bedenken der ÖVP ausräumen können. Man hätte auch nachbessern können. Ich weiß: Die ÖVP hat hier im Vorfeld kritisiert, dass das Ganze verfassungswidrig sei. - Ich kann das nicht beurteilen, aber man wird sehen, ob diese Regelung wieder zurückgenommen werden wird. Sie werden wahrscheinlich den Verfassungsgerichtshof anrufen, und es kann natürlich sein, dass wir in diesem Zusammenhang jetzt wieder einem längeren Verfahren gegenüberstehen, damit das geklärt wird. Das halte ich in dieser Sache nicht für sehr zielführend.
In Summe aber noch einmal: Diese Änderungen bekommen natürlich unsere Unterstützung und unsere Zustimmung. - Vielen Dank.
Präsidentin Veronika Matiasek: Danke, Frau Abgeordnete. Ihre Fraktion hätte noch 7 Minuten 40 Sekunden Restredezeit. Als nächste Rednerin ist Frau Dipl.-Ing. Olischar zum Wort gemeldet. - Bitte.
Abg. Dipl.-Ing. Elisabeth Olischar, BSc (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Stadtrat! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen!
Als ich den Initiativantrag vor einigen Tagen erhalten habe, war ich - das muss ich schon sagen - einigermaßen erstaunt, denn wir haben monatelang gepredigt, dass das Sozialhilfe-Grundsatzgesetz rechtskonform umgesetzt werden muss, dann kommt jedoch eine völlig unzureichende Novelle, und das während der Zeit der Corona-Krise! Das ist aus unserer Sicht in demokratiepolitischer Hinsicht bezeichnend und sehr bedenklich, sehr geehrte Damen und Herren!
Wie geht die rot-grüne Koalition vor? Bindet sie die Oppositionsparteien und andere Organisationen mit ein? - Nein! Vielmehr handelt es sich um einen Initiativantrag. Aus diesem Grund erfolgt hier auch kein externes Begutachtungsverfahren. Ich meine aber: Bei einem wichtigen Thema wie der Mindestsicherung sollte jedenfalls eine Begutachtung durchgeführt werden. Das ist wiederum demokratiepolitisch nicht in Ordnung.
Inhaltlich wurden folgende Punkte geändert: Herauslösung der volljährigen Bezieher bis zum 25. Lebensjahr aus Bedarfsgemeinschaften, der Behindertenbonus und die Pflicht zum persönlichen Erscheinen vor der Behörde unter gewissen Umständen. - Die letzten zwei Punkte unterstützen auch wir prinzipiell sehr. Beim ersten Punkt muss man auch hinterfragen, ob dieser dem Sozialhilfe-Grundsatzgesetz widerspricht. Das werden wir noch zu klären haben. Das hätte aber eben durch ein externes Begutachtungsverfahren geklärt werden sollen.
Es ergeben sich durchaus noch - meine Vorrednerin hat es angesprochen - Fragen hinsichtlich dieses Initiativantrages. Nicht zuletzt wurde gestern auch im Ausschuss über die Kosten bei den Beziehern bis zum 25. Lebensjahr diskutiert. Ob es da jetzt noch Fragen gibt, wird zu klären sein.
Wo aber sind alle anderen Punkte, die laut geltendem Sozialhilfe-Grundsatzgesetz umgesetzt werden müssten? Von einer rechtskonformen Umsetzung sind wir hier jedenfalls meilenweit entfernt, denn es fehlen zahlreiche Inhalte wie beispielsweise niedrigere Richtsätze sowie Deckelung der Haushaltsgemeinschaften, Beschränkung der Leistungen für subsidiär Schutzberechtigte, Befristung der Anträge auf zwölf Monate, Unzulässigkeit der gleichzeitigen Auszahlung von Mindestsicherung und Wohnbeihilfe. Auch fehlt ein verpflichtendes Kontroll- und Sanktionssystem bis zum persönlichen Erscheinen vor der Behörde. Bei der Verpflichtung zu Deutsch- und Wertekursen fehlt der Verweis auf die Integrationsprüfung B1.
Bei der Umsetzung des Sozialhilfe-Grundsatzgesetzes ging es uns immer schon um die Frage der Gerechtigkeit. Besonders verletzliche Gruppen sollen durch das neue Gesetz nämlich besonders berücksichtigt werden, allerdings werden diese Punkte auch nicht umgesetzt. So ist etwa der Bonus für Alleinerzieherinnen und Alleinerzieher nicht zu finden, und auch ein erhöhter anrechnungsfreier Freibetrag und die Erhöhung des Schonvermögens wurden ebenfalls nicht umgesetzt.
Rot-Grün setzt diese Novelle also über die Hintertür um und möchte sie ohne externes Begutachtungsverfahren durchpeitschen. Trotz der Änderungen - denn von einer Reform kann man in diesem Zusammenhang nicht sprechen - werden aber die Probleme im Wiener Sozialsystem weiterhin bestehen bleiben. Der Handlungsbedarf für die Stadt bleibt weiter bestehen.
Ein Blick auf die Zahlen spricht ja auch Bände: Rund 60 Prozent aller Mindestsicherungsbezieher Österreichs leben in Wien. Seit Rot-Grün 2010 in Wien das Ruder übernommen hat, ist die Anzahl der BMS-Bezieher um über 70 Prozent gestiegen und sind die Ausgaben für die Mindestsicherung um 130 Prozent gestiegen! Sehen wir uns noch eine Zahl an: Wien gab im Jahr 2018 täglich 1,8 Millionen EUR für die Mindestsicherung aus. Im Vergleich dazu waren es in Niederösterreich rund 180.000 EUR pro Tag, also ein Zehntel davon.
Das Sozialhilfe-Grundsatzgesetz wurde vom VfGH bloß in drei Punkten aufgehoben. Der Großteil davon hätte bereits vor längerer Zeit umgesetzt werden müssen. Stattdessen versucht Rot-Grün aber während einer der größten Krisen in der Zweiten Republik, diese Novelle durchzuwinken.
Sehr geehrte Damen und Herren! Wien ist noch immer der Sozialmagnet Österreichs. Die Auswirkungen der Höhe der Mindestsicherung wurden durch zwei Studien auch bestätigt. Eine österreichische Studie und eine Studie aus Princeton machen deutlich, dass mehr Sozialleistung auch zu mehr Zuwanderung führt. Die Bundesländer Oberösterreich und Niederösterreich haben die Reform bereits richtig und rechtskonform umgesetzt, und für uns stellt sich natürlich die Frage: Warum schafft Wien das nicht?
Sehr geehrte Damen und Herren! Wien setzt das Sozialhilfe-Grundsatzgesetz nicht ausreichend um. Aus unserer Sicht ist das verfassungswidrig, und die Vor
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