Landtag, 5. Sitzung vom 24.06.2021, Wörtliches Protokoll - Seite 29 von 93
Das sind Ihre Versäumnisse, und diese Wahrheit müssen Sie auch aushalten.
Präsident Ing. Christian Meidlinger: Als Nächste zum Wort gemeldet ist Frau Abg. Berner. Ich erteile es ihr.
Abg. Mag. Ursula Berner, MA (GRÜNE): Herzlichen Dank dafür, dass Sie heute gekommen sind! Herzlichen Dank dafür, dass Sie über das ganze Jahr so viel Arbeit in diese Aufgabe hineingesteckt haben und dass Sie immer im Sinne der Kinder und Jugendlichen arbeiten und eine klare Position beziehen! Ich finde, es ist ganz wichtig, dass es in der Stadt eine derart unabhängige Stelle gibt. Herzlichen Dank! - Das möchte ich an dieser Stelle sagen.
Es ist schon sehr viel über den Bericht der Kinder- und Jugendanwaltschaft geredet worden, aber eines ist noch gar nicht zur Sprache gekommen, und zwar das Thema, das im Bericht auch herausgestrichen wird, das Thema, das den Kindern und Jugendlichen am allerwichtigsten ist, wenn sie befragt werden. Was ist das Thema, das den Kindern und Jugendlichen am allerwichtigsten ist? (Zwischenruf.) - Vermutlich auch die Familie, aber wenn sie gefragt werden, sagen sie als Erstes, sie machen sich Sorgen um die Zukunft, sie machen sich Sorgen um das Klima in diesem Land, sie machen sich Sorgen, dass die Wirtschaft und die Politik nicht rechtzeitig auf die Notwendigkeit reagieren, dass wir Klimagerechtigkeit schaffen. Genau dieses Thema ist jenes, das die Kinder und Jugendlichen am meisten beschäftigt, und ich würde mir wünschen, dass auch hier im Saal, hier im Gemeinderat und hier im Landtag, bei allen Entscheidungen, die wir treffen, dieses für Kinder und Jugendliche wichtige Thema ernst genommen wird. Das sollten wir auch in Zukunft bedenken, wenn Sie für 460 Millionen EUR für eine Stadtautobahn stimmen, die eindeutig nicht den Klimaschutz vorantreibt. Das finde ich sehr traurig, dass das hier weiter passiert.
Es gibt auch Positives im Bericht - das möchte ich festhalten, bevor ich auf die Probleme zu sprechen komme -, und ich freue mich sehr, dass das Projekt School Nurses jetzt langsam angelaufen ist und es darüber offensichtlich schon erste positive Berichte gibt. Wir haben uns immer dafür eingesetzt und wir möchten gerne, dass das weiterentwickelt wird, egal, wie sich die Personalsituation an den Schulen jetzt weiterentwickelt.
Es gibt aber leider auch Probleme im Schulbereich. Vor allem Kinder und Jugendliche mit Behinderungen und chronischen Krankheiten - auch das ist schon bekannt - sind im Bildungssystem massiven Benachteiligungen ausgesetzt. Sie haben das schon mehrmals erkannt - wir haben das auch in den anderen Berichten schon gelesen -, und wir hören jetzt, dass im Zuge des neuen Bildungsplans des Stadtrates die Zusatzlehrer für Inklusionsklassen auch gekürzt werden. Das heißt, es wird weiter zu einer Benachteiligung von behinderten Kindern kommen. Ich finde, das kann man nicht unterstützen, und ich finde es besonders irritierend, wenn wir hier einen Bericht dahin gehend hören, dass das wirklich schon über Jahre ein massives Thema ist, das jetzt noch verstärkt wird. So kann man die Stadt leider nicht verbessern.
Bevor ich zum Thema Heimkinder komme, möchte ich noch kurz auf die Ausführungen von Seiten der FPÖ zum Zusammenhang von Polizei und Jugendlichen eingehen. Das ist ein sehr schwieriges Thema. Ich weiß, es gibt viele KollegInnen - und ich kenne auch viele -, Polizistinnen und Polizisten, die sich sehr um einen sensiblen Umgang mit Kindern und Jugendlichen bemühen und die auch um Deeskalation bemüht sind, aber es gibt auch Eskalationen wie jene am Karlsplatz, und es ist die Aufgabe der Kinder- und Jugendanwaltschaft, Probleme herauszustreichen, wenn es solche gegeben hat, und diese auch klar zu benennen. Wir können Probleme nur lösen, wenn wir sie auch benennen - nicht, wenn wir die Augen davor zu machen. Das haben Sie - im Zusammenhang mit den Heimkindern - auch selbst gefordert.
Und an die Kollegen von der ÖVP, was die Frage mit den Deutschklassen betrifft - meine Kollegin Marina Hanke hat schon darauf hingewiesen -: Deutschklassen zu fordern, ist natürlich genauso ideologisch, wie Sie unterstellen, dass es ideologisch wäre, sie nicht zu fordern - beides hat irgendwelche Gründe im Hintergrund -, aber: Dass Deutschklassen in der Form, wie sie jetzt stattfinden, nicht funktionieren, wurde von mehreren Experten festgehalten, und zwar nicht, weil die Kinder nicht Deutsch lernen wollen, sondern weil dann, wenn in einer Klasse Kinder zusammengesetzt sind, die unterschiedliches Alter und unterschiedliche Lernniveaus haben, die Kinder nichts lernen können. Das Wichtige ist, dass sie individuelle Betreuung haben und individuell Deutsch lernen und in Klassen untergebracht sind, wo rundherum alle anderen auch Deutsch sprechen, sonst werden sie der Sprache nicht mächtig sein. Darum geht es. Das hat auch die Kinder- und Jugendanwaltschaft so gesehen, und ich finde es sehr wichtig, das immer wieder zu betonen.
Zum Thema ehemalige Heimkinder: Wir wissen, größere Zusammenschlüsse in Wohngemeinschaften bergen Gefahren, nämlich die Gefahren von struktureller und systematischer Gewalt. Wien braucht deshalb die Kontrollstelle und Angebote, um respektvollen Umgang und individuelle Begleitung auf psychosozialer, rechtlicher und therapeutischer Ebene sicherzustellen. Es wird im Bericht kritisiert, dass es leider noch keine profunde Vergangenheitsbewältigung im Sinne der Erinnerungskultur gibt, wie es hier heißt, und es gibt die Forderung, den Antrag der ÖVP nach einem Festakt, um diese Erinnerung auch klar zu benennen. Diesem Antrag werden wir uns anschließen, weil es immer dringend nötig ist, vergangene Fehler zu benennen.
Noch dringender nötig ist es, heute Vorkehrungen zu treffen, damit so etwas nie wieder passiert. Ja, wir wissen, es ist schon viel Reform passiert. Im Zuge des Skandals um den Wilhelminenberg gab es in den 1990er Jahren - bitte, Anfang der 1990er Jahre! - eine Reform in der Kinder- und Jugendhilfe, und bis zum Jahr 2000 war diese dann auch umgesetzt, aber seither gibt es nur kleine Pflaster und keine große Restrukturierung, die aber dringend nötig wäre, und deshalb ist es ganz wichtig, auch wieder darauf hinzuweisen.
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