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Landtag, 5. Sitzung vom 24.06.2021, Wörtliches Protokoll  -  Seite 30 von 93

 

Warum sage ich das? - Weil im Zusammenhang mit Corona wieder der Personalmangel in diesem Bereich, die Überbelegung in den Wiener WGs und Krisenzentren deutlich geworden ist. Die Betreuung von traumatisierten Kindern, ohne auf mögliche Tagesstrukturen zuzugreifen, weil die Corona-Maßnahmen so waren oder weil natürlich auch Betreuungspersonal zwischenzeitlich von Krankheit und Quarantäne betroffen war, bedeutet, dass eine Betreuungsperson plötzlich acht Kinder zu versorgen hatte. Das ist zu viel, und das wissen wir, das wurde auch schon im Bericht des Stadtrechnungshofes festgehalten. Es ist nicht ein Thema, das erst mit Corona ausgebrochen ist. Schon 2019 wurden in den Krisenzentren insgesamt 1.900 Überstunden gemacht und damit die doppelte Anzahl an Überstunden, die bereits im Vorjahr geleistet worden waren. Es fehlt nach wie vor an Supervision und es fehlt an einheitlichen Qualitätsstandards für Krisenzentren, und es gibt stark verzögerte Genehmigungsverfahren für Wohngemeinschaften. Ja, es ist wunderbar, dass zumindest eine neue Wohngemeinschaft aufgemacht wurde, aber leider ist das zu wenig, und das wissen Sie alle und wir alle, und ich als Vertreterin der Opposition muss das auch immer wieder sagen, damit der Stachel im Fleisch bestehen bleibt.

 

In regionalen Krisenzentren wurden bis zu 14 Kinder statt 8 aufgenommen. Das ist ein Unterschied. Und der Stadtrechnungshof hat uns schon zu Weihnachten aufgefordert, dringend der systematischen Überbelegung der Krisenzentren entgegenzusteuern und Vorschläge zur Reduktion der Belegzahlen zu schaffen.

 

Was wir jetzt brauchen, sind mehr Personal bei der MA 11 und eine Restrukturierung des Aufgabenbereiches. Wir brauchen unterschiedliche Aufgabenprofile in den WGs, wir brauchen mögliche Qualitätszeiten mit Kindern und Jugendlichen, die dort betreut werden, dass also das Betreuungspersonal über die Grundversorgung hinaus auch Zeit hat, sich mit den Kindern und Jugendlichen tatsächlich auszutauschen. Es braucht bessere Betreuungsschlüssel, es braucht angepasste Personalplanung. Im Moment entstehen Überstunden, wenn Leute krank werden. Das heißt, es gibt einfach zu wenig Personal, und es braucht kontinuierliche Supervision und Teamentwicklung.

 

Außerdem braucht es auch eine kontinuierliche Begleitung für Jugendliche auf ihrem Weg ins Erwachsenenalter. Das Konzept Care Leaver kennen Sie, und auch hier braucht es einen dringenden Ausbau über den 18. Geburtstag hinaus. Wir müssen uns dafür einsetzen, dass die Kinder nicht mit 18 verloren gehen. Ich selber habe Kinder in dem Alter und weiß, mit 18 kann man noch hier und da gut die Hand eines Älteren gebrauchen, der einem hilft, die Wege zu finden, die man sucht.

 

Im Moment gibt es in Wien, obwohl wir eine der reichsten Städte der Welt sind, zu wenig therapeutisches Angebot für Kinder und Jugendliche in Familien, zu wenig sozialpädagogische und andere ambulante Angebote und zu wenig aufsuchende Sozialarbeit. Das wird auch im Bericht der Kinder- und Jugendanwaltschaft ausgeführt.

 

Die Angebote der „Frühen Hilfen“ bestehen derzeit nur im Westen Wiens und sollten in ganz Wien aufgestellt werden. Sie wissen, wir haben schon einmal einen Antrag dazu gestellt, wir werden weiter dazu Anträge stellen, auch heute.

 

Das Zitat dazu aus dem Bericht: „Nach wie vor ringen viele Familien gerade mit sehr kleinen Kindern um Hilfe und Begleitung in der Frühphase und kommen nur in der Region West geborene und wohnende Kinder in den Genuss dieses breiten Angebotes.“

 

Ein solches von der Kinder- und Jugendanwaltschaft seit Jahren gefordertes Angebot wäre kein Luxus, sondern sollte als notwendiges, selbstverständliches Service für vulnerable Familien in einer wachsenden Großstadt begriffen werden. Dieser Ausbau der „Frühen Hilfen“ ist ein Grundbaustein, damit wir in Zukunft auch Sozialausgaben anders verwenden können. Nur wenn wir in die Prävention investieren, nur wenn wir hier Kindern und deren Familien die Hand geben, werden wir es schaffen, sie aus der Armutsspirale und auch aus der Spirale der Gewalt herauszuholen.

 

Deshalb stellen wir hiermit einen Antrag, das Land Wien möge sich um eine Strategie und einen Ausbau der „Frühen Hilfen“ kümmern.

 

Eine multiprofessionelle, psychosoziale Betreuung für Familien in Schwierigkeiten ist eben der erste Baustein. Ein Ausbau der Kinder- und Jugendpsychiatrie ein zweiter Baustein, und die „Frühen Hilfen“ sind ein weiterer Baustein.

 

Auch beim Ausbau der Kinder- und Jugendpsychiatrie gibt es eine klare Empfehlung der Kinder- und Jugendanwaltschaft, nämlich, dass sich alle Entscheidungsträger - ich betone, alle, also Bund und Länder - mehr einsetzen müssen, um die deutliche Unterversorgung, die derzeit besteht, zu bekämpfen.

 

Eine Kürzung in der Mindestsicherung, wie sie derzeit von SPÖ und NEOS gefordert oder heute noch diskutiert werden wird, wird nicht helfen, weil wir wissen, dass besonders armutsgefährdete Familien auch besonders stark von weiteren sozialen Problemen betroffen sind - nicht nur, aber noch stärker als andere.

 

Wir können uns den komplexen Herausforderungen der Jugendhilfe nur stellen und sie verbessern, wenn wir sie auch als komplexes System erkennen. Statt ständig an einzelnen Stellen herumzudoktern, müssen wir endlich strukturelle Veränderungen schaffen. Denn wer hier investiert, hilft nicht nur doppelt, sondern laut Statistik spart man mit einer Investition in „Frühe Hilfen“ das Achtfache - ich betone noch einmal: das Achtfache - an Folgekosten in der Sozialhilfe.

 

Es wäre also durchaus sinnvoll, statt 460 Millionen EUR in eine Autobahn zu versenken, dieses Geld in die Kinder-und Jugendhilfe zu stecken, um einerseits damit nachhaltig das Klima zu schützen - ich komme wieder an den Anfang meiner Rede, das ist es, was sich Kinder und Jugendliche von uns wünschen - und andererseits das Zusammenleben in Wien, die psychische und physische Gesundheit der Einzelnen zu stärken.

 

Fazit zum Bericht: Da geht noch was - so heißt es im Bericht. Da geht noch was. Dem möchten wir GRÜNE

 

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