Landtag, 5. Sitzung vom 24.06.2021, Wörtliches Protokoll - Seite 66 von 93
man wollte offensichtlich keinen Handlungsbedarf erkennen - und die Aufsicht blieb letztlich untätig.
In jüngster Zeit sorgten Veranlagungen von Wiener gemeinnützigen Bauvereinigungen bei der Commerzialbank Mattersburg für Aufsehen. Die städtische Gesiba verlor nach vorläufigen Erkenntnissen 17,2 Millionen EUR. Dadurch wurde unmittelbar das Vermögen der Wienerinnen und Wiener geschädigt. Der ‚Kurier‘ berichtet im Artikel ‚Commerzialbank: Bauträger steuerte sehenden Auges ins Finanz-Desaster‘ vom 15. April 2021 Details zur Causa: So monieren die Prüfer des Rechnungshofes, dass dem Management ein Risiko der Veranlagung hätte bewusst sein müssen. Auch die ‚Presse‘ berichtete im Artikel ‚Brisanter Rechnungshofbericht: Was wusste die Stadt Wien über die marode Commerzialbank?‘ vom 14. April 2021 Details aus dem Rohbericht: ‚Mitte 2018 wurde eine neue Leiterin der Gesiba-Finanzabteilung installiert. Sie holte laut Rechnungshof Auskünfte über die Commerzialbank bei einem Gläubigerschutzverband ein. Dieser beurteile die finanzielle Situation als ausgezeichnet. Gleichzeitig forderte die Finanzchefin die Jahresabschlüsse 2017 und 2018 der Bank ein, erfolgreich. Jetzt kommt der besonders kritische Punkt. Denn die Rechnungshofbeamten konstatierten auf Grund dieser - bisher der Öffentlichkeit nicht bekannten -Tatsache: Die Gesiba verfügte somit bereits aus den vorliegenden Jahresabschlüssen insofern über Informationen zu finanziellen Risken, als der Haftungsstock im Falle einer Insolvenz der österreichisches Regionalbank - gemeint ist die Commerzialbank, Anmerkung der Redaktion - gering sein konnte.‘ Der ‚Kurier‘ erwähnt zudem ein Gutachten, das mangelnde Sorgfalt bei der Veranlagung in die Nähe rücken könnte: ‚Laut einem aktuellen Privatgutachten hätte aber schon anhand typischer Bilanzkennzahlen auffallen müssen, wie riskant eine Veranlagung bei der Bank gewesen sei. Etwa der auffällig hohe Zinssatz, der den Kunden gewährt wurde.‘
Seitens des Gesiba-Managements scheint man sich keines Versäumnisses bewusst zu sein, wie dem ‚Kurier‘ zu entnehmen ist: ‚Laut Baringer hat man für die Commerzialbank ein Rating des Kreditschutzverbandes 1870 vorliegen gehabt, wonach die finanzielle Situation der Bank mit ausgezeichnet und die Ausfallswahrscheinlichkeit mit 0,01 Prozent bewertet wurde. Auch sämtliche Bilanzkennzahlen waren positiv und uneingeschränkt testiert. Wie alle anderen Kunden konnten wir nicht wissen, dass im Hintergrund Malversationen laufen, sagt Baringer.‘ Diese Äußerungen werden durch ein Rechtsgutachten der Kanzlei Brandl/Talos, das der ORF zitiert, mehr als erschüttert: ‚Für das Gutachten haben die beiden Universitätsprofessoren Ewald Aschauer und Roman Rohatschek untersucht, ob Auffälligkeiten bei den Kennzahlen der Commerzialbank ersichtlich waren. Die Prüfung erfolgte auf Basis der öffentlich verfügbaren Jahresabschlussdaten im Vergleich zu anderen Regionalbanken. Schon auf dieser obersten Ebene der verfügbaren Informationen zeigen sich erhebliche Auffälligkeiten, dabei hätten Finanzmarktaufsicht und Nationalbank weit mehr und tiefergehende Daten zur Verfügung, so Aschauer. Klar ist, es gab Red Flags, da hätte jede Prüfinstanz aufschrecken müssen, verwies er etwa auf den Aufsichtsrat oder den Abschlussprüfer und allgemein auf Prüfungsinstitutionen. Bei der Prüfung einer Bank brauche es einen risikoorientieren Blick und schon anhand typischer Bilanzkennzahlen zeige sich, dass diese bei der Mattersburg-Bank teilweise weit außerhalb des Durchschnitts gelegen seien: Da muss jeder Prüfer dem auf den Grund gehen und weitere Prüfungshandlungen setzen. Auffällig war unter anderem der hohe Zinssatz, den die Commerzialbank ihren Kunden im Vergleich zu anderen Regionalbanken gewährte. Während sich die Zinssätze für Einlagen bei den Vergleichsbanken kaum unterschieden, sei jener der Commerzialbank bei 565 Prozent des Medians - plus 0,7 Prozentpunkte - gelegen. Noch kritischer sind die hohen Kreditzinssätze, die die Commerzialbank an ihre Kunden verrechnete. Diese lagen ebenfalls weit über dem Median - im Maximum 202 Basispunkte über dem Median der Vergleichsbanken. Daraus lasse sich ableiten, dass Kredite der Commerzialbank einem wesentlich höheren Risiko ausgesetzt sein müssten.‘
Ein Sprecher Gaál‘s verwies in diesem Zusammenhang lediglich auf die anstehende Routineprüfung des Unternehmens. Freilich ignorierend, dass § 29 WGG der Landesregierung umfassende Kompetenzen in der Aufsicht über gemeinnützige Bauvereinigungen einräumt.
Doch nicht nur die Gesiba büßte erhebliche Summen ein, sondern auch der Sozialbau-Verbund. Hierzu ist im Vorfeld anzumerken, dass die Sozialdemokratie an der Sozialbau AG unmittelbar beteiligt ist. Der ‚Kurier‘ berichtet in einer Vorabmeldung vom 25. Februar 2021 mit dem Titel ‚Causa Commerzialbank - Sozialbau-Verbund bangt um über 70 Millionen EUR‘ von erheblichen Verlusten des Sozialbau-Verbundes: ‚Neben den zwei bereits bekannten Unternehmen - Neuland, EGW Heimstätte - aus dem Verbund der Sozialbau AG haben fünf weitere Gelder in der Commerzialbank angelegt. Es sind dies die Volksbau mit 23,8 Millionen EUR, Wohnbau - 7,7 Millionen EUR, Familie - 3,8 Millionen EUR, Vindobona - 3,7 Millionen EUR und die Eisenhof - 2,9 Millionen EUR. Das macht mit den bereits bekannten 30 Millionen EUR eine Gesamtsumme von mehr als 70 Millionen EUR.‘ Das für das Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz zuständige Wirtschaftsministerium argumentierte in diesem Zusammenhang, dass ‚Eigenkapital nur unter Beachtung einer adäquaten Risikostreuung auf Bankguthaben oder in Wertpapieren vorgehalten‘ werden solle. Stattdessen wurde augenscheinlich ein vergleichsweise hohes Klumpenrisiko gebildet: Die bei der Commerzialbank veranlagten Unternehmen des Verbundes verfügten zum Jahresende 2018 über Bankguthaben im Ausmaß von 153 Millionen EUR und veranlagten durchschnittlich zirka 45 Prozent ihrer Gelder in Mattersburg. Die Einlagen des Verbundes bei der Bank sollen zirka 20 Prozent der Gesamteinlagen ausgemacht haben, über die die Bank verfügte, wie die ‚Presse‘ im Artikel ‚Sozialbau bunkerte halbes Bankguthaben bei Commerzialbank‘ vom 23. März 2021 berichtet.
Wie im Fall der Gesiba sprach sich SPÖ-Wohnbaulandesrätin Kathrin Gaál auch hier gegen eine
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