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Landtag, 6. Sitzung vom 13.09.2021, Wörtliches Protokoll  -  Seite 29 von 34

 

Ich würde mir wünschen, dass das im Rahmen der Verantwortlichkeit liegt, wenn der Herr Bürgermeister sagt, wir sollen hier Leute aufnehmen.

 

Der zweite Punkt: Der Herr Bürgermeister hat gesagt, er möchte 300 Richterinnen aufnehmen. Nehmen wir an, es gelingt ihm irgendwie, die Richterinnen zu identifizieren und nach Europa zu bringen. Jetzt ist es halt nicht ganz getan, zu sagen, 300 RichterInnen. Afghanistan hat aktuell eine Fertilitätsrate von 4,4 Kindern pro Frau. Wir wissen, wenn jemand Asylstatus erhält, dann gibt es Familienzusammenführung. Von Familienzusammenführung betroffen sind die nächsten Verwandten, die Kinder, die Eltern, der Ehepartner. Das bedeutet, wenn der Herr Bürgermeister sagt, 300 Richterinnen, haben wir in Wahrheit einen Faktor 7, denn pro Frau kommen im Durchschnitt 4 Kinder und 2 Eltern und 1 Ehepartner. Das heißt, wenn er von 300 Richterinnen spricht, spricht er in Wahrheit von rund 2.000 Personen, die selbstverständlich nicht alle Richter sind, die selbstverständlich aus einem völlig anderen Kulturkreis kommen und ganz neu integriert werden müssen. Und deswegen unser Appell, wenn Sie schon wollen, dass es Migration von Afghanistan nach Europa gibt, dann streuen Sie den Wienerinnen und Wienern nicht den Sand in die Augen und reden etwas von 300 Richterinnen, sondern sagen Sie, es sollen unkontrolliert tausende Afghaninnen und Afghanen kommen, das ist das, was die SPÖ-Wien haben möchte.

 

Ich gehe im Weiteren auf die Situation in Österreich ein. Österreich hat bekanntlich sehr viele Afghanen aufgenommen, wir haben eine der größten afghanischen Communities weltweit, über 40.000 Afghanen leben inzwischen in Österreich. Und tatsächlich hat es auch im Corona-Jahr 2020 und bis jetzt nicht aufgehört mit Asylanträgen. Österreich war ja und ist weiterhin mit Asylanträgen aus Drittstaaten konfrontiert, im Jahr 2020 waren es 15.000, trotz geschlossener Grenzen, im Jahr 2021 sind es bereits 11.000, und die zweitgrößte Gruppe davon sind Afghanen. Meine Damen und Herren, also zu sagen, Österreich hilft nicht, greift einfach zu kurz, Österreich ist bereits jetzt mit Asylanträgen von zig Tausenden Afghaninnen und Afghanen konfrontiert, meine Damen und Herren.

 

Und zusätzlich auf die jetzige Situation heruntergebrochen: Die Bundesregierung hilft, der Auslandskatastrophenfonds wurde aufgestockt, wir leisten Hilfe vor Ort. Dieses Bekenntnis ist da, und ich möchte betonen, es ist ein Bekenntnis, wo es um konkrete Hilfe geht, und nicht um irgendwelche Lippenbekenntnisse, dass man sich irgendwann einmal an irgendeinem Resettlement-Programm beteiligen möchte.

 

Wenn wir uns nämlich die Situation in Wien anschauen, sind die Afghanen, die seit 2015 hier gelandet sind, leider mäßig gut integriert. Und das tut mir besonders leid für Frauen, die hier ganz offensichtlich nicht die gleichen Chancen erhalten wie Österreicherinnen und Österreicher. 25 Prozent der Afghanen in Wien haben keine formale Schulbildung, weitere 25 Prozent haben lediglich die Grundschule besucht. Die Arbeitslosigkeit von afghanischen Frauen in Wien liegt momentan bei 63 Prozent. Wir wissen aus Wertestudien, dass der Wertehorizont von Menschen aus Afghanistan überhaupt nicht mit dem in Österreich gängigen zusammenpasst. 54 Prozent der befragten Jugendlichen einer Studie erachteten Gewalt als legitimes Mittel zur Herstellung von Ehre und Respekt, 56 Prozent befürworteten Gewalt, wenn ihre Religion beteiligt ist. Und abschließend, leider sind auch in der Kriminalitätsstatistik Afghanen und Afghaninnen überrepräsentiert, besonders, wenn es um Vergewaltigung geht. Leider.

 

Und deswegen ist mein Appell: Wenn Sie über Afghanistan sprechen und wenn Sie sagen wollen, wir helfen konkret, dann beginnen Sie doch zuerst einmal dort, wo Ihr unmittelbarer Verantwortungsbereich ist. Das ist in der Integrationspolitik in Wien. Sorgen Sie dafür, dass Menschen aus Afghanistan, die bereits in Wien sind, gut integriert werden, die gleichen Chancen bekommen, und dann können wir vielleicht über weiteren Zuzug sprechen, meine Damen und Herren. Zuerst Verantwortung dort wahrnehmen, wo Sie sie haben.

 

Ein abschließendes Wort zum SPÖ-Antrag, bei dem inhaltlich nichts dagegenspricht. Was tatsächlich aber der Fall ist, ist, dass die Bundesregierung alles das bereits erfüllt. Das ist eins zu eins Linie der Bundesregierung, das ist eins zu eins, was Österreich bereits macht. Und deswegen sehen wir keinen Grund, das noch einmal in einem Antrag zu verstärken.

 

Insgesamt, meine Damen und Herren, schauen Sie, dass Sie dort tätig werden, wo Sie helfen können, nehmen Sie Abstand von puren Lippenbekenntnissen, Ablenkungsmanövern und davon, der Wiener Bevölkerung Sand in die Augen zu streuen. - Danke schön.

 

Präsident Mag. Manfred Juraczka: Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich halte ja Zwischenrufe normalerweise für durchaus befruchtend für den Parlamentarismus, wir haben nur hier das Problem im Festsaal, man versteht Sie akustisch einfach nicht. Herr Kollege Margulies, ich habe gesehen, Sie waren durchaus engagiert jetzt dabei, aber keine Ahnung, was die Zwischenrufe waren. Ich weiß jedoch, dass wir im Plenarsaal dann auch während der Reden wieder mehr in den Dialog gehen können, und ich denke, ich bin nicht der Einzige, der sich schon darauf freut, wenn wir wieder Normalität auch in der Sitzungsgebarung haben.

 

Es sind noch einige Wortmeldungen nachgemeldet worden, aber zuvor liegt mir eine Meldung für eine tatsächliche Berichtigung vor. - Herr Abg. Florianschütz, Sie haben das Wort.

 

12.13.59

Abg. Peter Florianschütz, MA, MLS (SPÖ)|: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren!

 

Es ist hier der Anschein erweckt worden, als hätten wir die Resolution zum Thema Afghanistan und die dortige Situation als Ablenkungsmanöver eingebracht. Ich darf Ihnen versichern und berichtige tatsächlich, das ist keineswegs ein Ablehnungsmanöver, es ist der Menschenrechtsstadt Wien ein Herzensanliegen, sich um Menschenrechte zu kümmern und den dort lebenden Menschen - ich habe es ja in meiner ersten Wortmeldung ausführlich angeführt - real zu helfen. Was uns daran hindert, ist die Bundesregierung. Darauf zielt dieser

 

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