Landtag, 7. Sitzung vom 23.09.2021, Wörtliches Protokoll - Seite 9 von 62
lich. Ich ersuche um Nachsicht. Ich habe versucht, mich auf eventuelle Zusatzfragen vorzubereiten, aber diese war nicht dabei. Sorry.
Präsident Ernst Woller: Danke. Also wir werden ja die Diskussion auch weiterführen, auch dann, wenn die Bauordnung zur Diskussion steht.
Die 4. Anfrage (FSP-1122701-2021-KGR/LM) wurde von Frau Abg. Otero Garcia gestellt und ist an den Amtsführenden Stadtrat für Klimaschutz, Umwelt, Demokratie und Personal gerichtet. Da die Frau Abgeordnete entschuldigt ist, entfällt nach § 34 Abs. 2 der Geschäftsordnung die Beantwortung dieser Anfrage.
Die 5. Anfrage (FSP-745945-2021-KVP/LM) wurde von Herrn Abg. Gasselich gestellt und ist an den Herrn Landeshauptmann gerichtet. (Im aktuellen Regierungsprogramm wird eine eigenständige (!) Reform bzw. die Ausweitung des Interpellationsrechtes in Wien angekündigt - grundsätzlich ein sehr lobenswerter Schritt. In der Vergangenheit hat bereits Landeshauptmann Dr. Michael Häupl in der Fragestunde im September 2013 im Wiener Landtag eine Reform angekündigt und in diesem Zusammenhang von einem 'systemischen Webfehler' gesprochen, den es zu beseitigen gelte. Wann konkret werden wir mit der Umsetzung der eigenständigen Reform des Interpellationsrechtes in Wien rechnen können?)
Ich ersuche den Herrn Landeshauptmann um Beantwortung.
Lhptm Dr. Michael Ludwig: Sehr geehrter Herr Landtagspräsident! Hoher Landtag! Sehr geehrter Herr LAbg. Gasselich!
Zu den einschlägigen Rechtsgrundlagen möchte ich eingangs festhalten, dass gemäß § 117 der Wiener Stadtverfassung jeder und jede Landtagsabgeordnete nach Maßgabe dieses Gesetzes und der vom Landtag zu beschließenden Geschäftsordnung das Recht der schriftlichen und mündlichen Anfrage an den Landeshauptmann und die zuständigen Mitglieder der Landesregierung haben. Bekanntlich bezieht sich das Fragerecht auf Landesebene dabei auf den Bereich der selbstständigen Vollziehung des Landes, wozu sowohl Angelegenheiten der Hoheitsverwaltung als auch der Privatwirtschaftsverwaltung gezählt werden können. Auch das im § 15 der Wiener Stadtverfassung geregelte Interpellationsrecht auf Gemeindeebene ist derart vergleichbar gestaltet und betrifft daher ausschließlich den eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde.
Auf Ebene der Bundesverfassung ist rechtlicher Anknüpfungspunkt für Fragen zur Ausgestaltung des Interpellationsrechtes die Bestimmung des Art. 52 der Bundesverfassung. Dieser sieht die Befugnis von Nationalrat und Bundesrat vor, die Bundesregierung beziehungsweise deren Mitglieder über alle Gegenstände der Vollziehung zu befragen und alle einschlägigen Auskünfte zu verlangen. Die genannte Bestimmung der Bundesverfassung hat den Zweck, dem Nationalrat die Geltendmachung der politischen Verantwortung der genannten Vollzugsorgane zu ermöglichen. Die Kontrolle der Vollziehung gemäß Art. 52 der Bundesverfassung kann aber immer nur so weit gehen, wie die nach der Rechtsordnung bestehenden Einflussmöglichkeiten, die sogenannte Ingerenz, der Bundesorgane reichen. Dies wird auch als das Ingerenzprinzip bezeichnet.
In Bezug auf die Unternehmen des Bundes wird dieses Prinzip in den einschlägigen Gesetzesmaterien folgendermaßen umschrieben, und da möchte ich jetzt zitieren daraus: „Wird eine wirtschaftliche Tätigkeit durch Organe einer selbstständigen juristischen Person ausgeübt, so kann sich das Interpellationsrecht nur auf die Rechte des Bundes, zum Beispiel Anteilsrechte in der Hauptversammlung einer Aktiengesellschaft, und die Ingerenzmöglichkeiten seiner Organe beziehen, nicht jedoch auf die Tätigkeit der Organe der juristischen Person, die von den Eigentümervertretern bestellt wurden.“ Zitat Ende.
Konkret bedeutet diese Formulierung, dass die politische Kontrolle der Interpellation nicht mehr greift, wenn keine für eine Kontrolle erforderliche Verwaltungstätigkeit mehr vorliegt. Kurzum ist das der Fall, wenn ein selbstständiger Rechtsträger wie etwa die Wiener Linien in privatrechtlichen Formen handelt. Ich habe diesen Zusammenhang in meiner schriftlichen Beantwortung zu diesem Themenkomplex im Oktober 2018 bereits erläutert. Zweck des Interpellationsrechtes ist nämlich die Kontrolle der Vollziehung, soweit sie durch die Verwaltungsorgane zu verantworten ist. Der Bundesverfassungsgesetzgeber hat mit der Einführung des Art. 52 der Bundesverfassung Abs. 2 daher klargestellt, dass sich die Interpellation nicht auf selbstständige Unternehmen bezieht, sondern nur so weit geht, als Organen des Bundes Ingerenzrechte zustehen.
Ich gehe deshalb so intensiv auf die einschlägigen Regeln der Bundesverfassung ein, da eine Landesverfassung nicht im Widerspruch zur Bundesverfassung stehen darf. Somit ist auch der Wiener Landesgesetzgeber bei der Schaffung von Interpellationsverfahren und Interpellationsrechten auf Landes- und Gemeindeebene an diese bundesverfassungsrechtlichen Vorgaben gebunden. Daraus ergibt sich, dass der Landesgesetzgeber kein dem Inhalt des Art. 52 der Bundesverfassung widersprechendes und damit auch kein weitergehendes Interpellationsrecht vorsehen darf, als es dem bundesverfassungsgesetzlich vorgegeben Ingerenzprinzip entspricht. Eine Änderung dieser Vorgaben kann nur der Bundesverfassungsgesetzgeber und nicht der Landesgesetzgeber verfügen. Die Stadt Wien hat bundesverfassungsgesetzlich das vorgegebene Ingerenzprinzip in der Wiener Stadtverfassung implizit und deutlich übernommen. Sie sehen also, dass der rechtliche Rahmen im gegenständlichen Bereich durchaus diffizil ist und Änderungen an den eingangs erwähnten Bestimmungen der Wiener Stadtverfassung einer besonders sorgfältigen Prüfung bedürfen. Jedenfalls bildet eine Änderung des von mir bereits mehrfach zitierten Art. 52 der Bundesverfassung die Grundvoraussetzung für die von Ihnen angesprochene Änderung des Interpellationsrechtes.
Abschließend halte ich im Hinblick auf die dargelegten Rahmenbedingungen fest, dass es nach meinen Empfindungen gerade in den momentan doch sehr herausfordernden Zeiten durchaus zweckmäßig erscheint,
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