Landtag, 10. Sitzung vom 27.01.2022, Wörtliches Protokoll - Seite 6 von 25
endlichen Rohstoff zugreifen. Bei den bestehenden Kapazitäten von Atomkraftwerken, wir reden von 2 bis 3 Prozent der weltweiten Energieversorgung, gibt’s noch zirka für 100 Jahre Uran. Wenn man jetzt das macht, wofür die Atomlobby kämpft und einem Ausbau der Atomenergie das Wort redet, sagen wir. Verdoppelung der Kapazitäten, na gut, dann gibt’s halt einfach nur mehr Uran für 50 Jahre. Da sieht man schon, es ist eine relativ kurze Zeitspanne und hat mit Erneuerbarkeit alles andere als viel zu tun.
Ein drittes Argument möchte ich Ihnen noch mitgeben, weil das sehr aktuell in einer Studie der Wiener Umweltanwaltschaft abgebildet worden ist. Ich kann Sie nur einladen, die auch weiterzuverbreiten. Atomenergie ist billig - das ist sie natürlich nicht. Atomenergie ist teurer als alle erneuerbaren Energieträger. Das gilt auch, womit wir beim vierten Fake-News-Thema sind, für neue Formen von Reaktortypen, ob das jetzt Schnelle Brüter sind, also Reaktoren der 4. Generation, oder das neue große Luftschloss, ganz besonders von Frankreich betrieben, für Small Modular Reactors, also Minireaktoren, wenn man so will. Was genau diese Small Modular Reactors jetzt wirtschaftlich können, hat eine Studie, die die Wiener Umweltanwaltschaft beauftragt hat, sich genauer angeschaut. Kurz zusammengefasst sagt die Nuklearindustrie, also ganz besonders auch zum Beispiel der Präsident der Französischen Republik, das geht einfach billiger, weil man kann sie standardisiert herstellen. Es braucht ein bissel weniger Geld, das zu machen, es braucht ein bissel weniger Risiko, das man miteinplanen kann.
Kurz zusammengefasst: Von all diesen Argumenten ist in der Realität keine Spur zu finden. Es gibt ganz viele Projekte, aber alles andere als standardisierbare Serienproduktion. Es gibt überhaupt nur zwei Reaktoren, die in Betrieb sind, die man als Small Modular Reactors bezeichnen kann. Das sind zwei modifizierte Antriebsreaktoren für Eisbrecher auf Schwimmkähnen, die in Russland dort hinmontiert worden sind. Also da sieht man schon, auch nicht wirklich ein gutes Argument.
Also kurz zusammengefasst: Ganz unabhängig, wie man zu den Risken der Atomenergie steht, und ich glaube, wir haben hier im Haus eine eindeutige gemeinsame Meinung nach den Katastrophen in Tschernobyl, Fukushima. Ganz unabhängig davon, wie man zur Frage steht, dass uns für die Endlagerproblematik zwar seit 70 Jahren eine Lösung versprochen worden ist, aber noch immer nicht gelöst ist. Ganz unabhängig, wie man zur Aussage von Emmanuel Macron steht, keine zivile Nutzung ohne militärische Nutzung. Ganz unabhängig von dem allen, Kernenergie ist teurer als alle anderen Formen der Stromerzeugung. Kernenergie ist auf Grund beschränkter Ressourcen nicht wirklich ausbaufähig. Kernenergie ist im Vergleich mit Erneuerbaren weder CO2-arm noch ressourcenschonend. Kernenergie hat zu lange Umsetzungszeiträume, um einen relevanten Beitrag zum Stoppen der Klimakrise zu leisten. Und das ist der Grund, warum wir uns als Stadt Wien nicht so wie immer, sondern derzeit noch verstärkter in den gemeinsamen Kampf gegen Atomenergie einbringen.
Präsident Ernst Woller: Danke für die Beantwortung. Die 1. Zusatzfrage wird gestellt von der SPÖ. Ich erteile Frau Abg. Bozatemur das Wort.
Abg. Aslihan Bozatemur (SPÖ): Sehr geehrter Stadtrat! Vielen Dank für die faktenbasierte Entkräftung der Atomlobby-Mythen.
Meine Frage ist: Welche Initiativen kann Wien zur aktuellen Taxonomieproblematik setzen beziehungsweise welche setzen Sie als Vorsitzender des Städtenetzwerks „Cities for a Nuclear Free Europe“?
Präsident Ernst Woller: Bitte, Herr Stadtrat.
Amtsf. StR Mag. Jürgen Czernohorszky: Nachdem ich im Herbst in Glasgow, und ich glaube, so ist es allen gegangen, die dort waren, direkt am eigenen Leib erlebt hab‘, wie intensiv die Atomlobby da momentan arbeitet, war ehrlich gesagt der Schwenk der EU-Kommission nicht ganz überraschend. Es war wirklich mit ziemlich viel Ressourceneinsatz zu erleben, wie das ist, sozusagen mit großer Energie für die Atomenergie als grüne Energie in der Taxonomie zu lobbyieren. Mein Eindruck war, und das ist jetzt ja auch erwiesenermaßen, dass die EU-Kommission diesem Druck einfach nachgegeben hat. Das zeigt auf der anderen Seite, alles, was es an Lobbyarbeit gibt, um dagegen zu arbeiten, muss man natürlich intensivieren und auch nutzen und da hat die Stadt Wien seit der Fukushima-Katastrophe eine besondere Rolle. Wien hat damals das Netzwerk der Städte in Europa für ein atomkraftfreies Europa, also die „Cities for a Nuclear Free Europe“, ins Leben gerufen. Ich halte derzeit die Präsidentschaft dieses Netzwerkes. Es gibt einen Grund, warum sich Städte zusammenschließen. Städte sind von allfälligen Nuklearkatastrophen besonders betroffen auf Grund der dichtbesiedelten Gebiete, die Städte eben darstellen. Das ist auch der Grund, warum es so viele Städte gibt, die sich im CNFE zusammengeschlossen haben. Gesammelt vertreten wir 14 Millionen Menschen und eben als Vorsitzender dieses Städtenetzwerks habe ich mich schon im Sommer an die EU-Kommission gewendet. Wir haben an die Frau Präsidentin Ursula von der Leyen geschrieben und uns klar gegen den Einsatz von EU-Geld für neue Kernkraftwerke ausgesprochen. Es gab auch einen sehr umfassenden Antwortbrief von der Kommissarin Marija Gabriel, die uns zugesichert hat, dass kein EU-Geld mehr für die Entwicklung, für den Bau, für die Nutzung von Kernkraftwerken ausgegeben wird. Das war im Juli 2021.
Umso enttäuschender ist der Schwenk und umso wichtiger ist, dass es jetzt auch an der Zeit ist, die Verantwortlichen in der EU-Kommission genau an diese Worte zu erinnern. Das machen wir gemeinsam. Mit unseren Partnerstädten haben wir wieder an die Präsidentin Von der Leyen geschrieben, um unseren Standpunkt klar zu machen, um noch einmal an den Briefwechsel, wenn man so will, zu erinnern. Wir haben auch vor Jahreswechsel eine Initiative gestartet, um weitere Partner zu finden. Ich habe mich an alle größeren französischen Städte gewandt, die noch nicht Teil des Netzwerkes sind, damit sie zusätzlich die Stärke des Netzwerkes vergrößern, um eben gerade in Frankreich die Lobby gegen die Atomkraft verstärken zu können. Ja,
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