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Landtag, 23. Sitzung vom 21.06.2023, Wörtliches Protokoll  -  Seite 4 von 68

 

wir in Wien rasch und unbürokratisch helfen, ist selbstverständlich, weil wir Gewalt gegen Frauen nicht akzeptieren, egal, wo.

 

Ich darf das heute nur in Vertretung machen, möchte aber noch eine persönliche Anmerkung machen, vielleicht gerade, weil ich nicht Frauenstadträtin bin. Gewalt gegen Frauen ist nämlich kein kleines Thema oder ein unwichtiges Thema, es geht um Leben und Tod. Wir leben in einem Land, in dem im letzten Jahr 28 Femizide durchgeführt wurden, das sind Morde an Frauen, weil sie Frauen sind, in einem Land, wo auch heuer schon 12 Femizide begangen worden sind. Das ist eine unglaubliche Tragödie, das muss jede und jeden von uns aufrütteln. Eine von fünf Frauen ist von sexueller oder körperlicher Gewalt betroffen, und wir können uns daher nicht leisten, das Thema nicht jeden Tag - völlig egal, ob jemand von uns ein Mann oder eine Frau ist - auf die Tagesordnung zu bringen. Gewalt an Frauen geht uns also alle an.

 

Gewalt an Frauen hat Gründe wie immer noch viel zu weit verbreitete radikale Besitzansprüche, verquere Männerbilder, Überlegenheitsdenken, Frauenhass, aber Hand aufs Herz: Gewaltschutz ist ja nur die Spitze des Eisbergs. Aufhören wird das Thema erst, wenn wir es geschafft haben, eine Gesellschaft zu erarbeiten, die keine patriarchale mehr ist, eine Gesellschaft der Gleichen und eine Gesellschaft der Gleichwertigkeit. Das muss unser Selbstverständnis sein.

 

Ich sage das auch deshalb, weil ich heute in der Früh die Zeitung gelesen habe und ein globaler Gender Gap Report erschienen ist, der de facto den Stillstand beim Weg zu dieser Gleichstellung berichtet. Wenn man so weiter tut, wenn die Welt so weiter tut, dann ist die Gleichberechtigung in 131 Jahren erreicht, und leider sind die Daten auch Österreich betreffend keine erfreulichen. Österreich fällt in diesem Bericht von Platz 21 auf Platz 47 ab, das übrigens deshalb, weil die politische Teilhabe von Frauen zurückgegangen ist.

 

Ich erinnere an das große Thema von gestern. Die politische Teilhabe von allen ist eine zentrale Grundlage dafür, dass unsere Gesellschaft überhaupt funktioniert. Deshalb war auch von meiner Seite dieses klare Bekenntnis, ein Bekenntnis, zu dem ich nur alle hier im Haus auch auffordern kann, Frauenpolitik als zentrales Anliegen für uns alle in allen politischen Bereichen zu sehen.

 

Ich bin sehr stolz, in einer Stadt zu leben, die so viel erreicht hat, die so viele politische Erfolge hat. Ich möchte dafür auch ganz speziell der Frauenstadträtin, der Abteilung, allen Beteiligten in NGOs, in den Frauenhäusern großen Dank und großen Respekt aussprechen. Ich bin aber auch stolz, in einer Stadt zu leben, in der nie gesagt wird, alle diese Erfolge sind schon genug. Im Gegenteil: Es muss sehr, sehr viel getan werden. (Beifall bei SPÖ, NEOS und GRÜNEN.)

 

Präsident Ernst Woller: Ich danke für die Beantwortung. Bevor ich zur 1. Zusatzfrage komme, möchte ich eine große Gruppe auf unserer Galerie begrüßen, eine Gruppe der MD-Recht. Wir sind sehr froh, dass Sie heute unserer Landtagssitzung beiwohnen. (Allgemeiner Beifall.)

 

Die 1. Zusatzfrage wird von Frau Abg. Nittmann gestellt, die ich damit auch wieder herzlich im Wiener Landtag begrüßen darf.

 

9.13.34

Abg. Mag. Ulrike Nittmann (FPÖ): Herr Stadtrat, es tut mir sehr leid, dass die Frau Stadträtin nicht hier ist, denn das ist ein Frauenthema und das hätte ich gerne von Frau zu Frau mit ihr besprochen. Ich appelliere aber an Ihre weibliche Seite, und Sie werden mir das dann vielleicht auch beantworten können.

 

Wir beobachten eine Korrelation zwischen dem Anstieg von Femiziden und dem Anstieg der Migration, von Menschen, die aus Kulturkreisen kommen, die wenig Toleranz gegenüber Frauen haben und Frauen oft als Menschen zweiter Klasse sehen. Das führt natürlich zu Gewalt, bis hin zu Femiziden, insbesondere dann, wenn sich diese Frauen aus diesen Kulturkreisen deren festgefügten Rollenbildern nicht fügen wollen. Jetzt ist meine Frage: Abgesehen von der Einrichtung der Frauenhäuser, was eine ganz wichtige Sache ist, und auch von den Vereinen, die subventioniert werden, die mitunter auch diesen Aspekt sehen: Welche konkreten Maßnahmen gedenkt die Regierung oder halt die Frau Stadträtin, die ich leider heute nicht selber fragen kann, zu setzen, die genau auf diesen kulturspezifischen Aspekt abzielen?

 

Präsident Ernst Woller: Ich bitte um Beantwortung.

 

Amtsf. StR Mag. Jürgen Czernohorszky: Danke für die Frage. Also zuerst bin ich keine Frau, aber Feminist. Ich glaube, ich bin also grundsätzlich qualifiziert, so wie hoffentlich jeder - ich habe das vorhin auszuführen versucht - und jede, weil das Thema alle angeht. (Beifall bei SPÖ, NEOS und GRÜNEN.)

 

Ich bin aber natürlich nicht ganz so qualifiziert, weil ich die Fachzuständigkeit nicht habe, insofern haben Sie sicherlich recht, dass die Frau Landeshauptmann-Stellvertreterin dazu deutlich mehr berichten könnte. Meines Wissens - und ich glaube, das ist ja generell auch die grundlegende Erkenntnis, wenn es um Gewalt geht - findet ein überwiegender Teil, so gut wie jeder Frauenmord innerhalb einer Beziehung statt, einer ganz offenkundig toxischen Beziehung. Ich glaube, daran kann man schon erkennen, dass es grundlegend unser Anliegen sein muss, dagegen vorzugehen, und zwar in allen Bereichen, dass das Private, wenn es um die Gewalt an Frauen und um Besitzansprüche, die verquer sind, wenn es um Unterdrückung geht, nicht unpolitisch sein darf, sondern politisch ist. Es müssen eben genau diese Paarbeziehungen in einer Gesellschaft beleuchtet werden, die auf ganz vielen Ebenen wegschaut, wenn Ungleichheit herrscht, wenn Frauen unterdrückt werden und wenn es eben auch ungleiche Abhängigkeitsverhältnisse gibt. Das einmal zum Grundsätzlichen. Ich glaube auch, das ist uns allen zumutbar: Wenn wir in einer Gesellschaft leben, in der es quasi hinter verschlossenen Türen so zugehen kann, dann müssen wir diese Türen und Fenster weit aufreißen.

 

Viele haben sich in den letzten Tagen, Monaten und Jahren verdient gemacht, diese Frauenmorde auch wirklich aufzuarbeiten. Es gibt Bücher dazu, es gibt im Web gut dokumentierte Aufarbeitungen. Wie gesagt, ich bin jetzt kein Experte, aber ich weiß von meiner Lektüre dieser Bücher und dieser Aufarbeitungen im Netz, dass es

 

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