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Landtag, 23. Sitzung vom 21.06.2023, Wörtliches Protokoll  -  Seite 64 von 68

 

Kinder haben, sind sie auf verschiedenste Art benachteiligt. Sie sind auf eine besondere Betreuung angewiesen, die derzeit nicht ausreichend zur Verfügung steht. Ihnen fehlen der Zugang zu adäquaten integrativen Bildungs- und Betreuungsangeboten, bereits in Kindergarten und Schule, sowie ausreichende Sozialleistungen.

 

Unser derzeitiges Bildungs- und Sozialsystem verletzt Kinderrechte. Damit haben diese Kinder folglich weniger Chancen, einen Job zu finden oder als gleichberechtigte Menschen an der Gesellschaft aktiv teilzunehmen, und damit sind sie auch nicht nur in finanzieller Hinsicht arm, nein, sondern auch auf Grund der sozialen und strukturellen Barrieren in ihren Entwicklungsmöglichkeiten und Lebensperspektiven eingeschränkt. Echte Inklusion kann diesen Kreislauf durchbrechen, und so sind alle Institutionen aufgefordert, Kinder mit Behinderung in rechtlichen und planerischen Prozessen mitzudenken und mit einzubeziehen. (Beifall bei SPÖ, GRÜNEN und NEOS.)

 

Denn eine Behinderung darf nie ein Grund sein, von der Gesellschaft ausgegrenzt zu sein, und auch hier werde ich deshalb fragen: Warum wollen wir nicht noch mehr gegen Kinderarmut tun und diese beenden? Derzeit ist jedes dritte Kind in Wien von Armut betroffen, und Kinder mit Behinderungen müssen bei der Armutsreduktion stärker berücksichtigt werden.

 

Armut ist gesellschaftlich konstruiert: Wir entscheiden über Bildungsangebote, Gesundheitsprävention und sozialen Zusammenhalt in unserer Gesellschaft, wir gestalten unser Land und wir verantworten, wer inkludiert ist und wer nicht. Derzeit sind wir leider recht exkludierend unterwegs. So gelingt es uns seit Jahrzehnten weder, ein inklusives Bildungssystem aufzubauen, noch, eine adäquate Gesundheitsprävention für Kinder sicherzustellen. Mittlerweile ist sogar die Gesundheitsversorgung für Kinder und Jugendliche so prekär, dass wir versuchen, Wartelisten zu rechtfertigen, obwohl wir wissen, welche dramatischen Folgen diese Verzögerungen mit sich bringen.

 

Seit nunmehr 30 Jahren argumentiert die Kinder- und Jugendanwaltschaft alle Forderungen über Kinderrechte, seit 10 Jahren haben wir durch das B-VG - Kinderrechte nationales Recht im Verfassungsrang geschaffen, das Kindern ihre Rechte zusichert, und doch bleiben wir in unseren Entscheidungen diesen Rechten von Kindern nicht gewogen.

 

2021 war ein Jahr der persönlichen Erschöpfung und Aufopferung, gerade in den Sektoren Bildung, Soziales und Gesundheit, und auch 2022 sahen wir ausgelaugte Kolleginnen und Kollegen in diesen Bereichen. Immer wieder musste die Kinder- und Jugendanwaltschaft Überbelag in Krisenzentren beanstanden, Interventionen setzen, um Aufnahmen auf der Akutpsychiatrie für Jugendliche zu sichern, oder im Kindergartenbereich feststellen, dass Kinder mit Behinderungen erst im letzten Jahr einen Kindergartenplatz bekommen. All diese festgestellten Problemlagen hängen unter anderem mit der allgegenwärtigen Personalnot zusammen sowie mit den ständig steigenden Anforderungen an Familien, in der Gesellschaft ihr Leben abzusichern.

 

Daher darf ich mich wiederholen: Jedes dritte Kind in Wien ist von Armut betroffen, und wir wissen, dass Armut gesellschaftlich konstruiert ist. Die Folgen dieser Armut sehen wir in unserer Arbeit jeden Tag, und wir sind empört, wir sind erschüttert, traurig und verzweifelt, dass es uns nicht gelingt, mehr Aufmerksamkeit bei den EntscheidungsträgerInnen, bei Ihnen, für dieses Thema zu erreichen und dieses Übel auszumerzen.

 

Sehr geehrte Damen und Herren! Die Arbeit mit Kindern, das Leben mit Kindern ist wohl das Bereicherndste, was man sich vorstellen kann. Ihre Kraft und Energie, die Welt zu entdecken, ihre Leidenschaft und Hingabe im Spiel, sich selbst und ihre Umwelt zu erforschen, ihre Unbescholtenheit und Aufrichtigkeit, ihr Wunsch, Gutes zu tun, müssen uns Leitlinien für unser eigenes Verhalten sein. Wenn wir Erwachsene diese Leidenschaften in unser Handeln übernehmen, können wir Kindern eine reale Perspektive auf eine intakte Welt geben. Generationenethik verpflichtet uns dazu, Kindern eine nachhaltige Lebensweise zu garantieren. Es liegt nun an allen VerantwortungsträgerInnen, alle Kinder unserer Stadt und unseres Landes von Armut zu befreien, vor Umweltzerstörung zu schützen und vor anhaltendem Adultismus zu bewahren.

 

Ich möchte mich abschließend bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Kinder- und Jugendanwaltschaft für ihre herausragende Arbeit bedanken. Sie verteidigen jeden Tag die Kinderrechte in unserer Stadt und werden niemals müde, kinderrechtlich zu argumentieren. Mein Dank und meine Anerkennung gelten auch meinem Kollegen Ercan Nik Nafs, dem es gelungen ist, das jahrelang aufgebaute Projekt des Wiener Netzwerks für Demokratiekultur und Prävention in den Magistrat zu integrieren. Ich möchte mich an dieser Stelle für die Zusammenarbeit und für sein Engagement für die Kinder und Jugendlichen dieser Stadt bedanken. (Beifall bei SPÖ, GRÜNEN, NEOS und ÖVP.)

 

Ebenso gilt mein Dank den Magistratsabteilungen der Stadt Wien beziehungsweise ihren Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen, die unsere Vorschläge und Empfehlungen bemüht und engagiert umzusetzen versuchen. Dies führt mich zu einem weiteren Dank, der sich an die geschätzten Stadträtinnen und Stadträte richtet, ebenso wie auch an Sie, werte Abgeordnete, denn Sie gestalten unsere Stadt.

 

Und weil das Beste zum Schluss kommt, möchte ich mich direkt bei den Kindern und Jugendlichen der Stadt bedanken und sie auch direkt ansprechen, denn das haben sie sich nach diesen harten Jahren mehr als verdient. Ihr erfüllt unsere Stadt mit Leben, ihr zaubert uns ein Lächeln ins Gesicht, und wegen euch wollen wir alle besser werden. Das schafft ihr und das macht ihr mit uns - dafür seid ihr großartig und dafür gehört euch ein großes Dankeschön gesagt. (Beifall bei SPÖ, NEOS, ÖVP und GRÜNEN sowie von Abg. Wolfgang Seidl.)

 

Und was ich uns Erwachsenen mitgeben muss oder gerne mitgeben möchte: Im Kinderschutz sagen wir immer, es gibt keine schwierigen Kinder, es gibt nur schwierige Erwachsene. - Vielleicht hilft uns das weiter beim Nachdenken.

 

Ich darf Sie heute für die Bedeutung der Kinderrechte und unseres Tätigkeitsberichtes 2022 begeistern. Mit der Umsetzung der formulierten Empfehlungen sichern wir

 

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