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Landtag, 24. Sitzung vom 21.09.2023, Wörtliches Protokoll  -  Seite 44 von 57

 

Jetzt stehen auch wieder Begründungen drinnen: Ukraine-Krieg, ein Haufen neuer Leute, eine neue Regelung bei Holocaust-Nachfahren, bei Überlebenden, die die Staatsbürgerschaft beantragen können. Dann steht da drinnen, wie viele Leute dort arbeiten, und dann kommen ganz viele Beispiele für eine lange Wartezeit auf Termine und Verfahrensverzögerungen.

 

Das sind jetzt keine Kleinigkeiten mehr. Dass die Volksanwaltschaft mit Beschwerdefällen konfrontiert war, bei denen Antragsteller nach dem Erstgespräch im Durchschnitt ein Jahr nichts mehr hören und es, wenn man anruft, bis zu einem Jahr braucht, um einen Ersttermin zu bekommen, bei dem man dann mitgeteilt bekommt, was man beim nächsten Gespräch mitbringen soll, ist jetzt so. Das habe ich oder jemand anderes hier, glaube ich, vor einem Jahr fast wortgleich gesagt, und vor zwei Jahren hat es wahrscheinlich auch schon jemand gesagt.

 

Wenn man den Bericht durchliest, kommt ein solches Beispiel nach dem anderen. „Gründe für diese Verfahrensverzögerungen nannte die MA 35 zumeist nicht“, steht da drinnen. Es sind im Berichtsjahr 2022 doppelt so viele Beschwerden wie im Jahr davor. Das nimmt nicht ab, sondern das wächst - nicht ein bisschen, sondern das hat sich nahezu verdoppelt, wie die Volksanwaltschaft hier festhält.

 

Ein paar muss ich einfach herausnehmen. Man redet ja nicht davon, wenn das zwei oder drei Monate länger dauert, als es gesetzlich dauern sollte. „Jahrelange Ermittlungen und Verzögerungen“: Da stehen Beispiele drinnen. Ein Verfahren hat 2014 angefangen, und 74 Monate später - 74 Monate sind mehr als 6 Jahre, damit wir es umlegen, 6 Jahre und 2 Monate -: einfach nichts. Das nächste Verfahren: 72 Monate. Das sind genau 6 Jahre. Das muss man sich einmal vorstellen: Es geht darum, ob man eine Niederlassungsbewilligung kriegt, ob man da bleiben darf, ob die Familie da bleiben darf. Man wartet 6 Jahre, und es passiert nichts. Das ist ja für so eine Familie wirklich eine Katastrophe.

 

Dann kommen ganz viele Beispiele zwischen 36 und 58 Monaten - die sind da alle aufgelistet -: Staatsbürgerschaftsverfahren, die alle ewig dauern. Wie kommt das zustande? - Manchmal braucht die MA 35 etwas von einer anderen Behörde, urgiert dort aber nicht. Der Zettel kommt aber nicht von selber daher, wenn man niemanden fragt. Wenn sie nachfragt, wird ein Mal gefragt. Dann kommt er nicht, und ein ganzes Jahr lang kommt man nicht darauf, noch einmal anzurufen oder nachzufragen. Somit passiert wieder nichts.

 

Das passiert nicht, weil die Leute dort nicht arbeiten. Das sagt ja niemand. Ich glaube, dass es wahnsinnig anstrengend ist, dort zu arbeiten, und dass sich so auch die hohe Fluktuation dort erklärt. Dort sind einfach zu wenig Leute. Es wird immer wieder ein bissel nachgeflickt, mit 10, 20 oder 40 Leuten mehr. Es scheint nicht auszureichen. Ich kenne das ja noch aus den Gesprächen, als wir noch in der Koalition waren und immer wieder gesagt haben: Was machen wir dort? Dann hieß es immer: Wir werden 20 Leute anstellen, dann wird es funktionieren. Dann verlässt man sich darauf, dass der große Koalitionspartner das im Griff hat. Er hat es nicht im Griff. Jetzt ist ein neuer Koalitionspartner zuständig. Ich möchte es denen gar nicht zum ... Ich kann mir gar nicht vorstellen, dass irgendjemand sagt: Das will ich so haben. Das kann ich mir einfach nicht vorstellen, dass irgendjemand sagt: Das finde ich toll, wenn jemand sechs Jahre lang nicht nur keinen Bescheid bekommt, sondern es passiert nichts. Das ist so, als würde ich das (ein Schriftstück in die Höhe haltend) jetzt zu Boden werfen, und es liegt einfach sechs Jahre dort. Das ist unvorstellbar: keine Schritte.

 

„Elf Monate Wartezeit auf Antragstermin“, „Beschwerde dem Landesverwaltungsgericht nicht fristgerecht vorgelegt“: Es ist der Job der MA 35, das vorzulegen. Da steht drinnen, die machen es einfach nicht. Wieder glaube ich nicht, dass die dort sitzen und sagen, so, jetzt benachteiligen wir fünf Leute und geben es denen nicht. Ich glaube, dass die Einzelnen dort sehr wenig oder gar nichts dafür können. Wenn man aber solche Arbeitsbedingungen schafft, unter denen solche Fehler passieren, darf man sich nicht wundern, wenn es nicht gerade ein Gedränge gibt, dort arbeiten zu wollen, und ganz viele von dort weg wollen. Das ist ein Zustand, das ist echt bitter, dass wir das jedes Jahr diskutieren müssen, fast immer auf dem gleichen Niveau mit minimalen Verbesserungen.

 

Beim Vollzug des Niederlassungsrechts sind da jetzt ein bissel weniger Eingaben gewesen - immerhin. Irgendetwas scheint es dort genutzt zu haben. Da steht dann, dass man über 20 Sachen geändert hat - nicht so bei der Staatsbürgerschaft, leider.

 

Auch da wieder: Gespräche zwischen MA 35, MD und Volksanwaltschaft. 21 Projekte laufen dort und sollen bis Ende 2024 Ergebnisse bringen. Das gilt jetzt wieder nur für das Niederlassungsrecht und nicht für die Staatsbürgerschaft.

 

„Nichteinhaltung der gesetzlichen Entscheidungsfristen“: Dort steht, es gibt triftige Gründe für eine Verfahrensverzögerung. Die Volksanwaltschaft sagt dann aber auch, was kein triftiger Grund ist. Kein triftiger Grund sind Personalknappheit, organisatorische Mängel oder die große Anzahl an Anträgen, weil die Behörde sicherzustellen hat, dass sie, wenn sie 100 Anträge kriegt, eben auch 100 Anträge bearbeiten kann. Sie kann nicht sagen, sie ist nicht imstande, es zu machen. Das gilt eben nicht. Es hinauszuzögern, gilt auch nicht. Das steht da ganz oft drin.

 

Es wiederholt sich über viele Seiten, nachdem da jedes Mal steht: „Eine Frau beantragte einen Aufenthaltstitel und reichte die Unterlagen ein.“ Dann passiert ein Jahr lang gar nichts. Dann kommen die Dokumente da hin. Dann wird wieder zwei Jahre kein Verfahrensschritt gesetzt. Da steht eben: „eine Frau beantragte“, „ein Mann beantragte“, aber dahinter steht jedes Mal eine Familie. Jedes Mal stehen dahinter mehrere betroffene Leute, die nicht wissen, wo sie nächstes Jahr überhaupt sein dürfen, die nicht wissen, ob sie in Wien bleiben dürfen oder nicht. Wie soll man es sagen? Etwas viel Wichtigeres gibt es für die Menschen gar nicht, und es wird hinausgezögert, hinausgezögert und hinausgezögert.

 

Es ist sehr mühsam, wenn wir dann immer hören: Wir werden eh tun. Da braucht es ganz offensichtlich nicht wieder 20 Leute mehr. Das scheint nicht zu funktionieren.

 

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